Q & A zum Brexit: Die EU betritt Neuland
Es ist offiziell: Theresa May hat den Austritt aus der EU beantragt. Wie geht es beim Brexit weiter? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Alle reden von Artikel 50. Was steht da eigentlich drin?
In Artikel 50 des EU-Vertrags ist geregelt, wie das Scheidungsverfahren abläuft. Darin steht, dass die Scheidung nicht sofort wirksam wird, sondern erst nach zwei Jahren. Bis dahin wollen London und Brüssel ein Austrittsabkommen aushandeln. Dieses Abkommen muss mit einer qualifizierten Mehrheit der dann noch 27 Mitgliedstaaten beschlossen werden – von mindestens 55 Prozent der Länder, die 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren. Auch das EU-Parlament muss zustimmen.
Ist Artikel 50 speziell für den Brexit geschaffen worden?
Nein, ganz im Gegenteil. Es war nämlich ein Brite, der ehemalige EU-Diplomat John Kerr, der Artikel 50 ausgeheckt hat. Er dachte allerdings nicht an sein Heimatland, sondern eher an Österreich, wo damals Jörg Haider nach der Macht griff. Ihm sei es darum gegangen, zu verhindern, dass ein „diktatorisches Regime“ handstreichartig aus der EU austritt, sagte Lord Kerr dem Online-Magazin „Politico“. Dass nun ausgerechnet Großbritannien den Artikel 50 zieht, tue ihm sehr leid.
Ist die EU gut vorbereitet?
Personell ja, politisch nein. Zwar hat Brüssel schon im letzten Jahr einen Verhandlungsführer nominiert: Für die EU-Kommission wird Michel Barnier am Verhandlungstisch sitzen. Der Franzose hat sich als harter Bankenregulierer (und guter Kenner der Londoner City) einen Namen gemacht. Doch der Ministerrat, die Vertretung der EU-Staaten, möchte das letzte Wort behalten und Barnier an ein striktes Verhandlungsmandat binden. Das soll erst Ende April auf einem EU-Sondergipfel verabschiedet werden.
Was geschieht als Nächstes?
Zunächst ist EU-Ratspräsident Donald Tusk am Zug. Spätestens 48 Stunden nach Eingang des Antrags will er Richtlinien für die Verhandlungen vorlegen. Auf diesen Entwurf will die EU-Kommission dann „sofort“ antworten – mit eigenen Empfehlungen für die auf zwei Jahre befristeten Brexit-Gespräche. Über diese Empfehlungen entscheidet dann der EU-Gipfel. Danach beginnen die eigentlichen Verhandlungen – die EU betritt Neuland.
Wer will was von den Briten?
Die Interessen der EU-Staaten sind sehr unterschiedlich, teilweise widersprüchlich. Deutschland als größtes EU-Land möchte einen möglich soften Brexit, um die Handelsbeziehungen nicht zu gefährden. Polen möchte einen möglichst guten Deal für seine mehr als eine Million Landsleute, die auf der Insel leben. Die baltischen Staaten möchten UK als Sicherheits-Partner behalten – aus Angst vor Russland. Einig ist man sich nur, dass es ohne Freizügigkeit keinen Zugang zum Binnenmarkt gibt.
Was sind die größten Knackpunkte?
Wie bei jeder Scheidung droht auch hier ein heftiger Streit ums Geld. Rund 60 Milliarden Euro schulde das Vereinigte Königreich der EU nach dem Brexit, sagte Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Dabei hat er auch EU-Inventar und Gebäude mitgezählt – bis hin zum Weinkeller im Ministerrat. Doch die Briten wollen nicht zahlen: „I want my money back“ heißt es in London seit Margaret Thatcher. Ein weiterer Knackpunkt sind die rund drei Millionen EU-Bürger, die auf der Insel leben. Sie bangen um ihre Zukunft, Brüssel fordert Garantien.
Kann der Brexit auch noch scheitern?
Of course. Die Briten könnten es sich anders überlegen und ihren Antrag zurückziehen. Sie würden dann EU-Mitglied bleiben, hätten allerdings ihr Gesicht verloren. Denkbar ist auch ein harter Brexit – ohne Einigung mit der EU. Die Folgen wären allerdings vor allem für Großbritannien so dramatisch, dass man in Brüssel von einer gütlichen Einigung ausgeht. Allerdings zweifeln viele, dass dies wie geplant in zwei Jahren gelingt.
Wann ist das ganze Theater endlich vorbei?
Die EU möchte rechtzeitig vor der Europawahl 2019 reinen Tisch machen. Die eigentlichen Verhandlungen sollen sogar schon im Oktober 2018 abgeschlossen sein. Allerdings wird bis dahin wohl nur das Austrittsabkommen fertig – und nicht der Vertrag über die künftigen Beziehungen. Der Brexit dürfte die EU daher noch lange beschäftigen; im „worst case“ wird er sogar zur unendlichen Geschichte.
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