Britische Landwirtschaft nach dem Brexit: Forever Fish and Chips

Die Regierung in London sieht im Brexit die große Chance, den heimischen Agrarsektor zu deregulieren. Die Bauern sind davon nicht überzeugt.

Koch streut Salz auf eine Portion Fish and Chips

„Großartige britische Lebensmittel“: Nationalgericht Fish and Chips Foto: reuters

Dublin taz Die britische Agrarministerin Andrea Leadsome hat der Artenvielfalt den Kampf angesagt. Nach dem Ausstieg von Großbritannien aus der EU werde als Erstes die Vorschrift gekippt, nach der Landwirte mit mehr als 30 Hektar Land drei verschiedene Kulturen anbauen müssen, erklärte sie. Auf diesen Schutz der Biodiversität hatten sich die EU-Agrarminister 2013 geeinigt, aber die Regel ist für Leadsome „lächerlich und bürokratisch“. Man müsse sich endlich aus dem hinderlichen System befreien, sagte sie. Zu viel Geld und Zeit würden verschwendet, um die EU-Vorgaben umzusetzen.

Für die Ministerin ist der Brexit eine große Chance: Man könne nun die gemeinsame Agrarpolitik der EU durch ein auf Großbritannien zugeschnittenes System ersetzen. „Jetzt, wo wir uns auf den Austritt vorbereiten“, sagte Leadsome, „schaue ich mir die Regeln genau an, die uns bisher behindert haben. Wir müssen uns darauf konzentrieren, was am besten für das Vereinigte Königreich ist.“ Sie deutete an, dass man die Gewichtseinheiten Unze und Stein wieder einführen könnte, die ältere Briten ohnehin noch nutzen.

Was bringt der Brexit der britischen Landwirtschaft? Ein Umdenken zugunsten der Kleinbauern und der Umwelt findet auf der Insel nicht statt – im Gegenteil: Eben erst eingeführte EU-Agrarumweltvorschriften sollen wieder zurückgenommen werden.

Die britischen Grünen halten Leadsomes Pläne dann auch für „umwelttechnisch verantwortungslos“. Molly Scott Cato, die Europaabgeordnete der Partei, sagte: „Die Regierung scheint die Bauern zu ermutigen, sich kopfüber in schädliche Monokulturen zu stürzen.“

Auch in anderen Bereichen will Leadsome die Gesetzgebung umkrempeln. Rund 800 EU-Gesetze regulieren die Tierwelt und ihren Lebensraum, die Wasser- und Lebensmittelsicherheit, Fischerei und Landwirtschaft. Jede dritte Regulierung soll auf der Strecke bleiben. „Dadurch befreit man die Bauern“, sagt sie. „Sie haben mehr Zeit, um mehr von unseren großartigen britischen Lebensmitteln zu produzieren, mehr zu verkaufen und mehr zu exportieren, während wir die hohen Standards für Fauna und Flora beibehalten.“

Wenn die letzte Erdbeere gepflückt ist

Die Bauern sind nicht überzeugt. Nachdem Leadsome neulich vor mehreren hundert Bauern eine Rede gehalten hatte, bat sie ihr Publikum, per Handzeichen zuzustimmen, dass ihr Ministerium auf den Brexit gut vorbereitet sei. Es meldete sich lediglich ihr Stellvertreter George Eustice.

Von 800 EU-Regeln für die Landwirtschaft soll jede dritte verschwinden

Die Bauern fragten, was denn nach dem Brexit mit den 67.000 ausländischen Erntehelfern sei. Antwort: Sie dürften weiterhin einreisen, müssten aber verschwinden, wenn die letzte Erdbeere gepflückt sei. Langfristig hofft Leadsome, dass junge Briten und Britinnen sich mehr für Landwirtschaft interessieren und bei der Ernte helfen.

Die meisten britischen Bauern sind von den Subventionen durch die EU abhängig, sie machen mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus. Die Regierung will diese Subventionen bis 2020 aufrechterhalten. Das Geld wird nach der Größe der Höfe verteilt. Je mehr Land jemand besitzt, desto mehr Zuschüsse kassiert er. Eine Obergrenze gibt es nicht, die Gelder sind nicht an die Landwirtschaft gebunden. Manche Bauern züchten damit Rennpferde oder richten Jagden auf Fasane aus.

Der frühere Vizepremierminister und Chef der Liberalen Demokraten, Nick Clegg, sieht schwarz für die Bauern. Der Austritt aus der Europäischen Union sei das Todesurteil für Großbritanniens Agrarwirtschaft, da dann Zölle auf Produkte wie Rindfleisch und Käse erhoben würden. „Großbritannien exportiert Agrarprodukte im Wert von 11 Mil­liar­den Pfund im Jahr in die anderen EU-Länder“, sagt Clegg. Der einzige Ausweg sei der Verbleib im EU-Binnenmarkt. Aber diese Möglichkeit ist im Plan der Premierministerin Theresa Mays nicht vorgesehen.

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