Pushback gegen alte Deutsche: MacDeath statt Pflege
Wer genügend Geld hatte, wähnte sich früher im Alter auf der sicheren Seite. Doch 2044 kommt die 24-Stundenhilfe nur noch 24 Stunden im Jahr.
F rüher wollten alle wissen, was sie erwartet, heute haben die meisten schon von der Gegenwart genug. Wir blicken trotzdem einmal im Monat immer ein Jahr voraus.
Wir schreiben das Jahr 2044. Das Pflegeproblem in Deutschland ist ungelöster denn je. Dreißig Millionen Alte sitzen unbetreut zu Hause und warten auf den Tod. Man hätte die jungen Leute, die vor der Klimakatastrophe aus dem globalen Süden flohen, vielleicht doch nicht mit Schüssen von den EU-Außengrenzen vertreiben sollen. Schließlich ist seit hundert Jahren klar, dass unser Land dringend eine demografische Auffrischung benötigt.
Der Pushback war nicht nur unmenschlich, sondern obendrein noch dumm. Es ist eben doch so, wie mein polnischer Futurologe Zbigniew sagt: „Brennt dem Esel der Schweif, hängt er ihn in den See; brennt dem Deutschen der Schwanz, taucht er ihn in ein Fass mit Benzin.“
Da hilft es auch nichts mehr, dass man potentiellen Pflegekräften aus Ghana oder Bangladesch jetzt zu jedem Arbeitsvertrag noch einen Fisch und eine Antiquität dazu schenkt. Unser Ruf ist unter Arbeitsimmigranten längst irreparabel geschädigt, während die skandinavischen Länder mit gutem Geld anstatt mit Balkonapplaus und lauten Fürzen bezahlen.
Im Anschluss oft sehr nachdenklich
Auch die Pflegeroboterentwicklung ist leider noch nicht so weit gediehen, wie man sich das gewünscht hätte. Wer einmal Zeuge war, wie so ein Blechbruder einer Patientin erst den Hintern abwischt, um ihr dann übergangslos ein Brot zu schmieren, wird im Anschluss oft sehr nachdenklich.
Lange Zeit war, wer genügend Geld hatte, im Alter auf der sicheren Seite. Doch heute kommt die sogenannte 24-Stundenhilfe nur noch 24 Stunden im Jahr. Selbst für Reiche ist nicht mehr alles käuflich – vor dem Pflegenotstand sind nun alle, wenn nicht gleich, so doch immerhin ähnlich.
Kein Wunder also, dass die Sterbehilfeindustrie boomt, denn was bleibt dem Wasserkopf der Alterspyramide auch groß anderes übrig? Wenigstens ist aktive Sterbeunterstützung hierzulande endlich so legal wie länger schon in Belgien. Dort atmet man auf: Der überbordende Sterbetourismus aus Deutschland sollte – Karma is a bloody bitch! – zuletzt durch Schüsse an der Grenze gestoppt werden, was den Zustrom doch nur weiter anzuheizen schien.
Nun ballen sich die „Abschiedshäuser“ auch in deutschen Einkaufsstraßen wie die Frisiersalons. Und sie tragen genauso flotte Namen: „Sterbe-Helpling“, „Final Booster“, „Happy End“, „Erbehilfe“ oder die Discountkette „MacDeath“.
„Wenn wir alt sind“, sagt meine liebe Hausnymphe Apocalypso, und meint damit vermutlich 120 oder so, „kann man sich bestimmt in jedem Späti an der Ecke totspritzen lassen.“ Sie kichert unangebracht. „‚Um die Ecke‘, muss das natürlich heißen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut