Psychotherapeutin über Klimakrise: „Auswirkungen sind komplex“
Mit der Klimakrise werden psychische Erkrankungen zunehmen. Die Psychotherapeutin Lea Dohm gibt einen Workshop über Psychologie und Klimawandel.
taz: Frau Dohm, wie wirkt sich der Klimawandel auf die Psyche aus?
Lea Dohm: Das ist bestens erforscht, und die Prognosen sind schauerlich: Mit fortschreitender Klimakrise werden Hitzeperioden länger – und psychische Erkrankungen werden stark zunehmen. Mit der Hitze steigt die Aggression, und auch Suizidalität hat einen nachweislichen Zusammenhang mit Hitze. Zudem nimmt der gesellschaftliche Zusammenhalt ab. Deshalb müssen wir einerseits Energie aufwenden, um zu verhindern, was noch zu verhindern ist. Zugleich müssen wir Behandlungskapazitäten aufbauen. Nicht nur personell, sondern auch räumlich.
Inwiefern?
Ich weiß, dass viele Psychiatrien noch gar nicht mit Klimatisierung ausgestattet sind. Aber die Hitze war ja nur ein Beispiel. Die Auswirkungen der Klimakrise auf die psychische Gesundheit sind sehr komplex. Die durch das Ahrtal-Hochwasser traumatisierten Menschen brauchen eine Behandlung, das wäre relativ direkt. Wenn aber ein nicht selbst vom Hochwasser betroffenes Kind wochenlang nicht in den zerstörten Kindergarten gehen kann, wirkt sich das auch auf seine psychische Gesundheit aus.
Trotzdem wird der Klimawandel teils noch bagatellisiert. Was bringt das der Seele?
Verdrängung ist ein klassischer Abwehrmechanismus und erst mal nicht pathologisch, sondern etwas Gesundes, um uns auf das Wichtigste zu fokussieren. Nur kann das bei der Klimakrise dazu führen, dass das Thema und der damit verbundene Handlungsdruck immer wieder nach hinten geschoben werden. Da kann es helfen – und das tue ich in meinem Workshop über Psychologie und Klimawandel –, über diese Abwehrmechanismen aufzuklären, damit wir ihnen nicht auf den Leim gehen.
Wie verhindern wir das?
Es geht darum, ins Handeln zu kommen, indem wir einen persönlichen Bezug zum Klimawandel herzustellen und verstehen: Was bedeuten 1,5 oder zwei Grad Erhitzung für meinen Wohnort, meine Berufswahl, meine Altersversorgung? Wenn wir das Gefühl haben: „Es ist ernst, es betrifft mich, und ich kann etwas tun“, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir aktiv werden, möglichst – auch – als Gruppe. „Fridays for Future“ hat es vorgemacht, aber bei Demonstrationen können wir nicht stehen bleiben. Und da hat es zum Beispiel eine starke Wirkung auch auf meine Motivation, wenn ich bei meinem Arbeitgeber durchsetzen kann, dass die Nummer eins der Kantinengerichte vegetarisch ist – oder dass sich mein Sportverein engagiert, um Radfahren in der Stadt attraktiver zu machen.
Aber was nützt dieses Kleinklein, wenn in China weiter Umwelt zerstört, in Brasilien massiv Regenwald abgeholzt wird?
Das ist ein typischer Verzögerungsdiskurs – wie auch das Argument „es ist jetzt sowieso zu spät“. Ja, für einige Sachen ist es zu spät. Aber wir können auch viel tun, es ist das entscheidende Jahrzehnt für Veränderung. Und ja, es stimmt, es läuft weltweit immer noch viel schief. Es läuft aber auch viel gut. China etwa hat bereits eine deutlich niedrigere Pro-Kopf-Emission als Deutschland.
Und was läuft im Regenwald gut?
Online-Workshop „Vom Denken zum Handeln: Warum die Klimakrise auch eine psychologische Krise ist“ der Naturschutzjugend (Naju) Hamburg mit Lea Dohm: Di, 5. April, 18 bis 19.30 Uhr, im Rahmen des Projekts „Klima-Coaches“. Anmeldung möglich unter: www.naju-hh.de/jugend/klima-coaches
Dazu fällt allerdings auch mir nichts Tröstliches sein. Aber es hat letztlich keinen Sinn, in die Ferne zu verweisen, statt selbst ins Handeln zu kommen. Um das zu erleichtern, bieten die „Psychologists for Future“, bei denen ich aktiv bin, zum Beispiel ein kostenfreies Beratungsangebot. In bis zu drei Sitzungen kann man sich beraten lassen, wenn es einem nicht gut geht mit Klimagefühlen oder wenn es im eigenen Engagement irgendwo hakt.
Wenn Sie Suizidgedanken haben, können Sie sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden: ☎ 0800-111 01 11, ☎ 0800-111 02 22, www.telefonseelsorge.de
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