Psychiater über minderjährige Flüchtlinge: „Es fehlt die richtige Behandlung“
Basel Allzoy betreut minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Er weist darauf hin, dass Betreuung durch Pädagogen und Pflegefamilien fehlt.

taz: Was brauchen minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die hier ankommen?
Basel Allozy: Als Minderjährige sind sie Schutzbefohlene und brauchen Betreuung, nicht nur durch formale Vormünder, sondern als richtigen Ersatz für die Eltern, also Pädagogen und professionelle Betreuer, die rund um die Uhr ansprechbar sind. Oder auch in Form von Pflegefamilien.
Die meisten leben in betreuten Einrichtungen. Reicht das?
Manche kommen aus Kriegsgebieten und man weiß nicht, was sie erlebt haben und in welcher Verfassung sie sind. Manche waren Kindersoldaten, manche haben Folter erlebt oder sind traumatisiert, und einige haben ihre Familien ganz verloren. Das sind psychische Ausnahmebelastungen, wo die Betreuer genau prüfen müssen und wir individuelle psychologische Screenings brauchen.
, 43, ist Kinderpsychiater und betreut ehrenamtlich Flüchtlinge.
Passiert das nicht, wenn sie hier in die Betreuung aufgenommen werden?
Selbst wenn der Bedarf erkannt ist, fehlt es oft an der richtigen Behandlung, weil die Jugendlichen in bürokratischen Schleifen feststecken oder die Kapazitäten in der psychologischen Betreuung fehlen.
Längst nicht alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge haben psychische Probleme oder sind traumatisiert. Viele sind doch einfach Jugendliche, die ihre Familie vermissen, oder?
Ja, natürlich. Die Familie fehlt ihnen, viele sind mitten in der Pubertät und dann auch überfordert von der Freiheit, die sei hier haben. Die Eltern könnten sie etwas begrenzen, stattdessen sind viele ganz auf sich gestellt. Deshalb ist gerade der Anfang ist wichtig, wenn sie hier ankommen. Da müssen wir eine intensive Betreuung gewährleisten, nicht nur Heimverwaltung. So können wir mögliche Probleme gleich viel besser auffangen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel