Prozess zu Brüsseler Anschlägen: War der Terror bloß Plan B?

In Belgien stehen die Hauptverdächtigen der Anschläge von 2016 vor Gericht. Einiges spricht dafür, dass die Täter eigentlich anderes geplant hatten.

Blick auf die Anklagebank in einem Hochsicherheitsgerichtssaal

Polizisten bewachen einen Angeklagten im Gerichtssaal am 5. Dezember in Brüssel Foto: Olivier Matthys/reuters

BRÜSSEL taz | Mehr als sechs Jahre liegen die islamistischen Terroranschläge von Brüssel schon zurück. Am 22. März 2016 waren bei Selbstmordattentaten im Flughafen Zaventem und in der Metrostation Maelbeek 32 Menschen getötet und Hunderte teils schwer verletzt worden. Nun hat die juristische Aufarbeitung begonnen – mit einem Mammutprozess, der in die belgische Justizgeschichte eingehen dürfte.

Zehn Angeklagte, 12 Geschworene, mehr als 900 Nebenklägerinnen und -kläger – allein schon die Zahl der Prozessbeteiligten ist beeindruckend. Auch der Aufwand, der für den „Prozess des Jahrhunderts“ (Le Soir) betrieben wird, ist enorm. Um die Sicherheit zu gewährleisten, wurde eigens ein Saal auf dem ehemaligen Nato-Gelände am Stadtrand von Brüssel hergerichtet.

Die Angeklagten aus dem Milieu des sogenannten Islamischen Staats (IS) sollten zunächst in separaten Kabinen sitzen, wehrten sich jedoch gegen diese „Käfighaltung“. Daraufhin ließ das Gericht unter Leitung von Laurence Massart (57) eigens eine große Glasbox anfertigen, in der mehrere Angeklagte sitzen können. Dadurch hat sich der Prozessauftakt um mehrere Wochen verzögert.

Als es am Montag losging, gab es zunächst noch mehr Probleme: Die Polizei war mit dem Publikumsandrang sichtlich überfordert, zwei Geschworene ließen sich kurzfristig entschuldigen, ein Angeklagter beschwerte sich über die Konditionen beim Transport in den Gerichtssaal. Statt wie geplant um neun Uhr konnte die Vorsitzende Massart den Prozess erst um kurz vor zehn eröffnen.

Dem 33-jährigen mutmaßlichen Haupttäter Salah Abdeslam, der bereits wegen der Anschlagsserie 2015 in Paris zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, droht erneut lebenslang – wegen 32-fachem terroristischem Mord, versuchtem terroristischen Mord an 695 Menschen sowie Beteiligung an Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung. So lautet die Anklage. Die 500 Seiten starke Anklageschrift wird allerdings erst am Dienstag verlesen. Die Befragung der Angeklagten soll dann am 19. Dezember beginnen.

Brüssel stand nicht im Fokus

Zwei zentrale Themen des Prozesses zeichnen sich ab: Warum kam es 2016 überhaupt zu Attentaten in Brüssel – und nicht erneut in Paris, wo die Terrorserie 2015 begonnen hatte? Und wieso wurden Flughafen und Metro angegriffen – und nicht der Sitz des belgischen Premiers, der ausgespäht worden war? Folgten die Angriffe einem „Plan B“, nachdem der ursprüngliche Plan gescheitert war?

Dafür spricht einiges. Die Anschläge in Brüssel und Paris gehen nach Ansicht der Ermittler auf dieselbe Terrorzelle zurück. Brüssel stand zunächst jedoch nicht im Fokus der Islamisten, von denen viele in der belgischen Hauptstadt aufgewachsen waren. Offenbar schlugen sie erst zu, nachdem Abdeslam im Brüsseler Stadtteil Molenbeek festgenommen worden war.

Großes Interesse zieht auch ein weiterer mutmaßlicher Drahtzieher auf sich. Oussama Atar aus dem Brüsseler Vorort Laeken gilt als Mastermind der Attentate von Paris und Brüssel, nimmt an dem Prozess in der belgischen Hauptstadt aber nicht teil – angeblich wurde er bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff 2017 in Syrien getötet. Dennoch soll er in Abwesenheit verurteilt werden, wie zuvor schon in Paris. Dort war Atar zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

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