Prozess um Flensburger Bahnhofswald: Baubehörde kassiert Klatsche
Das Schleswiger Verwaltungsgericht gibt einer Klage des BUND statt: Die Baugenehmigung für ein Hotel am Flensburger Bahnhof verstößt gegen Umweltrecht.
Bauen im Biotop: Das verstößt gegen Umweltrecht, und damit ist eine Baugenehmigung für so ein Gebiet unzulässig. Das erklärte das Schleswiger Verwaltungsgericht am Donnerstagabend. Das Gericht gab damit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Schleswig-Holstein Recht. Die Umweltgruppe hatte gegen die Stadt Flensburg geklagt, die die Baugenehmigung für ein Hotel mit Parkhaus in einem bewaldeten Gebiet nahe dem Flensburger Bahnhof erteilt hatte. Doch dort befindet sich eine Quelle, die unter Schutz steht.
„Diese Entscheidung ist eine Ohrfeige für die Stadt Flensburg“, sagt der BUND-Landesvorsitzende Dietmar Ulbrich. „Das Urteil bestätigt, dass Klima- und Naturschutz und insbesondere gesetzlich geschützte Biotope in der Bauleitplanung ernst genommen werden müssen.“
Der Fall hat eine lange Vorgeschichte und könnte für die Stadt ein finanzielles Nachspiel haben. Die Flensburger Immobilienfirma Jara, hinter der die zwei Flensburger Unternehmer Ralf Hansen und Jan Duschkewitz stehen, wollte am Bahnhof ein Hotel mit Parkhaus bauen. Doch es gab Widerstand der lokalen „Initiative Bahnhofsviertel“. Nachdem die Ratsversammlung der Stadt im Sommer 2020 den B-Plan beschlossen hatte, besetzten Aktivist:innen im Herbst das Waldstück. Im Februar ließ Jara das Gelände räumen und einige Bäume fällen – ohne Genehmigung.
Im Sommer Juli 2022 begannen erste Erdarbeiten, gegen die der BUND gerichtlich vorging und per Eilverfahren einen Baustopp erreichte. Der Hauptgrund war eben die Quelle, die sich in dem Wäldchen befindet. Quellen gelten als geschützte Biotope, erklärte der Vorsitzende Richter Mathias Schulz: „Es ist verboten, ein Biotop zu ändern oder zu zerstören.“ In Schleswig-Holstein erlaube das Landesnaturschutzgesetz Ausnahmen von dieser Grundregel nur für Knicks und Kleingewässer, aber nicht für Quellgewässer.
Während sich der juristische Vertreter der Stadt in der Verhandlung zurückhielt, kämpfte der Anwalt der Jara, Finn-Harm Witt, unermüdlich. Bereits in einem Schriftsatz hatte er geschrieben, dass die Fledermäuse auf dem Gelände „als Überträger von Corona keinen Schutz verdienten“. Im laufenden Prozess ist die Jara nur „Beigeladene“. Doch das Ergebnis ist für die Immobilienunternehmer wichtig, da sie möglicherweise Schadensersatz von der Stadt verlangen.
Witt bezweifelte, ob es auf dem Gelände wirklich eine Quelle gebe: „Dafür gibt es keinen Sachverstand.“ Doch, antwortete Ole Eggers, Landesgeschäftsführer des BUND, der im Gerichtssaal saß: „Der Bewuchs auf dem Gelände zeigt deutlich den Wasserdruck, das lässt sich kaum übersehen.“
Inzwischen liegen aktuelle Gutachten vor, die die Quelle belegen. „Für uns haben sich keine Zweifel ergeben, dass es diese Quelle gibt, dass es sie damals gab und sie nicht berücksichtigt wurde“, sagte Richter Schulz. Die Kammer stellte im Urteil fest, dass die Baugenehmigung vom Januar 2021 gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstoße.
Unruhe zu Beginn
Das Gleiche gilt für den zugrundeliegenden Bebauungsplan, den die Stadt Flensburg im Juni 2020 beschlossen hatte. Der Plan leide unter Prognose- und Abwägungsfehlern, berücksichtige die Interessen des Biotop- und Artenschutzes nicht hinreichend und sei damit insgesamt rechtswidrig, heißt es im Urteil.
Einige Unruhe gab es zum Beginn der Sitzung, als eine ehrenamtliche Richterin vereidigt wurde: Benita von Brackel-Schmidt war zu der Zeit Kreisvorsitzende der Grünen im Kreis Schleswig-Flensburg, als die politischen Entscheidungen fielen, um die es bei dem Prozess ging. Sie hatte sich früher mehrfach zu dem Hotel-Bau geäußert.
Die Bürgerinitiative Bahnhofsviertel wirft ihr vor, sie habe auf Facebook eine gefälschte Skizze veröffentlicht, in der das Hotel kleiner dargestellt war, als tatsächlich geplant. Benita von Brackel-Schmidt weist das zurück. Sie habe lediglich eine Darstellung der Bürgerinitiative kritisiert und eine Gegendarstellung gepostet, es kursierten verschiedene Bilder. Der Eintrag ist heute auf der Plattform nicht mehr zu finden.
Richter Mathias Schulz sagte, die Kammer prüfe nur, ob ehrenamtliche Richter:innen einen Posten in einem Gremium gehabt hätten. Das sei nicht der Fall, „der Umstand ist erledigt“.
Anm. d. Red: Der Text wurde gegenüber einer ursprünglichen Version aktualisiert und im Zuge dessen deutlich verändert. Die Reaktion von Benita von Brackel-Schmidt wurde ergänzt.
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