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Prozess gegen Pfleger in HannoverVorwurf: Frauen missbraucht

Der Pfleger Roland W. soll Frauen mit Behinderung missbraucht, vergewaltigt und dabei gefilmt haben. Das ist kein Einzelfall, sagt eine Expertin.

Behinderte Frauen werden öfter Opfer sexueller Gewalt als der Durchschnitt Foto: Tom Weller/dpa

Hannover taz | Drei schwer behinderte Frauen soll der Pfleger Roland W. in einem Pflegeheim in Hannover mehrfach missbraucht und vergewaltigt haben. Viele der Taten filmte er mit dem Handy. Fast sieben Jahre lang, zwischen Oktober 2011 und März 2018, soll es immer wieder zu Übergriffen gekommen sein.

Am Donnerstag steht er deshalb vor dem Landgericht Hannover. Nicht zum ersten Mal: Der Prozess gegen den geständigen 59-Jährigen hatte schon im vergangenen Jahr begonnen, musste dann aber ausgesetzt werden, um den Angeklagten psychia­trisch begutachten zu lassen. Jetzt beginnt er von vorn.

Und es sei ein wichtiger Prozess, sagt Helena Behrens vom Frauennotruf Hannover. Denn Roland W. sei keineswegs ein Einzelfall. Der Verein befasst sich seit 20 Jahren mit dem Thema „Sexuelle Gewalt und Beeinträchtigungen“. Solche Prozesse helfen, Öffentlichkeit zu mobilisieren und die Sensibilität zu schärfen.

„Frauen mit Beeinträchtigungen haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, sexuelle Gewalt zu erfahren“, sagt Behrens. In der Öffentlichkeit sei das Thema aber kaum präsent – weil viele immer noch glaubten, Behinderte hätten gar keine Sexualität und würden auch nicht als sexuelle Wesen wahrgenommen. Außerdem gebe man sich gern der Illusion hin, sie würden sich ja ohnehin nur in besonders geschützten und behüteten Räumen bewegen.

Den Opfern wird häufig nicht geglaubt

Doch der vermeintliche Schutzraum kann schnell zur Falle werden. „Wenn aus den Einrichtungen kaum etwas nach außen dringt, begünstigt das solche Taten“, sagt Behrens. Häufig könnten sich die Opfer zudem kaum artikulieren, und wenn sie es täten, würde ihnen häufig nicht geglaubt.

Nötig sei vor allem eine bessere Aufklärung – und zwar sowohl der betroffenen Frauen als auch der Angehörigen und Fachkräfte. „Gerade Frauen, die schon als Kinder oder Jugendliche sexuelle Gewalt erfahren, definieren ihre Sexualität dann auch so“, sagt Behrens. „Nach dem Motto: Wieso, der fasst mich doch immer so an.“

Immerhin: Der Frauennotruf verzeichnet eine steigende Zahl von Anfragen nach Beratungen genauso wie nach Präventionsprogrammen und Fortbildungen. Nach der Gerichtsverhandlung werden es vermutlich noch einmal ein paar mehr sein.

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1 Kommentar

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  • "Vorwurf: Behinderte missbraucht" Behinderte was, Frau Conti? Ich finde es schrecklich, dass Sie sich in der Überschrift das Wort "Frauen" sparen, so, als bräuchten sie den Begriff "Behinderte" als Clickbait, hinter dem die Opfer - die Frauen - zurückzustehen haben.

    Das nutzt es auch nichts, wenn in der Zwischenüberschrift das Versäumnis nachgeholt wird, ewas, das ich erst lesen kann, wenn ich den Artikel öffne. Ich zucke regelmässig zusammen, wenn Journalist*innen im 21. Jahrhundert noch immer "Behinderte" als Alleinstellungsmerkmal schreiben, denn im reduzierenden Begriff "Behinderte" wird das Menschsein, das Weiblich-/Männlich-/Diverssein komplett ausgeblendet, die Person allein über ihre Einschränkung definiert.

    Behinderten Menschen die Sexualität abzusprechen, beginnt doch nicht erst in der verbalen oder tätliche Übergriffigkeiten, sondern schon viel früher und viel subtiler: Sei es durch die sprachliche Weglassung von "Frau", "Mann", etc., sei es, dass noch immer die meisten Rollstuhltoiletten unisex sind. Das wäre kein Problem, gälte dies für alle Menschen, womit einiges an Geschlechterdisktiminierung endlich beendet werden würde. So wirkt es, als gäbe es seit Jahrzehnten eine Art drittes Geschlecht (Damen, Herren, Behinderte...) oder eine Absprechen desselben.

    Und die Tatsache, dass Frauen (nicht nur) in Einrichtungen noch immer damit rechnen müssen, dass ihre Intimpflege durch Männer bewerkstelligt wird und den Frauen die freie Wahl abgesprochen wird, ist - auch jenseits der Übergriffsgefahr- ein Unding!