Prozess dem rechten Kampfsport: Linke töten wollen aus Notwehr
Die extrem rechte Kampfsportgruppe Knockout 51 hat in Eisenach Angsträume geschaffen. Trotz Urteilen gegen die führenden Köpfe bestehen sie weiter.
In der Thüringer Kreisstadt sorgte in den vergangenen Jahren die Kampfsportgruppe Knockout 51 für viel Aufsehen. 2015 ging es los, damals noch als „Nationale Jugend Eisenach Wartburgkreis“ organisiert, verursachte sie Sachbeschädigungen und leichte Körperverletzungen. Erst im März 2019 folgte die Neuaufstellung als Knockout 51. Gemeinsam trainierten die rund 20 Mitglieder Kampfsport und patrouillierten durch die Eisenacher Weststadt. Als Anführer trat schon da der Szenebarbetreiber Leon Ringl auf. Ihr erklärtes Ziel war ein „Nazi-Kiez“ und dafür griffen sie die an, die nicht dazu passten: „Assis“, „Ausländer“ und „Zecken“. Es kam zu schweren Körperverletzungen.
Der Text ist aus einem zu den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Rahmen eines Online-Workshops der taz Panter Stiftung entstandenen Ostjugend-Dossier, das durch Spenden finanziert wird: taz.de/spenden
Das hat auch Chris erlebt. Was ihm passiert ist, wann und wo genau, das möchte er zur Sicherheit nicht öffentlich sagen, genauso wenig wie seinen echten Namen. Im Gespräch mit der taz erzählte Chris, er meide die Eisenacher Weststadt, wenn es denn ginge. Auch andere bestätigen das Bild: Die Gruppe um Leon Ringl machte aus ganzen Straßenzügen Angsträume.
Hinweise darauf, wie passieren kann, dass sich junge Männer mit faschistischer Gewalt als Lebensmittelpunkt als Ordnungsmacht fühlen können, gibt eine 2021 veröffentlichte Studie des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft. Sie zeigt, wie seit den frühen 90ern die NPD und Neonazi-Gruppen eine international vernetzte rechtsextreme Szene im Bezirk Wartburgstadt in Eisenach aufgebaut haben. Mit einer Mischung aus Straßengewalt, rassistischer und sozialdarwinistischer Stadtteilarbeit, der Etablierung im Stadtrat und dem Kauf von Immobilien eigneten sie sich Raum an – etwa das Flieder Volkshaus, die Zentrale der NPD-Nachfolgepartei „Heimat“. Dabei unterstützte sie die rechtsextreme Szene aus dem Westen mit Ressourcen, vor allem Geld.
Eisenacher Subkultur gibt es übrigens auch!
Doch das ist in Eisenach kaum Stadtgespräch. „Das ist aber ein altbekanntes Phänomen: wenn ein Thema über lange Zeit in der Presse aufgebauscht wird, führt das zu einer Lethargie bei den Leuten, die es tatsächlich betrifft“, interpretiert Chris die schweigsame Zivilgesellschaft trotz intensiver Berichterstattung. An reißerischen Funk-Dokus exemplarisch zu sehen: Berichterstattung, die über Eisenachs rechte Strukturen aufklären möchte, versteift sich oft genug darauf, die Wartburgstadt als isolierbaren rechten Hotspot darzustellen. Das läuft Gefahr, die Vernetzungen der Szene zu verkennen, so im Fall von KO51 die Partnerschaft mit der Dortmunder Nordstadt, Schießtrainings in Tschechien oder Verbindungen in die US-amerikanische Sektion der Atomwaffen Division sind. Und bietet zum anderen die gern genutzte Gelegenheit, die extreme Rechte als ein lokales ostdeutsches Phänomen zu betrachten.
Chris, Geschädigter in Eisenach
Was hingegen kaum in bundesweiten Medien auftaucht: Eisenacher Subkultur und queeres Leben. Dabei hat die sich in den vergangenen drei Jahren zunehmend ausgebreitet. Das berichtete etwa Fred, der 2023 den ersten Christopher Street Day (CSD) der Stadt mit organisiert hat. Auch er möchte aus Sicherheitsgründen nicht, dass sein Name öffentlich wird. Beim CSD im September 2023 zogen mehr als 500 Menschen durch die Stadt.
Chris weiter zur medialen Wahrnehmung: „Wenn man sich in den Dörfern und Städten bei Eisenach umschaut, wird man ähnliche Neonazihaufen vorfinden, unsere sind bloß lauter.“ Und doch gefährlicher.
2022 hatte Ringl eine Schusswaffe mit einem 3D-Drucker herstellt, kurz darauf nahm die Polizei ihn und drei weitere Köpfe der Gruppe fest. Nach über 50 Prozesstagen urteilte das Oberlandesgericht Jena nun im Juli 2024, Knockout 51 sei eine kriminelle, aber keine terroristische Vereinigung gewesen. Sie bekamen Haftstrafen von etwa zwei oder drei Jahren, deutlich weniger, als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Die besorgten Waffen hätten der Abschreckung gedient und wenn es in der Gruppe darum ging, Linke zu töten, sei das nur angedachte Notwehr gewesen. Die vier Verurteilten, zentrale Köpfe, kehren nun vorübergehend in die Wartburgstadt zurück. Das Urteil des OLG Jena kommentierte die Antifaschistische Linke Eisenach (Alesa) drastisch: „Blut an euren Händen.“
Maja T. aus Jena nach Ungarn ausgeliefert
Die ganze Härte des Rechtsstaats bzw. eine staatliche Härte, die es mit dem Recht nicht immer so genau nimmt, bekommen derweil andere Thüringer:innen zu spüren. Maja T., aus Jena, antifaschistisch und nicht-binär, werden im Zusammenhang mit einem rechtsextremen Aufmarsch in Budapest im Februar 2023 Übergriffe auf Neonazis vorgeworfen. Nach einer monatelangen Großfahndung festgesetzt, wurde T. schließlich in einer „Nacht- und Nebelaktion“ (so Maja T.s Anwalt Sven Richwin) nach Ungarn ausgeliefert. Obwohl noch ein Eilantrag gegen die Auslieferung beim Bundesverfassungsgericht anhängig war, übergaben die deutschen Behörden die Person an die österreichische Polizei. Anderthalb Stunden nach der Übergabe entschied das BVerfG, dass Maja T. zurückgeholt werden sollte. Da war es schon zu spät. In der tagesschau wurde der Vorgang als „beunruhigend“ kommentiert. Zur Zeit sitzt Maja T. unter wohl menschenunwürdigen Bedingungen in Untersuchungshaft in Budapest.
So wurden im Sommer vor einem drohenden Rechtsruck bei den Landtagswahlen im Freistaat Präzedenzen geschaffen: Wenn Neonazis Waffen horten und an ihnen trainieren, kann das laut Gerichtsurteil Notwehr sein. Und nicht-binäre Antifas sind nicht vor der Auslieferung an eine queerfeindliche ungarische Justiz sicher, in der laut einem Bericht der EU-Kommission von 2020 grundsätzliche Standards der Unabhängigkeit gefährdet sind.
Keine rosigen Aussichten für ein antifaschistisches Engagement in Thüringen, was nach dem 1. September aller Voraussicht nach einem rechteren Landtag gegenübersteht und einer starken AfD, die schon an einem Umbau des Justizapparates feilt.
Mowa (24) und Gustav (22) studieren in Jena, Mowa Soziologie und Geschichte, er Soziologie und Politikwissenschaften. Für die Hochschulzeitung „Akrützel“ war Gustav beim Prozess gegen die Knockout-51-Bande.
ILLUSTRATION: Veronika (21), aufgewachsen in Sonneberg, studiert Philosophie in Jena und illustriert für die dortige Hochschulzeitung Akrützel. Sonst malt und zeichnet sie und gehört zum Kunstkollektiv Nullachtsechzehn Jena, mit dem sie dieses Jahr zwei Ausstellungen organisiert hat.
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