Proteste von Landwirten gegen die Ampel: Bauern, Demo, Rechtspopulismus
Landwirte planen eine Kundgebung in Berlin: für die Agrardieselsubvention, gegen eine Bevorzugung von Asylbewerbern, voller Zweifel am Klimawandel.
Er hat eine Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin am 23. November mit 10.000 Teilnehmern und 1000 Traktoren, Lastwagen und anderen Fahrzeugen angemeldet. Aufgerufen sind nicht nur Landwirte, sondern „alle Bürger“. Da die Forderungen sehr anschlussfähig sind für Rechtsradikale, mobilisieren auch solche Kräfte zu der Versammlung. Huber guckt dem ahnungslos oder gleichgültig zu.
Der offizielle Aufruf sowie das Programm des Vereins enthalten neben dem Kampf gegen Bürokratie und zu hohe Steuern nationalistische Forderungen wie „Mehr nationale Selbstbestimmung“, „Vorrangig Investitionen im eigenen Land“ und die nach bezahlbarem Wohnraum, „mit Vorrang für die eigene Bevölkerung“.
Dazu kommt typisch rechtsradikale Rhetorik gegen „Frühsexualisierung und Genderfluch“ in der Bildung, und Kritik daran, dass „fleißige Beitragszahler“ häufig eine schlechtere Gesundheitsversorgung erhalten würden als „Menschen, die neu zu uns gelangt sind und entsprechend staatlich alimentiert werden“. „So genannte Asylbewerber“ würden auch bessergestellt bei „Wohnraum, Verpflegung und Taschengeld“ als die „eigene Bevölkerung“. In Wirklichkeit leben Asylbewerber oft in Gemeinschaftsunterkünften, in die kein „Deutscher“ freiwillig einziehen würde. Sie bekommen Leistungen, die allenfalls der normalen Sozialhilfe entsprechen.
Zudem spielt der Verein dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände. Die „Finanzierung der Kriege in der Welt“ müsse beendet und der Forderung Nachdruck verliehen werden, „dass verhandelt werden muss über Frieden“, sagte Huber in einem Social-Media-Video. Und: „Wir müssen nicht kriegstüchtig werden.“ Bekanntlich hat nicht der Westen oder die Regierung in Kiew, sondern Putin den Krieg in der Ukraine begonnen und den diplomatischen Weg verlassen.
Populistisch klingen Punkte wie „Lückenlose Berücksichtigung des Wählerwillens“, „Mandatsträger müssen Qualifikationen und Praxiserfahrung nachweisen“, „Echte Meinungsfreiheit“, als ob es diese in Deutschland nicht gäbe. Genau wie viele Rechtsextremisten nennt Huber Medien wie die taz den „Mainstream“. Sein Verein fordert „ein Ende der Diskriminierung Andersdenkender“ in den Medien und „ebenso ein Einstellen der Verfolgung kritischer Stimmen im Internet“. In seinen Videos ruft Huber ruft zum „Widerstand“ auf. Dieser Begriff erinnert eher an das Aufbegehren gegen eine Diktatur als an Protest gegen eine demokratisch gewählte Regierung in einem Rechtsstaat.
Auch den Klimawandel stellt der Verein in Frage. „Was ist CO2? Wozu trägt CO2 bei? Führen wir wirklich eine ehrliche Diskussion diesbezüglich oder folgen wir vielmehr einem ideologisch zweifelhaften Narrativ?“ fragt er. Die Gruppe verlangt einen „Diskurs der ehrlichen Aufklärung unter Einbeziehung kritischer Stimmen“. Es sei „sinnbefreit“, „jeglichen Ausstoß von CO2 vermeiden“ zu müssen.
Im Programm findet sich denn auch kein einziger Vorschlag für Klimaschutz, aber gleich zwei Absätze mit scharfer Kritik an den „Klimaklebern“, diese sollten wegen „vorsätzlich gefährdenden Eingriffen in den Verkehr“ härter bestraft werden. Dabei ist bei Blockaden der Letzten Generation anders als bei der Trecker-Demo auf der Autobahn 66 am 10. Januar in Hessen niemand ums Leben gekommen.
In der Landwirtschaftspolitik geht es „Hand in Hand“ vor allem um den Erhalt der Subventionen für den klimaschädlichen Agrardiesel, mit dem Bauern zum Beispiel ihre Traktoren betreiben. Die strengeren Regeln in der Düngeverordnung gegen Überdüngung, die das Wasser schützen soll, lehnt Huber ebenso ab wie die Vorschriften im Rahmen des EU-Klimaschutzprogramms Green Deal.
All das können auch Rechtsradikale unterschreiben. Zur Demo rufen konsequenterweise etwa Accounts beim Kurzmitteilungsdienst X auf, die sonst gegen Muslime hetzen, für Trump werben und die NS-Zeit durch Gleichsetzung mit dem angeblichen „Grünen Reich“, also der aktuellen Bundesregierung, verharmlosen.
Huber unternimmt wenig gegen solche Unterwanderungsversuche. „Was willst Du tun dagegen, wenn da irgendjemand aufruft?“, sagt Huber der taz. Er werde aber nochmal in einem Video klarstellen, dass „wir auf demokratischem Wege protestieren wollen“. Er wolle auch ein Alkoholverbot bei der Demo. Das dürfte Rechtsextreme nicht daran hindern, friedlich und nüchtern auf der Veranstaltung für sich und ihre Ziele zu werben.
Andere Bauern für Einschreiten gegen Rechtsextreme
Gegen Galgen-Symbolik – die auf früheren Bauerndemos für Kritik gesorgt hatte – wolle er per Durchsage von der Bühne einschreiten, sagt Huber. Aben Sier was würde er machen, wenn ein Landwirt auf einem Traktor ein Plakat von der NPD, die jetzt „Die Heimat“ heißt, zeigt? „Gar nichts“, antwortet Huber. „Weil ich das gar nicht kenne.“ Ihm seien nicht alle Symbole bekannt. „Das muss die Polizei machen.“ Die wird aber kaum „Heimat“-Flugblätter verbieten, weil die Partei ja nicht verboten ist. Und wenn die AfD Flugblätter verteilen würde? „Das muss ich mit der Polizei klären“, antwortet Huber.
Martin Schulz, selbst Bauer und Vorsitzender der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), dagegen fordert, dass die Veranstalter einschreiten, wenn auf ihren Demonstrationen rechtsextreme Parolen und Symbole auftauchen.
Huber aber sagt, ihm sei auch nicht die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Identitäre Bewegung bekannt, die ebenfalls schon bei Bauerndemos vorstellig wurde. Nicht einmal die schwarze Fahne der gewalttätigen Bauernbewegung „Landvolk“ aus den 1920er Jahren will Huber kennen, die ein Wegbereiter der NSDAP war. Dabei wird über die Fahne mit weißem Pflug und blutrotem Schwert seit Jahren in der Bauernszene und Medien kontrovers diskutiert.
„Warum soll ich Ihnen jetzt Schmoarrn erzählen“, sagt Huber dazu. „Normoalerweise würd’ i’ bei Google schauen, woas doas is’“. Aber mit seinem Smartphone könne er gerade nur telefonieren. Denn als das Kalb geboren wurde und die taz anrief, erzählt der Bauer, sei sein Handy in die Gülle gefallen.
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