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Proteste von Ende Gelände in Hamburg„Es gibt eine koloniale Komponente“

Klimakrise und Rassismus hängen für Aktivistin Elia Nejem zusammen. Deshalb will sie bei Ende Gelände einen migrantischen Protest starten.

Anti-Braunkohle Proteste von Ende Gelände im Rheinland 2020 Foto: Tim Wagner/imago
Susanne Schwarz
Interview von Susanne Schwarz

taz: Frau Nejem, zeitgleich zu einer Blockade von Ende Gelände am Flüssiggasterminal in Brunsbüttel rufen Sie auch zu einer „Anti-Kolonialen Attacke“ in Hamburg auf. Was kann man sich denn darunter vorstellen?

Elia Nejem: Das wird auch eine Aktion des zivilen Ungehorsams für Klimagerechtigkeit. Und sie wird vor allem von Menschen of Colour getragen. Blockaden wird es geben, aber zum genauen Konzept und Ort kann ich noch nichts sagen.

Weiße Ak­ti­vis­t:in­nen sind „auch eingeladen“, sollen sich aber nicht in den Vordergrund drängen. Haben Sie da böse Mails bekommen?

Nein, zumindest habe ich davon nichts mitbekommen. Es gab in der Klimagerechtigkeitsbewegung in der letzten Zeit viel Kritik an der nicht vorhandenen Rassismus-Reflektion. Ich denke, dass sich Menschen vermehrt damit auseinandergesetzt haben, dass wir solche Räume brauchen.

Bild: privat
Im Interview: Elia Nejem

Elia Nejem ist Klimaaktivistin und ­Sprecherin des Aktionsbündnis Ende Gelände. Das ist vor allem für Blockade-Aktionen in den ­deutschen Kohlerevieren bekannt.

Schwarze Menschen und ­People of Colour haben vor ein paar Jahren extra das Kollektiv Black Earth gegründet, um so einen eigenen Raum zu haben. Warum ist die Klimabewegung in Deutschland so weiß?

Ein Grund dafür, dass Menschen of Colour sich in weißen Räumen häufig unwohl fühlen, ist auf jeden Fall die rassistische Dynamik. Wenn man ständig gefragt wird, wo man herkommt oder gleich auf Englisch angesprochen wird, bekommt man das Gefühl, dass man da nicht hingehört.

Also liegt es am Verhalten der weißen Klimaaktivist:innen?

Ja, aber nicht nur. Ein weiterer Grund ist strukturelle Ungleichheit. Aktivismus ist für weiße Menschen tendenziell einfacher. Sie haben eher Zugang zu Bildung und Studium. Sie müssen sich seltener damit rumschlagen, wie sie nun Geld verdienen, weil Reichtum sich eben eher in weißen Familien sammelt. Und dann muss man auch sagen: Speziell Aktionen zivilen Ungehorsams sind für Menschen of Colour riskanter. Wir leben in einer Gesellschaft, die rassistisch geprägt ist, mit einem Polizeiapparat, der auch rassistisch geprägt ist.

Sie sind ja selbst als Person of Colour zur Klimabewegung gestoßen, wie haben Sie das erlebt?

Ich glaube, es ist erst mal wichtig zu sagen, dass ich Person of Colour, aber nicht Schwarz bin. Ich bin schon auch manchmal white-passing, würde ich sagen.

Das heißt, manche Menschen ordnen Sie als weiß ein und dann machen Sie natürlich keine persönlichen Rassismus-Erfahrungen.

Genau. Ich habe mich auf jeden Fall von Anfang an sehr wohlgefühlt bei Ende Gelände. Aber dann hab ich schon auch manchmal die Erfahrung gemacht, dass Leute antirassistische Kämpfe einfach nicht so wichtig fanden. Da war ich etwas vor den Kopf gestoßen und habe gemerkt: Die Menschen haben das gar nicht so auf dem Schirm. Sie kommen oft erst auf die Idee, sich damit zu beschäftigen, wenn Menschen of Colour auf den Tisch hauen.

Das heißt, Sie fanden, dass Rassismus in den politischen Forderungen nicht ausreichend berücksichtigt wurde?

Wobei bei Ende Gelände im Vergleich zu anderen Teilen der Klimabewegung jetzt schon eher die Leute sind, die solche Verbindungen ziehen. Also, dass man auch den Kapitalismus bekämpfen muss, der darauf basiert, den Planeten und die Menschen auszubeuten – und den Rassismus, der es legitimiert, dass das in besonderem Maße People of Colour sind. Koloniale Strukturen haben auch heute noch Bestand, davon profitieren Länder wie Deutschland. Auch beim Thema Gas gibt es so eine koloniale Komponente.

Inwiefern?

Wir hier in Deutschland wollen kein Fracking, weil das zu riskant ist. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass wir durch Fracking gefördertes Gas importieren, zum Beispiel über das Flüssiggas-Terminal in Brunsbüttel. Und das kommt dann vor allem aus dem globalen Süden.

Na ja, und aus den USA.

Das stimmt. Aber in den USA sind besonders oft indigene Communitys von den Risiken betroffen. Auch das sind People of Colour, die unter dem Kolonialismus gelitten haben und immer noch leiden.

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7 Kommentare

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  • Ohne Kapitalismus gibt es keinen Wohlstand und ohne Wohlstand keinen bezahlbaren medizinischen Fortschritt. Das rechtfertig aber in keinster Weise koloniales und rassistisches Handeln. Die Menschheit muss erst noch einen Weg finden, beides voneinander zu trennen. Daher ist der Ansatz auf heutige koloniale Strukturen hinzuweisen absolut wichtig und richtig!

    • @mwinkl02:

      Sie können aber dem Interview entnehmen, dass das Hinweisen nicht so leicht ist.

      Wo wollen Sie den koloniale Strukturen finden, wenn die USA als Weltmacht Fracking-Gas nach Deutschland liefert.

  • Ich finde es nicht hilfreich, wenn man verschiedene politische Anliegen alle zusammen mischt.



    Jede zusätzliche politische Dimension die schließt ja jene aus, die in dieser Dimension andere Vorstellungen haben.



    Am Ende passt es zwar für jene die sich genau in der Schnittmenge der verschiedenen Bereiche sehen, aber bezogen auf die Gesamtheit der Gesellschaft erreicht man nur eine kleine Minderheit, auch bei dem ursprünglichen Anliegen, hier z.B. dem Klimaschutz.



    Bei dieser kleinen Minderheit aber "rennt man offene Türen ein", man adressiert Leute deren Meinung ohnehin schon der eigenen gleicht.



    Die Wahrscheinlichkeit Leute zu überzeugen die derzeit noch eine andere Meinung haben, scheint mir eher zu fallen, wenn zu viele politische Anliegen gleichzeitig propagiert werden.

  • Die Kolonialismuskomponente wird doch etwas mühsam hineininterpretiert.

    Weil es in zZT D kein Fracking gibt, ist es Kolonialismus? Das Gas kommt nicht aus dem globalen Süden. Es kommt aus USA und Argentinien, die liegen zwar südlicher, sind aber keine Länder, die man unter dem Stichwort subsumiert.

    Im Gegenteil, die Regierung Namibias besteht zB auf die Förderung von Öl und möchte sich da auch jede Einmischung verbeten. Die Einmischung wäre Neokolonialismus.

    Das Anliegen zum Stop des Gases zum Klimaschutz wäre um nichts geringer, wenn man solche Randaspekte gar nicht mit aufnimmt.

  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    "Weiße Ak­ti­vis­t:in­nen sind „auch eingeladen“, sollen sich aber nicht in den Vordergrund drängen."

    Den Satz muß man sich ersteinmal auf der Zunge zergehen lassen: das Grundrecht auf Demonstrations-/Versammlungsfreiheit ist ein sogenanntes "Deutschen-Grundrecht", auf das sich Ausländer nicht berufen können (Art. 8 I GG: "(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.").



    2019 hatte Deutschland einen Bevölkerungsanteil von Einwohnern (sic!) mit Migrationshintergrund von 26%. Einwohner ist nicht gleich Staatsbürger, aber selbst wenn man großzügig davon ausgeht, daß der Anteil der Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland mit Migrationshintergrund bei 26% liegt, müßte man noch immer den Personenkreis abziehen, der westeuropäischer Abstammung, also "weiß" ist. Man kann auch dies natürlich ignorieren und davon ausgehen, daß der Anteil von deutschen Staatsbürgern, die nicht "weiß" sind, bei 26% liegt.



    Dies würde im Klartext bedeuten, daß unter großzügigster Auslegung aller Zahlen Frau Nejem 74% der deutschen Staatsbürger, die Träger des Grundrechtes aus Art. 8 I GG sind, auffordert, sich bei der angesprochen Demonstration zurückzuhalten und einer absoluten Minderheit von allerhöchstens 26% den Vortritt zu lassen.



    Wie Frau Nejem, dies demokratisch oder auch nur logisch begründen möchte, bleibt leider ihr Geheimnis!

    • @14390 (Profil gelöscht):

      .... wenn der Anteil der "Weißen" nicht 74% sondern 51% oder gar nur 1% wäre, dürfen "Weiße" ausgeschlossen werden und warum?

  • Was lernen wir aus dem Interview:

    Ein Teil der USA gehört zum globalen Süden, weil es dort indigene Communitys gibt!

    FunFact am Rande: Bislang wird Fracking Gas nur in den USA, Kanada und in China hergestellt.