Proteste in der Ukraine: Rolle rückwärts?
Präsident Janukowitsch könnte nun doch ein Abkommen mit der EU unterzeichnen - sagt Außenbeauftragte Ashton. Die Opposition lehnt Gesprächsangebote ab.
BRÜSSEL/KIEW ap/rtr | Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch ist nach Angaben der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton zur Unterzeichung des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union bereit. „Janukowitsch hat mir gegenüber deutlich gemacht, dass er die Absicht hat, das Abkommen zu unterschreiben“, sagte Ashton am Donnerstag im Brüssel.
Sie habe mit dem Präsidenten über die kurzfristigen wirtschaftlichen Aussichten gesprochen. Es sei klar, dass die wirtschaftlichen Probleme des Landes durch die engere Anbindung an die EU gemildert werden könnten und neue Investitionen ins Land kämen, sagte Ashton.
Die Weigerung des ukrainischen Präsidenten ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen, hatte zuletzt Massenproteste ausgelöst. Die Demonstranten wehren sich gegen den von Janukowitsch eingeschlagenen Weg, sich wieder stärker an Russland zu binden. Janukowitsch selbst hatte die Unterzeichnung des Abkommens zu einem späteren Zeitpunkt zuletzt nicht ausgeschlossen, aber an Milliardenhilfen der EU geknüpft. Das wies die deutsche Bundesregierung zurück.
Iin der Konfrontation mit der Opposition droht Janukowitsch nach dem jüngsten Abzug der Polizei aus dem Stadtkern von Kiew Boden zu verlieren. Hunderte Sicherheitskräfte hatten Mittwochnacht ein Protestcamp am Unabhängigkeitsplatz Maidan zu räumen versucht, sich jedoch zurückgezogen, als ihnen heftiger Widerstand der Demonstranten entgegenschlug. Es kam zu Handgemengen, mehrere Protestler und Polizisten wurden verletzt.
Mit diesem Teilerfolg im Rücken lehnte die Opposition am Abend ein Verhandlungsangebot von Janukowitsch entschieden ab. Sie werde nicht mit ihm verhandeln, solange er nicht die Regierung entlassen und sämtliche festgenommenen Demonstranten freigelassen habe. Zuvor hatte Janukowitsch politische, religiöse und bürgerliche Anführer zu einen nationalen Dialog eingeladen. Wann die Gespräche stattfinden sollen, sagte er allerdings nicht.
Kritik am Vorgehen der Polizei
Ashton kritisierte, die ukrainischen Behörden hätten nicht „unter dem Deckmantel der Nacht“ agieren und Polizeigewalt einsetzen müssen. Die für Europa zuständige Staatssekretärin im US-Außenministerium, Victoria Nuland, die sich ebenfalls in Kiew befindet, sagte: „Ich habe absolut deutlich gemacht, dass das, was letzte Nacht passiert ist, was im Bezug auf die Sicherheit hier passiert, in einem europäischen Staat, einem demokratischen Staat in keiner Weise hinnehmbar ist“, sagte Nuland nach einem Treffen mit Janukowitsch.
Die USA schließen inzwischen auch Sanktionen gegen die Ukraine nicht aus, wie das Außenministerium in Washington am Mittwochabend mitteilte. Wie die Strafmaßnahmen aussehen könnten, ließ es allerdings offen. In der Vergangenheit haben die USA in ähnlichen Fällen oft Vermögen eingefroren oder ranghohe Vertreter repressiver Regierungen mit Einreiseverboten belegt.
Nach Angaben der USA hat die Ukraine zugesagt, auf den Einsatz von Gewalt gegen Demonstranten zu verzichten. Der ukrainische Verteidigungsminister Pawlo Lebedjew habe bei einem Telefonat mit US-Verteidigungsminister Chuck Hagel betont, das dies die Haltung von Präsident Viktor Janukowitsch sei, sagte eine Sprecherin des Pentagon am Mittwoch.
Nacht ohne Zwischenfälle
Nach dem vorläufigen Rückzug der ukrainischen Sicherheitskräfte vom Unabhängigkeitsplatz in Kiew haben mehr als 5000 prowestliche Demonstranten die Nacht im Stadtzentrum verbracht. Es habe keine nennenswerten Zwischenfälle gegeben, teilte das Innenministerium der Ex-Sowjetrepublik am Donnerstag mit. Friedliche Proteste würden respektiert, hieß es. Zugleich warnte das Ministerium aber die Gegner von Präsident Viktor Janukowitsch vor Provokationen. Das öffentliche Leben der Hauptstadt dürfe nicht zusammenbrechen.
Die Demonstranten verstärkten ihre Barrikaden auf dem Platz - dem Maidan - massiv. Damit wollen sie sich gegen einen möglichen neuen Räumungsversuch wappnen. Aus dem ganzen Land trafen weitere Demonstranten mit Dutzenden Bussen und Privatautos in der Hauptstadt ein. Die Popsängerin Ruslana rief die Menge auf, mindestens bis zum 17. Dezember auf dem Maidan auszuharren. Die Siegerin des Eurovision Song Contests 2004 hielt der Führung vor, sie wolle dann bei einem Treffen in Moskau weitreichende Wirtschaftsverträge mit Russland unterzeichnen.
Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt wärmten sich die Demonstranten auf dem Platz an Feuern. Ruslana und andere Musiker gaben auf einer Bühne ein Konzert. Priester sprachen öffentlich Gebete und sangen mit der Menge stündlich die Nationalhymne.
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