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Proteste in der TürkeiNichts sehen, nichts senden

Anwälte werden verhaften, die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Für die türkischen Medien kein Grund für ausführliche Berichterstattung.

Als die Angriffe der Polizei sich gegen die BesetzerInnen des Parks richtete, traf sich der Parteivorstand der oppositionellen CHP zu einer Krisensitzung Bild: ap

ISTANBUL taz | Nach der Polizeigewalt am Istanbuler Taksim-Platz ist es am Mittwoch den Tag über weitgehend ruhig geblieben. Die Polizei hielt den Platz besetzt, während der angrenzende Gezi-Park nach wie vor von der Protestbewegung besetzt blieb.

Am Mittwochnachmittag fand dann in Ankara das lang erwartete Gespräch zwischen Ministerpräsident Tayyip Erdogan und insgesamt elf Künstlern, Architekten und Intellektuellen statt. Es ging dabei um einen Meinungsaustausch, nicht um Verhandlungen über das weitere Vorgehen.

Nach Informationen aus Kreisen der Bürgerinitiative „Taksim-Plattform“ wurden die Leute nicht zu dem Gespräch mit Erdogan delegiert, sondern „gingen auf eigene Rechnung nach Ankara“. In einer Presserklärung der Initiative hieß es: „Wir wurden zu dem Gespräch nicht eingeladen. Auf unsere Forderungen, die wir am 5. Juni dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Arinc übergeben haben, haben wir bisher keine Antwort bekommen.“

In der Nacht, zu dem Zeitpunkt, als die Angriffe der Polizei sich auch gegen die BesetzerInnen des Parks richtete, traf sich der Parteivorstand der oppositionellen CHP zu einer Krisensitzung und forderte Staatspräsident Abdullah Gül auf, der Gewalt ein Ende zu setzen.

Geldstrafen für TV-Sender

Die Hoffnung vieler Beobachter, Präsident Gül könnte sich tendenziell gegen Erdogan stellen, hatte sich aber schon am Tag zuvor zerschlagen, als er nach längerem Zögern, mitten in der Krise, das zuvor von der AKP im Parlament durchgesetzte umstrittene neue Alkoholgesetz unterzeichnete.

Erneut wurden die türkischen Medien für ihre mangelhafte Berichterstattung kritisiert. „Vertreter der ausländischen Medien waren bei uns im Park“, sagte eine der Besetzerinnen, „aber die türkischen Medien blieben alle hinter den Reihen der Polizei.“ Eine stundenlange Sondersendung von CNN-International wurde in der Nacht vom türkischen Kabelanbieter Digi-Türk unterbrochen.

Der Kabeldienstleister tauschte mitten in der Berichterstattung CNN-Int gegen CNN-Asia aus. Plötzlich war statt der Kämpfe eine Sendung aus Hongkong zu sehen. Drei kleinere türkische Sender, darunter Halk-TV, die immer vor Ort waren, wurden von der staatlichen Medienaufsichtsbehörde RTÜRK gestern wegen „Aufhetzung zu Provokationen“ zu hohen Geldstrafen verurteilt.

Für besondere Aufregung sorgte gestern die Verhaftung von mehr als 50 Anwälten, die die residierende Staatsanwaltschaft aufgefordert hatten, Ermittlungen wegen der Polizeiübergriffe einzuleiten. Statt eine Antwort zu bekommen, wurden sie von Sondereinsatztruppen der Polizei verprügelt und verhaftet.

International wurde die Regierung Erdogan zur Mäßigung aufgerufen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, die US-Regierung und auch Kanzlerin Merkel forderten, die türkische Regierung müsse das Recht auf Versammlungsfreiheit einhalten und solle den Bürgern mit ihren Forderungen zuhören. Auch der deutsche Bundestag verurteilte die Gewalt in der Türkei fraktionsübergreifend.

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9 Kommentare

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  • I
    Irmi

    Das nenn ich Demokratie auf türkisch.

     

    Oder bezieht sich, wie in so vielen anderen Ländern das Wort Demokratie nur auf die angeblich freie Wahl, wo dann doch betrogen wird und die restliche Welt bestätigt dann auch noch die "demokratische" Wahl wie in Kongo. Wobei der Kongo alles, wirklich alles andere als demokratisch ist.

  • J
    Jürgen

    Die CDU und Versammlungsfreiheit, mir wird schlecht: was war gleich mit Stuttgart, Heiligendamm u.s.w. u.s.w.?????

  • T
    Tortes

    Das Verhalten der Regierung Erdogan gegenüber den Medien zeigt eindeutig das Verhalten einer Diktatur gegenüber dem Medienverständnis, wie man es üblicherweise aus Demokratien kennt.

     

    Die Regierung Erdogan wird dem System Mursi in Ägypten immer ähnlicher.

    So etwas passt nicht ins europäisch-demokratische Gesellschaftsverständnis.

     

    Es ist bezeichnend, dass unter dem Druck der türkischen Regierung eine Fernsehdoku über die Proteste in der Türkei von einem türkischen Fernsehkanal kurzfristig gegen ein Fernsehprogramm aus Hongkong/China getauscht wird.

    Damit wird (unfreiwillig ?) die Geistesverwandtschaft der türkischen Regierung mit asiatischen Nicht- und Pseudodemokratien deutlich, inklusive der dort üblichen regierungsfreundlichen Hofberichterstattungs-Mediensysteme.

  • R
    reblek

    Da war mal wieder jemand in großer Form: "Anwälte werden verhaften" - Ich bin gespannt, wen die verhaften werden.

    "Als die Angriffe der Polizei sich gegen die BesetzerInnen des Parks richtete, traf sich der Parteivorstand..." - Und "die Angriffe" sind neuerdings ein Singular.

  • HK
    Hady Khalil

    Franz-Joseph

    Außenminister Westerwelle fordert die Türkei zur Zurückhaltung auf. Meint er damit mit der von (Süddeutschen) gelieferten Sicherheitstechnik. Wie wäre es mit der Verhängung von Sanktionen. Kein Nachschub mehr an Tränengasgranaten. Erdogan wurde in der Presse bei seinem vorletzten Deutschlandbesuch mit Franz Joseph Strauß verglichen. Dann ist ja noch einiges zu erwarten.

    Claudia Roth zu den Protesten und Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Ich konnte mir das nicht zu Ende anhören und hätte sie am liwebsten, wohin getreten. Was kein Terroristischer Anschlag sein soll. Was ist denn jetzt mit meinen Menschenrechten? Wo bleiben die denn? Wie lange muss ich noch darauf warten, ihr A... . Hat sich mal jemand überlegt, das Ungarn sich vielleicht an deutscher Sozialgesetzgebung und Ausnahmezustand orientiert. So lange ihr das mit den 16 p0lus eins nicht in Ordnung bringt und mich aus dem „Kommbadantenstatus“ entlasst (OHNE JEDE RECHTSGRUNDLAGE außer einer willkürlichen Verwaltungsanordnung, (WIE IN DER TÜRKEI!!!), glaub ich euch kein Wort und nicht nur ich. Das weiß doch jeder was läuft, auch wenn alle Angst haben offen darüber zu sprechen. Das kriegt ihr in eurem Elfenbeinturm gar nicht mit. IHR SEIT UNGLAUBWÜRDIG und im Ausland eine Lachnummer. Wofür braucht die Bundeswehr Drohnen, weil Deutschland sich anders nicht mehr Respekt verschaffen kann. Viel Spaß im Urlaub in der Türkei.

    Wenn You tube den 16 plus eins, ohne richterliche Anordnung zugang zu den Daten verschafft, die Statistik manipuliert, oder manipulieren läßt, kann man die verklagen, gibt es dafür eine Rechtsgrundlage? Natürlich, aber dafür braucht man halt Geld, was die ja unterschlagen. Das ist Betrug, ganz einfach. Hinzu kommt, das höhere Statistikwerte ja auch einen höheren Ranking Platz bedeuten, was eine noch höhere Klickrate bedeutet. Das wird teuer you tube und google. Wenn ich mal Geld habe. Vielleicht gibt’s ja ein Vergleichsangebot, bevor die Anzeige läuft. Aber solange die gewählten Volksvertreter nur Menschenrechte im Ausland mit erhobenen Zerigefinger moralisieren, statt ihre Hausaufgaben zu machen und ihre unbescholtenen Bürger nicht vor den wildgewordenen 17 nicht schützen, braucht ihr euch ja keine Gedanken zu machen.

  • AY
    Ahmet Yilmaz

    Die Unterdrückung des friedlich gesinnten Protestes durch die Polizei und die amtierende Regierung der AKP hat mittlweile solche radikalen Züge angenommen, so dass eine härtere Verurteilung durch die Weltgemeinschaft unbedingt erforderlich ist. Die gemäßigten Kommentare sind nicht mehr angemessen, und haben bisher nicht geholfen. Die Zurechtweisung der türkischen Regierung muss genau im jetzigen Augenblick mit aller möglichen Härte geschehen.

  • F
    fascho

    Das Land ist gleichgeschaltet und marschiert direkt in den sunnitischen Faschismus.

  • C
    Christian

    Erdogan ist ein Berlusconi-Ahmadinedschad-Medley. Jetzt ist nur die Frage, ob er als Mubarak oder als Assad endet.

  • K
    Konrad

    Anmerkung: Dieser seltsam abrupte Wechsel bei CNN von Türkei-Berichterstattung zu Asien war - zumindest bei KabelD in Berlin - auch in Deutschland zu sehen.