piwik no script img

Proteste in Ungarn„Schluss mit der Orban-Mafia!“

In Budapest und anderen Städten gehen tausende Demonstranten gegen Sozialabbau und die Korruption der Regierung auf die Straße.

Anti-Regierungsproteste am Dienstagabend vor dem Budapester Parlament. Bild: dpa

WIEN taz | Mit dem Einsatz von Tränengas hat die ungarische Polizei am Dienstagabend eine Großdemonstration vor dem Parlament beendet. Während der Kern der Manifestanten den Rednern in der Alkotmány Straße lauschte, drängten sich Hunderte gegen den Polizeikordon, der das Parlament abschirmte. Zwei Demonstranten wurden laut ungarischen Medien durch Gasgeschosse verletzt.

Die Menge in Budapest und gleichzeitig stattfindende Protestmärsche in Szeged, Nyíregyháza, Miskolc, Szombathely und weiteren Städten richteten sich gegen Sozialabbau und Vetternwirtschaft. „Stoppt diese wahnwitzige Zerstörung“, forderte László Mendrey, der Chef der Lehrergewerkschaft PDSZ, der jüngste Reformen als schädliche Sparpakete sieht. Er drohte einen landesweiten Lehrerstreik an. Emma Krasznahorkai von der Facebook-Gruppe „Wir werden nicht schweigen!“ verlangte ein neues Wahlrecht und plädierte für eine Alternativregierung.

Die Zivilgesellschaft Ungarns ist in den letzten Wochen erwacht. Nach Protesten gegen eine geplante Internetsteuer im Oktober hat eine ganze Serie von Demonstrationen den Druck auf Premier Viktor Orbán und seine Fidesz erhöht. In den Umfragen ist Orbán, der dieses Jahr drei Wahlen gewonnen und seine Macht zementiert hat, von 48 auf 32 Prozent Zustimmung abgesackt. „Die Regierung hat sich nach den Wahlen an die Arbeit gemacht. Die Opposition macht immer noch Wahlkampf“, kommentierte Regierungssprecher Zoltán Kovács letzte Woche bei einem Pressegespräch in Wien.

Die Linksopposition unterstützt zwar die Proteste, einberufen werden sie aber von Bürgerplattformen. Die Demonstration vom Dienstag hatte auch den Zweck, mehrere Aktionsgruppen zusammenzuführen. Das Transparent „Schluss mit der Orbán-Mafia“ drückt aus, was eine zunehmende Anzahl von Ungarn empört: die Korruption und der Nepotismus im Umfeld des Premiers und seiner Partei Fidesz.

Heftige Konfrontationen mit den USA

Korruptionsvorwürfe kommen von Norwegen, das Gelder, die für die Zivilgesellschaft gedacht sind, eingefroren hat, weil die Regierung diese Mittel an ihr genehme NGOs umleiten wollte. Besonders heftig ist aber die Konfrontation mit den USA, die gegen sechs Personen aus dem Umfeld Orbáns ein Einreiseverbot verhängt haben. Nur eine ist namentlich bekannt – die Finanzamtschefin Ildikó Vida, der US-Geschäftsträger André Goodfriend Korruption vorgeworfen hatte. Auf Geheiß Orbáns zeigte Vida den Diplomaten wegen Verleumdung an und verklagte ihn wegen Rufschädigung.

Selbst regierungsfreundliche Medien können nicht umhin, auf unstimmige Vermögensoffenlegungen von Funktionären aus Orbáns engstem Umfeld hinzuweisen: Fidesz-Vize Kósa, Kanzleramtsminister Lázár, Außenminister Szijjártó und Fidesz-Fraktionschef Rogán fielen entweder dadurch auf, dass sich ihr Vermögen schlagartig vermehrt hatte oder luxuriöse Immobilien nicht deklariert wurden.

Von Orbán sind alle Vorwürfe bisher abgeprallt. Einen von den USA angekündigten „Actionplan“ gegen Korruption in Ostmitteleuropa, der „mit Unterstützung von NGOs und der Zivilgesellschaft“, „Reformen gegen die Korruption“ umzusetzen soll, sieht er als Verschwörung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!