Proteste in Tschad: Das Volk gegen tatenlose Machthaber
Die Regierung in Tschad hat Proteste blutig niedergeschlagen. Es ist ein Beispiel für das, was immer mehr Länder in Afrika derzeit erleben.
Tschads Zivilgesellschaft hat am 20. Oktober die schlimmste Niederschlagung von Protesten erlebt. Schon von offizieller Seite wird von 30 Toten nur in der Hauptstadt N’Djamena gesprochen. In der zweitgrößten Stadt Moundou waren es je nach Angaben 23 bis 32. Laut Saleh Kebzabo, dem neuen Premier und langjährigen Oppositionsführer, wurden mehr als 300 Menschen verletzt.
„Jeder kennt jemanden, der betroffen ist. Das war ein schwarzer Donnerstag“, sagt Masneang Laoundiki. Es ist möglich, dass die tatsächlichen Zahlen noch höher als die offiziellen liegen. Derzeit ist es zwar ruhig. Eine Ausgangssperre ab 18 Uhr soll die Situation befrieden. „Doch wir sind in großer Sorge. Wir leben mit der Angst im Bauch.“
In Tschad passiert das, was zunehmend Länder in West- und Zentralafrika erleben: Das Volk akzeptiert autokratische und tatenlose Machthaber nicht mehr. Drei Wochen zuvor hatten auch in Burkina Faso Teile des Militärs Paul-Henri Damiba gestürzt. Das führte dort dann schon zum zweiten Putsch in diesem Jahr.
Verschleppt und gefoltert
Tschads Bevölkerung will nicht mehr hinnehmen, dass nach dem Tod von Langzeitherrscher Idriss Deby – er starb im April 2021 angeblich in einem Kampf, aber unter mysteriösen Umständen – sich sein Sohn Mahamat an der Macht hält und der Übergangsrat nicht wie versprochen nach 18 Monaten Wahlen abhält. Gegen die fortgesetzte Militärherrschaft richten sich die Proteste.
Die Familie Deby hat viel zu verlieren, regiert sie doch seit 1990. Die nichtstaatliche Organisation Freedom House bewertet das Land (16,4 Millionen Einwohner*innen) als „nicht frei“. Vor allem politische Rechte werden völlig missachtet. Hinzu komme die Brutalität des Militärs.
Besonders eine Nachricht macht Masneang Laoundiki zu schaffen, die ihm ein Freund geschickt hat und in der es heißt: „Morgens um zwei sind Soldaten gekommen und haben uns gezwungen, die Tür zu öffnen. Drei Cousins haben sie verschleppt. Einer wurde gefoltert.“
Angebahnt hatte sich die Situation bereits Anfang Oktober mit Abschluss des nationalen Dialogs. Ein Dreivierteljahr zuvor hatte auch Malis Militärherrscher Assimi Goïta einen solchen initiiert.
Durch Vertreter*innen von Zivilgesellschaft, Politik und Glaubensgemeinschaften sollten dessen Ergebnisse den Anschein demokratischer Legitimation bekommen, obwohl die Teilnehmer*innen nicht gewählt wurden. In Tschad hatten sich etwa die katholische Kirche und die Rebellengruppe Fact – sie ist für Idriss Debys Tod verantwortlich – zurückgezogen. Die ernüchternden Ergebnisse bahnten sich an: eine Verlängerung der Übergangszeit um zwei Jahre sowie das Okay, dass Mahamat Deby bei der nächsten Präsidentschaftswahl kandidieren kann.
Als bedenklich gilt aber auch die „Kehrtwende“ von Saleh Kebzabo, der lange als Oppositionsführer Hoffnung auf den Wandel verbreitet hat. Gerade eine Woche im Amt habe er das Verhalten der Armee gerechtfertigt, ärgert sich Cryspin Masneang Laoundiki.
Die frühere Kolonialmacht Frankreich, die in West- und Zentralafrika derzeit scharf kritisiert wird, beeilte sich, die Ereignisse als interne Angelegenheit zu bezeichnen, mit der man nichts zu tun habe. Gleichwohl nahm Präsident Emmanuel Macron letztes Jahr an der Amtseinführung von Mahamat Deby teil, wie auch an der Beerdigung von Vater Idriss. Der hatte sich gegenüber Europa gern als einziger verlässlicher Partner im Kampf gegen Terrorismus und Migration präsentiert.
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