Proteste in Palästina: Sprechchöre gegen Abbas in Ramallah
Tausende demonstrieren im Westjordanland. Nach dem Tod eines Oppositionellen regt sich Widerstand gegen die Palästinenserbehörde.
Anlass für die Proteste ist der Tod eines bekannten PA-Kritikers. Nizar Banat war ein erklärter Gegner von Präsident Mahmud Abbas und führte eine eigene Partei an. Vor eineinhalb Wochen war er von palästinensischen Sicherheitskräften in einem israelisch kontrollierten Teil Hebrons verhaftet und später im Krankenhaus für tot erklärt worden. In dem Teil der Stadt brauchen die palästinensischen Sicherheitskräfte eine israelische Genehmigung, um eine Festnahme durchzuführen.
Angehörige werfen den PA-Kräften nun vor, Banat bei der Festnahme misshandelt zu haben. „Die Umstände von Banats Tod waren nicht natürlich“, hat mittlerweile sogar der palästinensische Justizminister Mohammed al-Schalaldeh zugegeben.
Die von der Fatah dominierte PA sollte ursprünglich zur Regierung eines palästinensischen Staates im Rahmen einer Zweistaatenlösung mit Israel werden. Doch hat sie sich zu einer autoritären Führung in Teilen des Westjordanlands entwickelt, die in Sicherheitsfragen zudem eng mit Israel zusammenarbeitet. Demokratisch legitimiert ist sie nicht mehr. Die letzten Wahlen haben 2006/2007 stattgefunden. Zuletzt hatte Abbas im April die für dieses Jahr angesetzten Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben.
Gezielte Angriffe auf Frauen
Angehörige Banats, darunter seine Mutter, sprachen am Samstag auf der Demo in Ramallah. Eine Woche zuvor waren Sicherheitskräfte und in Zivil gekleidete Männer brutal gegen die Demonstrierenden vorgegangen. Die Menschenrechtsorganisation al-Haq berichtete: „Die PA-Kräfte gingen mit exzessiver und willkürlicher Gewalt gegen palästinensische Demonstrant*innen, Journalist*innen, Kinder und Umstehende vor.“
Gezielt sollen dabei weibliche Journalistinnen angegriffen worden sein. „Fatah und Abbas haben dem palästinensischen Volk offiziell den Krieg erklärt“, empörte sich Chris Whitman von der Hilfsorganisation Medico International.
Die UN-Beauftragte für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat die PA vor erneuter Gewalt gewarnt: „Die palästinensischen Sicherheitskräfte müssen so handeln, dass die Ausübung der Menschenrechte, einschließlich friedlicher Versammlungen, geschützt wird.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen