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Proteste im rheinischen BraunkohlerevierLetztes Gefecht in Keyenberg

Im Tagebau Garzweiler II rückt RWE vor. AktivistInnen protestieren gegen den Abriss der Landstraße, die das Dorf Keyenberg von der Kohlegrube trennt.

Tagebau Garzweiler: Im Hintergrund der Ort Keyenberg, der für den Kohleabbau weichen soll Foto: dpa

KEYENBERG taz | Die Ähren wachsen steil, Krähen laben sich in den Feldern, über die Wälder weht der schwüle Sommerwind. Durch das Idyll ziehen gut tausend Menschen, viele im Widerstandsgelb der Dörfer, die wegen der Braunkohle weichen sollen – mithilfe der „fossilsten Landesregierung, die es seit Langem gegeben hat“, wie ein Redner sagt.

Sonntagnachmittag: Demo Nähe Keyenberg, nur ein paar Schritte entfernt von der Abbruchkante des Tagebaus Garzweiler II. Neben einigen der künftigen Baggeropfer sind auch Leute von Fridays/ Families/ Artists/ und Students for Future gekommen. Motto: „Keinen Meter weiter!“ An diesem Montag soll das letzte Gefecht um die rheinische Braunkohle beginnen.

Tagebaubetreiber RWE Power will ab 5 Uhr die Landstraße L277 abreißen. „Rückbau“ nennen sie das. Die L277 trennt das große Loch direkt daneben von dem kaum 300 Meter entfernten Ort Keyenberg, einem der sechs Dörfer, die im Tagbau Garzweiler II für den Braunkohlefraß noch weggebaggert werden sollen.

RWE hat sich das Kohleausstiegsgesetz mit 2,6 Milliarden Euro vergolden lassen. Das Unternehmen sieht das anders: „RWE wird die Hauptlast des deutschen Braunkohleausstiegs tragen.“ Die Garzweiler-Kohle werde, heißt es in einer Pressemitteilung, „schon ab 2024 benötigt“. Die Menschen vor Ort müssen weichen, Familien ihre Höfe verlassen. 900 Menschen wohnen noch in den sechs Dörflein.

Für Sonntagabend ab 20 Uhr war zudem eine Besetzung der Straße durch kirchliche Gruppen geplant: „Liturgische Nachtwache an der L277“. Die Initiative „Die Kirche(n) im Dorf lassen“ hatte aufgerufen „gegen diesen Gewaltakt, der Schöpfung zerstört, die Verbindung zwischen den Dörfern kappt und den Menschen dort den letzten verbliebenen Schutz vor den immer näher rückenden Baggern raubt“.

Zur Nachtwache gehören Gebete, Musik, Lesungen, Gesang, Fürbitten. Der Widerstand der Kirchen gehört im christlich geprägten Rheinland dazu: Evangelische Pastoren waren die Ersten, die im September 2018 bei der Großräumung des Hambacher Waldes 30 Kilometer südlich weggetragen wurden.

Antje Grothus von der Initiative „Buirer für Buir“ sagt: „Es liegt alleine in der Verantwortung von RWE und der Landesregierung, ob die Konflikte um die Kohle jetzt wieder eskalieren.“ RWE und die Landesregierung aus CDU und FDP sind für viele ohnehin eines: In der Szene spricht man von NRWE. Wie zur Bestätigung war am Sonntag ein RWE-Mitarbeiter aufgetaucht und machte Drohnenaufnahmen, um zu sehen „ob sich die Demonstranten benehmen“. In NRWE übernehmen die Kohlegräber die Polizeiaufgaben gleich mit.

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