piwik no script img

Proteste gegen RechtsextremeVerbotsforderungen zum AfD-Neujahr

Seit dem Bekanntwerden eines Treffens mit Identitären formiert sich Protest gegen die AfD. Demos in ganz Deutschland forderten ein Parteiverbot.

2.400 Menschen protestieren während des Neujahrsempfangs der AfD in Duisburg Foto: Christoph Reichwein/dpa

Berlin/Duisburg/Düsseldorf taz | „Nie wieder ist jetzt“, rufen die Menschen in die kalte Januarluft Berlins. „AfD-Verbot for Future“, „Bunt ist hübscher als Braun“ oder „Wir sind die Brandmauer“ steht auf ihren Schildern. Vor dem Brandenburger Tor stehen die Demonstrierenden dicht an dicht: Tausende Menschen sind zu der Kundgebung „Demokratie verteidigen“ am Sonntagnachmittag in der Hauptstadt zusammengekommen. Aufgerufen hatte ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen – unter anderem Fridays for Future Berlin, der Paritätische Gesamtverband und die Omas gegen Rechts.

Der Aufruf folgte als Reaktion auf die jüngsten Recherchen des Netzwerks Correctiv. Laut den Berichten trafen sich AfD-Mitglieder Ende November mit identitären Verschwörungsideologen und Unternehmern, um über massenhafte Abschiebungen aus Deutschland zu diskutieren. „Unter dem Deckmantel einer scheinbar demokratischen Partei ist es das Ziel der AfD, die Demokratie abzuschaffen. Es geht hier um nicht weniger als die Grundpfeiler unserer Demokratie“, schrieben die Veranstalter in ihrem Demo-Aufruf.

„Die Demokraten müssen jetzt zusammenhalten“, sagte Wolfgang Waldorf, der aus Fürstenberg zur Demonstration in Berlin angereist, ist der taz. Manuela Harbis von den Omas gegen Rechts erklärte: „Ich kann nicht mehr akzeptieren, dass Leute nicht zur Demo gehen, weil sie frieren. Wenn wir jetzt nichts machen, wird es hier bald eiseskalt.“ Hervé und Christina, ein junges Paar aus Berlin, sagten: „Wir müssen jetzt zeigen, dass wir die Mehrheit sind. Wenn wir das nicht schaffen, geht es uns an den Kragen“. Fridays for Future sprachen am Sonntagabend von etwa 25.000 Protestierenden in Berlin, die Polizei hatte dagegen zunächst 1.500 Menschen gezählt.

Auch in anderen Städten demonstrierten am Wochenende Menschen gegen die AfD. Gewerkschaften, Kirchen und Organisationen für die Rechte von Geflüchteten riefen etwa in Kiel, Dresden und Saarbrücken zum Protest auf der Straße.

Demonstrationen in NRW

In Duisburg protestierten knapp 2.400 Menschen gegen die AfD und in Düsseldorf forderten Hunderte Demonstrierende ein Verbot der rechten Partei. Im Duisburger Stadtteil Homberg veranstaltete die AfD am Samstag in einer Halle ihren Neujahrsempfang. Neben zahlreichen Bundespolitikern und Abgeordneten aus dem Landtag besuchte auch AfD-Co-Vorsitzende und Bundessprecherin Alice Weidel die Veranstaltung.

In Rufweite zur Halle hatten sich mittags De­mons­tran­t*in­nen eingefunden. „Wir sind hochzufrieden. Mit so viel Unterstützung gegen die AfD hatte ich nicht gerechnet“, sagte Rainer Bischoff vom Duisburger „Bündnis für Toleranz und Zivilcourage“ der taz. Bischoff war von 2000 bis 2022 SPD-Abgeordneter für den Duisburger Westen im NRW-Landtag in Düsseldorf.

Bereits einige Stunden vor dem Neujahrsempfang der AfD Duisburg wurde die Veranstaltungshalle mit großem Aufwand abgeriegelt. Absperrgitter stoppten die Demonstranten etwa 50 Meter vor dem Eingang. Polizisten trennten AfD-Sympathisanten und -Gegner. Die Beamten beobachteten die Geschehnisse zusätzlich mit einer Drohne aus der Luft. Das hielt das breite Spektrum der Protestierenden nicht davon ab, seine Abneigung gegen die AfD kundzutun.

„Das können wir nicht zulassen“

Aufgerufen hatte unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund, Kirchen und Parteien. Demonstrierende berichteten, dass auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD), der in Homberg wohnt, sich am Nachmittag kurz bei den Protesten blicken ließ.

Die Protestierenden, darunter auch einige Vermummte, zogen zunächst durch den ehemaligen Arbeiterstadtteil Duisburgs, um dann vor der Glückauf-Halle zu einer Kundgebung zusammenzukommen. „Wir fordern ein bundesweites Verbot der AfD“, hieß es in den abschließenden Redebeiträgen. „Diese Partei samt ihren Gedanken gehört komplett aus dieser Welt verbannt“, sagte etwa Marcel Narloch aus dem Duisburger Kreisverband der Linkspartei auf der Demo.

Er nahm auch Bezug auf das Geheimtreffen von AfD-Politikern mit Neonazis und Unternehmern. Zu der bei dem Treffen mutmaßlich diskutierten millionenfachen Abschiebung aus Deutschland sagte er: „Das können wir nicht zulassen.“ Er forderte Konsequenzen: „Diese Pläne betreffen uns alle, nicht nur Menschen, die anders aussehen oder denken.“

Abschottungskultur der AfD

Dass die AfD für Abschottung ist, zeigte sich auch bei ihrem Neujahrsempfang in Duisburg. Hinter zugezogenen Vorhängen und mit Silberfolie abgeklebten Fenstern im Erdgeschoss fand die Veranstaltung mit knapp 1.200 Gästen statt. Zahlreichen Jour­na­lis­t*in­nen und ­Medienhäusern, darunter auch der taz, wurde der Zutritt verweigert – auf Beschluss des gastgebenden AfD-Kreisvorstandes, hieß es.

Zu einer direkten Konfrontation zwischen AfD-Gegnern und -Anhängern kam es nicht. Allerdings sollen Unbekannte in der Nacht zu Samstag noch versucht haben, die Halle mit ­Ketten und Vorhängeschlössern zu verriegeln. Außerdem verklebten sie Schlüssellöcher.

Kritik gab es an der Vermietung der Veranstaltungsräume an die AfD durch die städtische Firma Duisburg Kontor. Wie die WAZ berichtete, habe Duisburg Kontor die Anmietung nicht verhindern können. Bereits im vergangenen Jahr sei die Stadttochter auf das verfassungsrechtliche Parteiprivileg gestoßen. Demnach sind alle Parteien, solange sie nicht verboten sind, gleichzubehandeln.

Etwa 30 Kilometer weiter südlich protestierten Aktivisten friedlich in Düsseldorf für ein Verbot der AfD. Der Demonstrationszug führte vom Justizministerium über die CDU-Parteizentrale zum Landtag. Hier forderte nach Polizeiangaben rund 650 Menschen, ein Parteiverbot gegen die AfD zu prüfen. Auch bei der Kundgebung in Berlin fand diese Forderung viel Zuspruch auf zahlreichen Schildern mit dem Slogan: „AfD-Verbot jetzt!“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Wenn man den Wahlprognosen glaubt, wirken diese Proteste geradezu als eine Art AfD-Boost. Wie kommt sowas, eigentlich dürfte doch jetzt niemand mehr diese Faschisten wählen. Warum ist das den Leuten anscheinend nicht nur egal, sondern heizt sie quasi noch mehr an...!??!

  • Eine Richtigstellung zu der Demonstrantion in Duisburg.



    Diese wurde von lokalen Antifa-Gruppen initiert, angemeldet und zusammen mit den Jusos und der DGB-Jugend organisiert.



    Das Bündnis für Toleranz und Zivilcourage, war weder an der Planung beteiligt noch hatte man im Vorfeld Anfragen zur Teilnahme beantwortet



    Aus diesem Grund haben auch die "vermummten" den Lautsprecherwaagen, den ersten Block und mehrere Redebeiträge gestellt.



    Ohne diese "linksextremen" Gruppen (Zitat die Welt) hätte es in Duisburg am Wochenende, auch gar keinen Protest gegeben.



    Daher organisiert euch Lokal in nicht parteilichen Strukturen und geht aktive gegen den Rechtsruck vor.

  • Schnittmengen

    Eine substantielle inhaltliche Kritik der AfD als protofaschistische Formation kommt nicht umhin, deren Programmatik und politische Praxis mit der faschistisch-korporatistischen Wirtschafts- und Sozialordnung à la Mussolini und österreichischem Ständestaat ganz konkret Punkt für Punkt im Detail zu vergleichen und die Schnittmengen präzise zu benennen. In der Wirtschaft- und Sozialpolitik sah dies so aus: „Der Nationalsozialismus leugnet in seiner Theorie die Klassenkämpfe, seine Praxis verschärft sie auf das Grausamste. Seine Herrschaft bedeutet eine unerhörte Steigerung der sozialen Gegensätze, ein neues Erhitzen des Kessels bei gewaltsamer Verschließung aller Ventile. Die Unterdrückung aller Organisationen der Arbeiter und Angestellten, ihre völlige Entmachtung, überliefert sie der Willkür des Großkapitals, in dessen Interessen die Diktatur die Staatsmacht gestellt hat. Diese einseitige Verschiebung der Machtverhältnisse bedroht die Arbeiterschaft mit fortschreitender Verschlechterung ihrer Lebenshaltung. Die Gefahr wird gesteigert durch eine Wirtschaftspolitik, die die Kosten aller Bedürfnisse der breiten Massen erhöht, die Beschäftigung in den Exportindustrien immer mehr drosselt; sie wird vermehrt durch eine Finanzpolitik, die die Massen belastet und immer größere Teile des ihnen abgepreßten Tributs einzelnen vom Regime begünstigten Schichten zuschanzt. Das zwingt die Massen zum Kampf für die Sicherung und Hebung ihrer materiellen Existenz.“ (Prager Manifest der SPD, 1934)

    Die Diktatur der Staatsmacht im Interesse der Willkür des Großkapitals, dies war der definitorische Kern der sozialdemokratischen Charakterisierung des Hakenkreuzler-Regimes, um nicht dessen verlogenes Eigenlabel „Nationalsozialismus“ zu verwenden, bei dem sich die Tastatur wölbt…

  • Vielleicht ist das mehr als der wöchentliche Erregungszustand, vielleicht ist das der Beginn eines Bruchs in der öffentlichen Wahrnehmung die AfD und ihre Wähler endlich klar und unmissverständlich als Faschisten zu verstehen. Das wird die Mehrheit ihrer demokratiehassenden xenophoben Wähler natürlich nicht stören, eine Minderheit, die noch nicht ganz im Rabbithole stecken aber vielleicht doch, hoffentlich auchnoch einmal die bröckelnde Brandmauer verstärken und einige CDUler zum Nachdenken bewegen.

    • @hessebub:

      "Vielleicht ist das mehr als der wöchentliche Erregungszustand, vielleicht ist das der Beginn eines Bruchs in der öffentlichen Wahrnehmung die AfD und ihre Wähler endlich klar und unmissverständlich als Faschisten zu verstehen."

      -----

      Nein, nicht wirklich. Das Resultat werden noch mehr Bürger sein, die in der Wahlkabine das Kreuz bei der AfD setzen.

    • @hessebub:

      Ich denke, das Gros' der diesbezüglichen Wähler und Anhänger die Ansicht vertritt: "Zur Rettung Deutschlands bin ich gerne mal Faschist. Weiß ja keiner"