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Proteste gegen MigrationspolitikMigration ist kein Verbrechen

Wenn abseits der medialen Aufmerksamkeit die Situation an Europas Grenzen katastrophal bleibt, sind Protest und praktische Hilfe angebracht.

Europas Mauern wachsen: Zur Abwehr von flüchtenden Menschen errichtet Polen einen Grenzzaun Foto: dpa

D ie europäische Migrationspolitik ist eine Katastrophe. Während aktive Hilfe zur Verbesserung der Situation Geflüchteter hierzulande und an den europäischen Außengrenzen Not tun, ist ein kritisch-theoretischer Umgang damit ebenso wichtig, um perspektivisch mehr praktische Antworten auf das Scheitern der Politik finden zu können.

Bei Schönefeld am jüngsten Berliner Flughafen plant die Bundesregierung bis 2025 ein sogenanntes „Ein- und Ausreisezentrum am Flughafen BER“ zu bauen, weswegen sich das neue Bündnis „Abschiebezentrum BER verhindern“ organisiert, um diese Pläne zu stoppen. Eine Einrichtung für die Inhaftierung von Migrant:innen, Geflüchteten und Reisenden, den sogenannten „Ausreisegewahrsam“, gibt es bereits am BER. Hier können bis zu 20 Personen für kurze Zeit festgehalten werden. Das neue Abschiebezentrum ist ein Pilotprojekt ganz im Sinne restriktiver Asylpolitik.

Es wird eine Demonstration geben, um auf diesem Wege laut und deutlich gemeinsam die Stimmen dagegen zu erheben. Die Demoroute geht vom Flughafen zur Gemeindeversammlung, auf der die Schönefelder Po­li­ti­ke­r:in­nen über die Baupläne des neuen Zentrums diskutieren werden (Mittwoch, 9. Februar, S-Bahnhof Schönefeld Flughafen Terminal 5, 16:45 Uhr).

Die Lage an der polnischen Grenze spitzt sich zu. Und es wird Zeit, sich auch vor Ort mit den geflüchteten Menschen und den lokalen Ak­ti­vis­t:in­nen zu solidarisieren und sie zu unterstützen, denn Migration ist kein Verbrechen. Für Bewegungsfreiheit und gegen die Festung Europa ist eine internationale Demonstration in Polen gegen die Internierungslager geplant. Von Berlin aus wird es gegen Spende von 5 bis 15 Euro einen Soli-Bus-Transfer nach Krosno Odrzańskie geben. Fragen, Redebeiträge und Texte bitte senden an: nbeastn@riseup.net. Ticketreservierung für den soli-bus.org unter: sleepingplaceorga@systemli.org (Samstag, 12. Februar, Abreise am Berliner Ostbahnhof, 8 Uhr – Rückkehr nach Berlin ist abends).

Mobile Unterstützung in Griechenland

Auch wenn der mediale Fokus nicht mehr darauf gerichtet ist: Die Lage in Griechenland verschlechtert sich ebenfalls zunehmend. Die Camps dort sind nicht nur überlastet, es fehlt vor allem an dem Grundlegendsten, was mensch zum Überleben braucht: Essen. Aber auch die medizinische und technische Versorgung ist mangelhaft. Es gibt darüber hinaus immer mehr Menschen, die statt in den Camps auf der Straße leben.

Anfang Februar hat sich das Borderless Collective aus Berlin auf den Weg nach Athen gemacht, um flüchtende und obdachlose Menschen auf dem Festland zu unterstützen. Gemeinsam mit einer Aktionsgruppe vor Ort. Mit unterwegs ist ein Bus mit Solarstrominstallation, in dem bis zu 100 Handys geladen werden können. Außerdem gibt es einen mobilen Hotspot und freies Internet, um Freunde und Familie kontaktieren oder sich informieren zu können. Damit diese tolle Arbeit weitergeführt werden kann, sammelt das Borderless Collective Spenden in Form einer Crowdfunding-Kampagne.

Walter Benjamin war ein jüdischer Philosoph, der Suizid beging. An der spanisch-französischen Grenze. Auf der Flucht vor den Nazis. Vor seinem Selbstmord veröffentlichte Benjamin seine geschichtsphilosophischen Überlegungen zum Engel der Geschichte. Diese werden bei der Vorstellung Bildungsmaterialien: Flucht und Migration damals und heute, einer Veranstaltung vom Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung, zum Leitfaden durch die Thematik von Flucht und Geschichten Geflüchteter, die mit den europäischen Grenzsystemen konfrontiert waren und sind.

Fotos aus dem Kurzdokumentarfilm von Eric Esser vermitteln historische Hintergründe zu Benjamins Überlegungen, während aktuelle Bilder sowie Informationen den Bezug zu aktuellen politischen Fragen zur Situation Geflüchteter an den europäischen Außengrenzen vertiefen. Beispielhaft wird dafür die Geschichte der (kurdisch) syrischen Bevölkerung während des Bürgerkriegs herangezogen. Auf der Website geht es zur Anmeldung und zu weiteren Informationen (Freitag, 18. Februar, Sebastianstr. 21, 13 Uhr).

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Desiree Fischbach
Jahrgang 1984, Magistra Artium Kunstgeschichte/ Theaterwissenschaft, FU Berlin. In der taz seit 2011: Webentwicklung Abteilungsleiterin. Hauptthemen Subkultur und soziale/ politische Bewegungen in Berlin.
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2 Kommentare

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  • Ich bin der Meinung, um dieses Thema fundiert zu bearbeiten, Antworten zu finden und vielleicht auch einander unfreundlich gesonnene oder gegensätzliche Gruppen zu versöhnen, kommen wir um ein Experiment nicht herum:

    Mein Vorschlag ist, dass wir für einen bestimmten Zeitraum, beispielsweise ein oder zwei Jahre, die Grenzen nach Deutschland (nicht in die EU, ausdrücklich nur nach Deutschland) ohne wenn und aber für jede/n öffnen.



    Um dazu zu lernen und festzustellen, ob offene Grenzen funktionieren können. Ich selbst traue mir keine Einschätzung zu, denke aber, wenn wir als (so genannt) "reiches" Land es nicht wagen, wer dann? Nach Ablauf der 1 oder 2 Jahre wissen wir, in welche Richtung die Asyl- und Migrationspolitik steuern könnte. Wir hätten dann Daten und Fakten als Grundlage für unsere Handlungen und nicht nur Vermutungen, Vorurteile und Behauptungen.

  • Richtig ist, "Migration ist kein Verbrechen". Richtig ist auch, dass kein Land seine Grenzen öffnen muss, jedes Land darf souverän über seine Grenze und die Grenzsicherung entscheiden. Richtig ist auch, dass ein Abschiebezentrum kein Gefängnis ist.

    Ergo, es gibt keine Widersprüche.