piwik no script img

Proteste gegen Auto-FörderungWie die Zombie-Apokalypse

In 30 Städten plant ein Bündnis Proteste gegen die Abwrackprämie. Weil es auch von Politikern Kritik gab, wurde der Auto-Gipfel verschoben.

Autos verschrotten, ok, aber nicht für neue Autos Foto: Christoph Soeder/dpa

HAMBURG taz | Es kommt nicht oft vor, dass der Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen der Bundesregierung und radikale Klimaaktivist*innen einer Meinung sind. Aber hinsichtlich der Abwrackprämie sind sie es: Für beide erinnert die Wiederauferstehung der Fördermaßnahme für Spritverbrenner mehr oder weniger an eine Zombie-Apokalypse. Das Bündnis „Sand im Getriebe“, das aus verschiedenen klima-, verkehrspolitischen und globalisierungskritischen Gruppen besteht, hat deshalb für diesen Freitag einen bundesweiten Aktionstag angekündigt. Aktivitäten in 20 bis 30 Städten sind geplant.

Anlass war eigentlich der für kommenden Dienstag geplante Autogipfel, bei dem im Kanzleramt in Berlin über Kaufprämien auch für moderne Diesel und Benziner entschieden werden sollte. Doch der wird nun verschoben, teilte der Verband der Autoindustrie am Donnerstagabend mit – offenbar weil es auch innerhalb der Regierungsfraktionen viel Widerstand gegen die Kaufprämie gibt.

Weil die Prämie damit aber noch nicht vom Tisch ist, hält Sand im Getriebe an den Protesten fest. „Wenn die Autoindustrie sich gegen den Klimaschutz und gegen den Willen der Menschen durchsetzt, wäre das ein Skandal“, sagt die Sprecherin Marie Klee. Die Branche habe jahrelang ihre Kund*innen und die Öffentlichkeit betrogen und strecke nun die Hand aus. Staatshilfen müssten mit einer Verpflichtung zur sozial-ökologischen Konversion der Branche einhergehen, fordert Sand im Getriebe.

In Aachen, Bamberg, Braunschweig, Hannover, Kassel und Osnabrück haben die jeweiligen Ortsgruppen Kundgebungen, Mahnwachen und Fahrraddemonstrationen angemeldet. Eine große Aktion wie die Blockade der Internationalen Autoausstellung IAA in Frankfurt am Main im vergangenen September fällt coronabedingt aus. „Es kann aber gut sein, dass in einigen Städten kleinere Momente des zivilen Ungehorsams entstehen“, sagt Sprecher Malte Blum.

Die Berliner Ortsgruppe will vor die Senatsverwaltung für Gesundheit ziehen, um darauf hinzuweisen, dass die Autoindustrie Milliardenbeträge erhalten könnte, während Pflege- und Gesundheitssektor vernachlässigt werden. Die Politik dürfe nicht vor der Autolobby einknicken. Denn: Der individuelle motorisierte Nahverkehr sei keineswegs zukunftsträchtig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Sehr geschickt von der Autoindustrie.

    Zeit gewonnen, die Lobby-Soldaten vorzuschicken um die Bastion der Protestler erstmal sturmreif zu "schießen".



    (Allerdings nicht mit Pulver und Blei sondern mit Euro und Cent)

    Und auf den darauf folgenden Gipfelgesprächen kann man das dann als Sieg der Demokratie und der Vernunft verkaufen.

    • @Bolzkopf:

      Verschwörungstheorie nennt man sowas.

    • @Bolzkopf:

      Selbst die Kritiker sind dem VDA schon auf den Leim gegangen:



      "Staatshilfen müssten mit einer Verpflichtung zur sozial-ökologischen Konversion der Branche einhergehen, fordert Sand im Getriebe."

      Richtig wäre: Auf keinen Fall Staatshilfen!

      Außer den allgemein in Betracht gezogenen, wie bessere Abschreibungsbedingungen. Die will der VDA noch on top bekommen.

      • @meerwind7:

        "Richtig wäre: Auf keinen Fall Staatshilfen!"

        Hat denn MEERWIND schon eine Idee, was wir mit den Kollenen vom Band hier im Süden so tun sollen, wenn die völlig gelangweilt in der Flaute hocken und keinen Meerwind zum seglerischen Zeitverteib haben?

        Es ist richtig, dass die jetzige Prämienversion bullshit ist, aber die Null-Nummer zu fordern, ohne den Betroffenen Perspektiven zu bieten, ist Nährboden für die AfD? Und die sind beim Daimler schon schwer aktiv. Leider.

  • Die Trägheitskräfte in der deutschen Wirtschaftspolitik sind das, was uns bei Corona tatsächlich das Genick brechen wird.



    Der Lufthansa sind ihre Milliarden schon zugesagt, ganz ohne Klimaauflagen wie bei Air France. Und die Autoindustrie wird ihre Schäfchen auf die eine oder andere Weise am Ende bestimmt ins Trockene bringen.



    Dabei hätte man aus Corona so schön lernen können, dass wissenschaftliche Modellrechnungen sich am Ende auch in bittere Realität übersetzen, mögen sie einem davor auch noch so abstrakt vorkommen.

    • @Clamus:

      die Klimaauflagen bei Air France sind Symbolpolitik, die Air france Millionen kosten wird.

      Die Flüge werden dann Niedrig-preis Airlines übernehmen. Incl. der Mitarbeiter zu niedrigeren Löhnen.

  • Lasst sie doch ruhig die Abwrackprämie beschließen.



    Zum einen hat die deutsch Autoindustrie eh kaum Fahrzeuge die sich ein normaler Mensch leisten kann und zukunftsfähige, sparsame, effiziente, etwas umweltfreundlichere schon gar nicht. Und zum zweiten erleiden gerade alle dieser normalen Menschen Einkommenseinbußen.

    Eine Abwrackprämie wird im großen Maßstab eh verpuffen. Es werden ein paar Reiche auf den neuesten 3T 600PS Porsche Superturbo PanzerSUV wechseln and thats it!

    • @danny schneider:

      Aber wir dürfen das dann mitbezahlen.