Proteste der Israelis gegen Netanjahu: Magie auf den Straßen
Die ökonomische Not vieler Israelis ist nicht nur eine Folge von Corona. Netanjahu hat sie jahrelang ermöglicht.
D iejenigen, die Revolutionen mögen, kriegen in Israel gerade leuchtende Augen. Kaum eine Straßenkreuzung, an der in den letzten Wochen nicht demonstriert wurde. Demonstrant*innen versuchen die Barrikaden zur Residenz Netanjahus zu durchbrechen, Mülltonnen brennen, mindestens eine Scheibe einer Bank ging zu Bruch. Israel hat die Magie nötig. Denn etwa ein Viertel der Israelis ist, mitten in der zweiten Welle des Coronavirus, arbeitslos; Menschen berichten, kein Geld für Lebensmittel zu haben.
Die Reaktion der Regierung kommt spät, ist beschämend und chaotisch. Viele Hilfsgelder, die die Regierung versprochen hat, sollen sich entweder in den bürokratischen Mühlen verirrt haben und nie angekommen sein oder geringer ausgefallen sein als angekündigt. Und die am Mittwoch von Netanjahu willkürlich angekündigten Einmalzahlungen zwischen 180 und 500 Euro sind wohl eine panische Reaktion auf die landesweiten Proteste. Mit der Gießkanne über den Israelis ausgegossen, wären die Zahlungen ein Hohn für die, die es brauchen, und bedeutungslos für die Reichen. Netanjahus Wirtschaftspolitik schlägt nun, in der größten ökonomischen Krise in Israels Geschichte, wie ein Bumerang auf ihn zurück.
Aus einem Land, das einst als sozialistisches Projekt begann, machte Netanjahu in seiner Regierungszeit einen neoliberalen Staat par excellence. Unter seiner Ägide wurde die Fluggesellschaft El Al privatisiert, genauso Banken und die Kommunikationsfirma Bezeq. Netanjahu sah dabei zu, wie Rechte der Arbeitnehmer immer mehr ausgehöhlt wurden, das Arbeitslosengeld wurde gekürzt.
2011 gab es in Israel gigantische, friedliche Proteste gegen steigende Lebenshaltungs- und Wohnkosten. Netanjahu richtete daraufhin ein Komitee ein, um den sozioökonomischen Problemen zu begegnen. Verändert aber hat sich nichts. Vielleicht wird die Energie auf den Straßen diesmal für Veränderung sorgen. Für Netanjahu könnten endlich unmagische Zeiten anbrechen.
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