Protest in Frankreich: Straßenblockaden gegen Spritpreise
Wütende Bürger formieren sich in ganz Frankreich. Der Protest aus dem Volk könnte Präsident Macron gefährlich werden.
Niemand kann sagen, wie weit dieser offenbar seit längerem angestaute Groll gehen kann. Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung fürchten nichts mehr als einen Konflikt mit unberechenbaren Widersachern und eine Ausweitung in mehrere Richtungen. Seit Tagen verteilen Leute in gelben Signalwesten überall im Land auf Plätzen oder Märkten Handzettel mit dem Appell, ganz Frankreich am Samstag und womöglich sogar darüber hinaus zu blockieren.
Kleine Gruppen treffen sich auf Parkplätzen vor Supermärkten, um ihre Aktion zu koordinieren. Die Wenigsten kannten sich, sie haben auf den sozialen Netzwerken, ohne die diese Bewegung nie so angewachsen wäre, Kontakt aufgenommen. Die ganze Planung kann man auf interaktiven Landkarten im Internet verfolgen.
Hinter der Bewegung steckt keine Partei oder Berufsorganisation. Die „Drahtzieher“ sind unbekannte und unorganisierte Facebook- und Twitter-Nutzer, deren Zornausbruch und Aufruf zum Handeln zigtausendfach weiterverbreitet wurde. Mittlerweile ist aber auch die Opposition von rechts und links auf diesen Zug aufgesprungen.
Macron hat Volkszorn unterschätzt
Namentlich die nationalistische Rechte (Ex-Front national und „France debout“) möchte in dieser Bewegung gegen den Staat ihre eigene Protestwählerschaft erkennen. Aber auch die linke „France insoumise“ und die Sozialisten unterstützen diese Aktionen gegen eine Regierungspolitik, die sie als ungerecht und arrogant kritisieren. Jedenfalls hatte Macron diesen „ras-le-bol“ (Volkszorn) unterschätzt und die Vorzeichen des Konflikts nicht genügend ernst genommen.
In einem Fernsehinterview beim Besuch eines Flugzeugträgers sagte er: „Es ist mir nicht gelungen, das französische Volk mit seiner Führung zu versöhnen, das schmerzt mich.“ Die Bürger verdienten mehr Beachtung und Respekt, meinte er. Seine Popularitätswerte sind mittlerweile auf fast 20% gesunken, doch er dachte, dass wenigstens seine Klimapolitik auf breite Zustimmung stoßen würde.
Die Energiewende ist seine Rechtfertigung für Maßnahmen, die BürgerInnen mit finanziellen Anreizen und Verteuerungen zu umweltfreundlicheren Verkehrsteilnehmern zu erziehen. Im Bereich der Treibstoffpreise, bedeutet dies, dass nach einer Erhöhung der staatlichen Abgaben (TICPE) um fast 8 Cents für Diesel und 4 Cents für Benzin zu Beginn des Jahres 2018 an der Tankstelle am kommenden 1. Januar ein weiterer Zuschlag geplant ist: Plus 6 Cents für den Diesel und nochmals 3 Cents mehr für Benzin.
In der Zwischenzeit waren die Preise pro Barrel auf dem Rohölmarkt stark angestiegen, die Kosten für das Auftanken erreichten Rekordhöhen. Mit der TICPE (sie beträgt 60% des Diesel- und Benzinpreises an der Zapfsäule) und der auch auf dieser Abgabe zusätzlich erhobenen Mehrwertsteuer verdient der Staat kräftig mit. Vor allem AutofahrerInnen, die ihr Fahrzeug beruflich nutzen oder in abgelegenen Gebieten wohnen, fühlen sich als „Milchkühe“ der staatlichen Steuerpolitik.
Mehreinnahmen kommen nicht dem Klima zugute
Vielleicht würden viele von ihnen diese Opfer für das Klima akzeptieren, wenn diese zusätzlichen Einnahmen der Staatskasse tatsächlich dem guten Zweck, nämlich der Finanzierung der Energiewende dienen würden. Das ist jedoch nicht der Fall. Nur gerade 7,2 Milliarden Euro oder 19,1% der rund 50 Milliarden Euro Einnahmen aus der TICPE werden laut dem Staatshaushalt für 2019 dafür verwendet. 45,1% dagegen stehen dem Staat für andere Ausgaben oder zur Defizitdeckung zur Verfügung, 32,6 werden für die lokalen und regionalen Ausgaben bereit gestellt, ohne aber an irgend welche Umweltauflagen gebunden zu sein.
Vom kleinen Rest (3,2%), über die Verkehrsprojekte mitfinanziert werden sollen, kann wenigstens der Teil für Bau und Unterhalt von Bahnschienen als Klimapolitik verkauft werden. Diese Analyse der geplanten Verwendung entlarvt die angebliche „Ökosteuer“ auf Treibstoffe als banale Steuererhöhung zur Sanierung der öffentlichen Finanzen.
Premierminister Edouard Philippe will ungeachtet der drohenden Protestwelle und Macrons Mahnung, den Klagen mehr „Beachtung“ zu schenken, am eingeschlagenen Kurs der Abgaben auf Treibstoffe festhalten. Aber er möchte mit zusätzlichen Prämien und Subventionen für die ärmsten Haushalte diese Politik sozial abfedern: Die Einkommensschwachen erhalten bis zu 200 Euro pro Jahr an die Heizkosten, Prämien gibt es beim Kauf neuer Anlagen, die alte Heizölkessel ersetzen, bis zu 4000 Euro beim Kauf von Autos, welche die Umwelt weniger belasten.
Regierung droht „Gelben Westen“ mit Polizei
Philippe hofft zudem, dass die derzeit wieder leicht sinkenden Rohstoffpreise der Protestbewegung den Wind aus den Segeln nehmen. Zugleich drohte aber Innenminister Christophe Castaner den „Gelben Westen“ provokativ mit polizeilicher Repression. Die Organisatoren geben sich von dieser Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik der Staatsführung unbeeindruckt.
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