Protest gegen saudischen Ölkonzern: Mittelfinger für den Frauenfußball
Über hundert Profispielerinnen protestieren gegen einen Fifa-Deal mit Ölkonzern Saudi Aramco. Ihr Protest zeigt, wie Diversität den Sport verändert.
V ielleicht haben sich Gianni Infantino und seine korrupte Fifa ihr Geschäft einmal so vorgestellt: Oh, dieser Fußball für Frauen und sonstige Randgruppen wirft jetzt Geld ab. Und seit der richtige Fußball, also der Männerfußball, fast bis zum Exitus verscherbelt ist, retten uns die Frauen vielleicht sogar das Business. Noch mal Wachstum, die neuen Sponsoren (Kosmetik!) und PR mit diesem Dings, wie heißt es, Diversity. Und wie dankbar sie sein werden, die Frauen. In Teilen hat dieser Plan prächtig funktioniert, etwa bei der letzten WM mit Rekordpublikum, Rekord-TV-Quoten und einem erstmaligen finanziellen Plus. Aber wer die Türen des Sports öffnet und zähneknirschend-lächelnd andere Menschen zum Tisch lädt, der verändert auch die Tischgesellschaft. Und die schafft den Sport.
Es sind denkwürdige Worte, die 106 Profifußballerinnen aus 24 Ländern in einem offenen Brief an die Fifa richten. Die zeige „dem Frauenfußball den Mittelfinger“, ja, könne „genauso gut Öl auf den Platz gießen und ihn in Flammen aufgehen lassen“. Der Anlass: Der staatliche saudische Ölriese Saudi Aramco soll unter anderem die Männer-WM 2026 und die Frauen-WM 2027 sponsern. Für die unterzeichnenden Spielerinnen ein „Alptraum“: wegen der saudischen Inhaftierung von Frauenrechtlerinnen, Kriminalisierung von LGBTQ+ und der Rolle von Saudi Aramco in der Klimakatastrophe. „Diese Entscheidungen wurden von Männern getroffen, die privilegiert genug sind, um nicht bedroht zu sein.“ Neben dem Ende des Deals fordern sie ein neues Komitee auch mit Spielerinnen, das Sponsoringdeals prüfen soll.
Im Grunde ist dieser Brief eine Revolutionserklärung. Dass nämlich Fußballerinnen derart international gegen einen Sponsor protestieren, ist ein Novum. Zwar gab es schon 2023 erfolgreiche Proteste gegen ein Sponsoring der saudischen Tourismusbehörde Visit Saudi vor der Frauen-WM. Damals jedoch vor allem von den Gastgebern. Was nun passiert, ist auch ein Erbe der von Fans getragenen Katar-Proteste. Mit der Niederländerin Vivianne Miedema, Ex-US-Kapitänin Becky Sauerbrunn und Kanadas Kapitänin Jessie Fleming haben durchaus prominente Namen unterzeichnet. Und der Widerstand dieser sportlich erfolgreichen, marken- und selbstbewussten Generation könnte langfristig Werbung im Fußball verändern.
Bemerkenswert breite Kritik
Bemerkenswert ist, wie breit sich die Kritik aufstellt. Es geht nicht nur um direkte eigene Betroffenheit bei Frauenrechten und LGBTQ+, sondern auch etwa um die Auswirkungen der Klimakrise auf den Breitensport – ein Argument, das unter Profis bisher kaum eine Rolle spielte. Wieder einmal erweist sich, dass Spielerinnen näher an gesellschaftlichen Diskursen dran sind als Jungs, die ihr Leben lang nur gekickt haben. Und die grunddemokratische Forderung, mitzuentscheiden, für wen man wirbt, ist ganz groß. Allerdings ist auch interessant, was dieses Schreiben nicht kann. Auffällig ist, dass dann doch fast alle großen Namen fehlen. Die Kernmärkte England, Frankreich, Spanien und Deutschland sind kaum vertreten, aus Deutschland ist nur Nationalspielerin Paulina Krumbiegel dabei. Da will sich offenbar doch manche ihre Karriereoptionen nicht verbauen. Mit Sara Björk Gunnarsdóttir wechselte jüngst die erste prominente Europäerin nach Saudi-Arabien.
Die Mehrzahl der Unterzeichnenden stammt nicht zufällig aus den relativ gleichberechtigten Märkten Skandinavien, Nordamerika und Australien. Echte Globalität kann der Protestbrief nicht für sich in Anspruch nehmen. Gerade arabische Fußballerinnen fehlen auffällig. Der sehr weiße, selektive und privilegierte Blick bleibt ein chronisches Problem der Bewegung gegen die Golfstaaten. Das dürfte man auch im Globalen Süden so wahrnehmen.
Opfer sind nicht gleich viel wert
Kritik an saudischen Menschenrechtsverletzungen geht leicht von der Hand; an den Menschenrechtsverletzungen von westlich-demokratischen Gastgebern oder deren Sponsoren stört man sich wenig. Dass die Spielerinnen im Brief etwa die WM in Australien als „neuen Standard für Inklusivität und Nachhaltigkeit“ feiern, ist fast schon bizarr. Ein Turnier, bei dem wie verrückt geflogen wurde, zu Gast beim weltweiten Kohleexporteur Nummer eins, der schmutzige Industrien protegiert wie sonst nur Golfstaaten, in seinen Gefängnissen systematisch Menschenrechte Indigener verletzt und eine der menschenfeindlichsten Anti-Migrations-Politiken der Welt betreibt. Nein, Opfer sind auch im Fußball nicht gleichwertig.
Es ist also durchaus angreifbar, was Spielerinnen da formulieren. Trotzdem ist der Brief ein echter Wendepunkt. Er belegt: Das Geschäftsmodell der Fifa ist nicht mehr unantastbar. Auch wenn dieser Protest vermutlich noch nicht den Deal zum Platzen bringt, die zivilgesellschaftliche Front wird breiter. Das ist wohl nicht die Art Fortschritt, die Infantino im Kopf hatte, als er die Tür zum großen Geldscheffeln einen Spalt öffnete. Es ist Fortschritt, der passiert, wenn Menschen durch diese Tür gehen. Wer glaubte, es würde sich nichts ändern, wenn man Frauen reinlässt, hat sich verrechnet.
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