Protest gegen mehr Polizei an Freibädern: Freie Bäder für freie Bür­ge­r*in­nen

Unter dem Motto „Mach mal keine Welle“ demonstrieren politische Gruppen vor dem Berliner Prinzenbad: Gegen mehr Sicherheitsmaßnahmen und rechte Hetze.

Soziale Lösungen für soziale Probleme forderten am Sonntag 150 Menschen vorm Berliner Prinzenbad Foto: Christian Mang

Berlin taz | Die Security am Einlass ist unerbittlich: Wer sich am Sonntag im Prinzenbad abkühlen will, muss seinen Perso vorzeigen und dann an einem Spalier von sechs breiten Sicherheitsleuten vorbei ins Freibad. Eine Frau mit kürzeren dunklen Haaren und Brille hat ihren Ausweis nicht dabei, zeigt stattdessen ein Foto vom Perso auf ihrem Handy vor. „Das bin ich, hier ist auch das Foto. Können Sie mich nicht bitte reinlassen?“, fleht sie. Doch der Mann am Einlass schüttelt mit dem Kopf. Keine Chance. Verärgert geht die Frau weg: „Das kann doch nicht deren ernst sein, ich hab doch `ne Mehrfachkarte“, sagt sie.

Vermutlich hätte die kurz danach direkt vor dem Prinzenbad startende Kundgebung sie mit ihrem Ärger über die neuen Sicherheitsmaßnahmen in Berlins Bädern abgeholt. Denn nach einer rassistisch aufgeladenen Debatte insbesondere um das Neuköllner Columbiabad infolge von Prügeleien Jugendlicher, wurden die Einlasskontrollen in Bädern verschärft und die Polizeipräsenz hochgefahren.

Am Sonntag protestierte deswegen ein Bündnis verschiedener Gruppen vorm Prinzenbad, darunter die Migrantifa, stadtpolitische Initiativen, Anwohnende und Jugendgruppen aus Kreuzberg und Neukölln sowie Mitarbeitende des Prinzenbads. Unter dem Motto „Mach mal keine Welle“ protestierten sie gegen rechte Hetze und forderten sozialen Lösungen für soziale Probleme. Zwischen 120 und 200 Personen nahmen teil.

In der Mittagssonne redete als Erstes ein Aktivist von Migrantifa, der Schlagzeilen wie „Wenn Multikulti baden geht“ (FAZ), „Die Freiheit des Sozialstaats wird am Sprungturm verteidigt“ (Spiegel) und Verbalentgleisungen von Polizeigewerkschaftern sowie eine rassistisch aufgeladene Debatte kritisierte. Denn wenn es um die „Situation in den Freibädern“ gehe, sei eben nicht die schlechte Infrastruktur, fehlende Investitionen oder Personalmangel gemeint. „Wenn Bürgerliche, Konservative und Rechte über Freibäder sprechen meinen sie, dass Ausländer sich mal wieder daneben benehmen und wir denen mal so richtig zeigen müssen, wer hier im Land der Chef ist.“

Realitätscheck für Populismus

Dann zitiert er die Fakten, die in der Debatte gern mal vergessen werden: Die meisten Straftaten in Freibädern hätten mit körperlicher Gewalt nichts zu tun, der Großteil sei Diebstahl und Hausfriedensbruch. Der Trend bei Gewalt sei sogar rückläufig: 2019 gab 71 Vorfälle, nach Corona 2022 seien es nur noch 57 gewesen. Ähnlich sei es bei Hausverboten, die sogar stark rückläufig seien. Tatsächlich gab es 2018 noch 572 Hausverbote, 2022 waren es 133.

„Die Polizei führt diese Statistiken so genau, weil es da regelmäßig Anfragen der AfD und der CDU hagelt“, sagt der Aktivist ins Mikrofon. „Die Gewalt wird nicht mehr, sondern nur die Hetze.“ Und dabei gehe es nicht um die Sicherheit von Frauen. Sonst müsste es solche Anfragen auch für Bierzelte, Schützenfeste, den Ballermann, Karneval oder den Vatertag geben. „Da sind nur die guten Deutschen übergriffig!“

Statt Racial Profiling vor Freibädern und einer aufgewärmten Leitkulturdebatte, müsse man die Frage stellen, warum es denn in Neukölln überhaupt zu Gewalt komme. Wie sehe die Realität von migrantischen Jugendlichen aus? Man müsse reden über „sich kaputt schuftende Eltern und Großeltern“, die auch nach 20 Jahren keinen Pass bekämen, über Armut ohne Auswege, über Sozialkürzungen und männliche Sozialisierung im Patriarchat.

Danach sprachen zwei queere Personen aus der Initiative „Columbiabad für alle“, die sich dagegen wehrten, für rechte Hetze und für Forderungen nach mehr Polizei instrumentalisiert zu werden. In der Debatte hatte es geheißen, dass mit mehr Sicherheit auch Minderheiten und queere Personen geschützt würden.

„Es ist schon interessant, wie viel Eile die Politik hat, Queers schützen zu wollen, wenn es darum geht, von Rassismus und Klassismus betroffene Jugendliche zu schikanieren – aber wir lassen uns nicht spalten in endlich Oben-ohne-Badende und halb nackte Randalierende!“, rief eine der Redner*innen. In Wirklichkeit finde derzeit eher eine Zuspitzung des gesellschaftlichen Diskurses gegen Queers statt – etwa bei der Abschaffung von genderneutraler Sprache.

„Manchmal kickt Pubertät“

Klar gebe es manchmal Stress im Columbiabad, so die Redner*in: „Großstadtspaces sind völlig überfüllt mit Leuten: Da kickt Adrenalin, manchmal kickt Pubertät, Midlifecrisis und der Druck von gerndernormativen Verhalten. Das nervt und manchmal ist das auch bedrohlich!“

Angesichts der abnehmdenden Zahlen von Gewalt in Freibädern sei aber die bundesweite, rechtspopulistische mediale Inszenierung über das „Gefahrengebiet Neukölln“ viel bedrohlicher und zerstörerischer als alles, was im Columbiabad passiert. Auch sie fordert statt mehr Polizei und Sicherheitsmaßnahmen ein Ende der Streichungen von Sozialleistungen: „Wer Neu­köll­ne­r*in­nen und den Jugendlichen alles kürzt und wegnimmt, fördert Frust und soziale Zuspitzung in den wenig übrig gebliebenen Freizeitspaces.“

Auch So­zi­al­wis­sen­schaft­le­r*in­nen plädieren bei derartigen wiederkehrenden Debatten, ob nun um Silvesterböllerei oder Halbstarken-Kämpfe am Sprungturm, für Prävention und Jugendarbeit: Ferndiagnosen von Po­li­ti­ke­r*in­nen mit Fokussierung auf Herkunft würden ebenso wenig helfen wie Diskussionen über Schlägereien auf Bundesebene. Das rücke die grundsätzlich friedliche Atmosphäre in Freibädern in ein falsches Licht.

Friedlich blieb es während der Demo am Sonntag auch vor dem Prinzenbad – Ärger gab es nur bei Stammgästen, die ohne Personalausweis nicht ins Bad gelassen wurden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.