Protest gegen Verfolgung: Jesiden gegen den Terror
Truppen des „Islamischen Staates“ massakrieren Jesiden im Irak. In Bremen demonstrieren Angehörige der kurdischen Religionsgemeinschaft für den Frieden.
BREMEN taz | Mit einer einwöchigen Mahnwache am Hillmannplatz protestieren JesidInnen gegen den Krieg im Irak. Seit Montag sind sie mit einem Pavillon rund um die Uhr vor Ort, verteilen Flugblätter und informieren Passanten über die Situation. Meist sind rund 20 Menschen dort, am Montagabend sollen es mehrere Hundert gewesen sein.
3.000 Mitglieder der kurdischen Glaubensgemeinschaft leben in Bremen. Als nichtmuslimische Minderheitenreligion werden Jesiden weltweit bereits seit Jahrhunderten verfolgt, aber in den vergangenen Wochen hat sich die Situation drastisch verschärft – seit Einheiten der Gruppierung „Islamischer Staat“ (IS) im Nordirak einmarschierten und das jesidische Zentrum Shengal eingenommen haben.
Kenan Koc, Organisator der Mahnwache und Vorsitzender des kurdischen Vereins Birati, spricht von „Massakern und Völkermord“. Besonders jesidische Frauen seien betroffen und würden von den Islamisten verschleppt.
Auf der Mahnwache sind Fotos von verschleierten Frauen zu sehen, die an einer Kette geführt werden – als „Sexsklavinnen“, sagt einer. Er habe selbst ein schlechtes Gefühl dabei, mit solchen Motiven zu arbeiten, „aber genau so sieht das da aus – der Horror ist Realität.“
Führende Bremer Linke unterstützen die Forderung von Gregor Gysi, Linksfraktionschef im Bundestag, Waffen an kurdische Kämpfer im Irak zu liefern. Gysis StellvertreterInnen Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch hingegen sprachen sich klar gegen Waffenlieferungen in den Nahen Osten aus.
Angesichts der "aktuellen Notlage" der Jesiden sei es "gerechtfertigt", die "Selbstverteidigung" der Kurden "zu unterstützen", sagte Christoph Spehr, Landessprecher der Linkspartei. Gysis Forderung sei deshalb "richtig" und "angemessen". Ansprechpartner solle dabei die kurdische Regionalregierung im Irak sein.
Die Dschihadisten des "Islamischen Staates" (IS) müssten "aufgehalten" werden, sagt Fraktionschefin Kristina Vogt. Sie fordert prinzipiell einen "totalen Waffenexportstopp" für den Nahen Osten. "Im Moment" führe aber an Waffenlieferungen für die Kurden "kein Weg vorbei". Vogt wies darauf hin, dass auch der IS vom Westen aufgerüstet worden war.
Cindi Tuncel, Jeside und friedenspolitischer Sprecher der Linksfraktion findet die Debatte zwar "nicht so einfach" - spricht sich aktuell jedoch dafür aus, PKK-Kämpfer, kurdische Peschmergas und die jesidische Armee gleichermaßen aufzurüsten.
Um auf die Not aufmerksam zu machen und für internationale Unterstützung zu werben, demonstrieren jesidische Gemeinden seit Wochen regelmäßig in ganz Deutschland. Auch die Gruppe auf dem Hillmanplatz wird von hier aus zu weiteren Kundgebungen fahren: Donnerstag in Verden, Freitag in Bremen und am Samstag dann eine bundesweite Großdemonstration in Hannover.
In Bremen wurde bereits vergangene Woche protestiert: 2.000 Menschen versammelten sich am Mittwoch vor dem Hauptbahnhof und demonstrierten friedlich gegen den Krieg – darunter auch der linke Bürgerschaftsabgeordnete Cindi Tuncel, der selbst Jeside ist und Verwandte im Kriegsgebiet hat.
Aber nicht nur wegen ihrer Familien diskutiert die örtliche Community über internationale Zusammenhänge: Die Rolle der Türkei ist ein Dauerthema auf der Mahnwache und natürlich die us-amerikanischen Bombenangriffe gegen IS-Stellungen. „Das ist dringend notwendig“, sagt Koc, „aber nur nur Spielerei.“ Ohne Bodentruppen sei Shengal nicht zu befreien.
Außerdem seien auch diejenigen dringend auf Hilfe angewiesen, die den Angriffen der IS vorläufig entkommen konnten. Unzählige Flüchtlinge seien im Kriegsgebiet unterwegs und bräuchten dringend Nahrung, Wasser und Medikamente. Auch über Waffen für die kurdischen Einheiten wird derzeit diskutiert.
Den JesidInnen auf der Mahnwache geht es nicht nur um ihre eigenen Landsleute. Auf ihren Flugblättern wird genauso auch die Situation von verfolgten Christen angesprochen. Auch von jüdischen Opfern sprechen die AktivistInnen.
Immer wieder kommen interessierte PassantInnen an der Gruppe vorbei: „Ach, ich dachte das wären Moslems“, sagt ein älterer Mann und wirkt erleichtert.
„Ich selbst bin kurdischer Moslem“, sagt einer der Protestierenden. Das Schicksal der Jesiden liege ihm am Herzen, weil ihre Gemeinschaft die kurdische Tradition über die Jahrtausende bewahrt und geprägt habe. Das ist aber nicht der Grund für seine Teilnahme an der Aktion: „Man muss allen Menschen helfen, denen so Schreckliches angetan wird.“ Radikalisierte Islamisten würden ja auch vor Muslimen nicht Halt machen.
Angst vor Islamisten haben Jesiden nicht nur im Nordirak. Auch in Bremen habe es vereinzelte Übergriffe gegeben, sagt Koc. Um die Mahnwache macht er sich aber keine Sorgen. „Wir stehen in Kontakt mit der Polizei“, sagt er, „und nachts ist immer jemand in der Nähe.“
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