piwik no script img

Protest gegen Prof. HomburgHygiene im Hörsaal

An der Uni Hannover eskaliert der Konflikt um den Corona-kritischen Finanzwissenschaftler Stefan Homburg.

Der hannoversche Finanzwissenschaftler ließ sich in Stuttgart feiern Foto: Ingo Wagner/dpa

Hannover taz | Es ist der Höhepunkt einer Eskalation, die einem altbekannten Muster zu folgen scheint. Seit Wochen sorgt der Professor und Leiter des Instituts für Öffentliche Finanzen an der Leibniz-Universität Hannover, Stefan Homburg, mit seinen Auftritten auf Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen für Kopfschütteln. Nachdem die höchsten Gremien der Universität sich am Wochenende beratschlagt hatten, veröffentlichten Präsidium, Senat und Hochschulrat am Montag eine gemeinsame Erklärung, in der sie sich mit deutlichen Worten von Homburg distanzierten.

Das Fass zum Überlaufen brachte offenbar ein Tweet Homburgs von vor zehn Tagen, in dem er schrieb: „das hier IST 1933“. Das Rumoren an der Uni wurde danach lauter: Am vergangenen Freitag veröffentlichten linksjugend, Grüne Jugend und Jusos einen Offenen Brief, in dem sie Konsequenzen und Homburgs Entlassung forderten.

Bekannt wurde auch, dass der Professor zwei Studenten gesperrt hatte, die sich im Uni-internen Forum zu seiner Online-Vorlesung „Öffentliche Finanzen“ kritisch mit seinen Corona-Thesen auseinandergesetzt hatten.

Mehr als die Distanzierung von Homburg könne man allerdings nicht tun, sagt die Sprecherin der Uni Hannover, Mechthild Freiin von Münchhausen, und verweist auf das hohe Gut der Meinungs- und Forschungsfreiheit. Was mit den beiden rausgeworfenen Studenten passieren solle, werde jedoch noch geprüft. Grundsätzlich habe aber ein Professor natürlich das Recht in seiner Vorlesung sachfremde Diskussionen zuzulassen oder zu unterbinden.

Keine saubere Trennung zwischen Dienst und Politik

Das wiederum findet Noah, einer der betroffenen Studenten, der nicht möchte, dass sein Nachname bekannt wird, äußerst fragwürdig: „Es gibt doch sonst gar keine Möglichkeit zu protestieren als eben online“, sagt er. „Wir sind ja im Moment völlig abgeschnitten.“

Andere Kritiker werfen Homburg vor, selbst nicht immer sauber zwischen dienstlichen und privat-politischen Belangen zu trennen. So verweist Homburg auf seiner Uni-Seite nicht nur auf die wissenschaftlichen Publikationen, sondern auch auf seine Beiträge zur Corona-Krise – darunter finden sich Beiträge in Medien wie Welt, Rheinische Post und Handelsblatt, aber auch auf einschlägigen Kanälen wie Tichys Einblick, Achse des Guten und Punkt.Preradovic.

Das sei aber zulässig, sagt die Uni-Sprecherin. Dafür, dass Homburg auch Uniressourcen genutzt habe, um zum Beispiel Youtube-Videos seiner Reden hochzuladen, wie es die linken Jugendorganisationen behaupteten, gäbe es keine Belege.

Homburg selbst sieht sich als Opfer einer Kampagne und droht verschiedenen Medien mit Klagen. Auf einer lokalen Webseite tauchte ein offener Brief mit seinem Briefkopf auf, der Ähnliches behauptet. Kritiker wie er sollten mundtot gemacht werden, klagt er. Auf eine Interviewanfrage der taz reagierte er nicht.

Er knüpft ans Repertoire der Rechtspopulisten an

Bei den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen war der Professor von Anfang an dabei. Wobei er bei seinem ersten Auftritt in Hannover dem NDR noch sagte, er sei da eher zufällig rein geraten und auf das Rednerpult gebeten worden. Die mehrstündige Anfahrt zur Groß-Demonstration in Stuttgart am 9. Mai nahm er dann aber mit voller Absicht auf sich.

Die Bewegung feiert den Wirtschaftswissenschaftler und Steuerberater. Anfangs konzentrierte er sich vor allem darauf, seine Zahlenaffinität zu nutzen, um die statistischen Grundlagen der Corona-Maßnahmen anzuzweifeln. Mittlerweile fallen immer mehr Äußerungen, die an das Repertoire der Rechtspopulisten anknüpfen: Er spricht von verlogenen Eliten, korrumpierten Wissenschaftlern, gleichgeschalteter Presse.

Wobei die Rede vom aufgeblasenen Medienhype zu Homburgs Standardanalyse gehört: Damit kritisierte er schon die „angebliche“ Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 – was ihm viel mediale Aufmerksamkeit bescherte, im eigenen Fach aber eher einen Außenseiterstatus. Seine Kritik an der Bankenrettung wurde damals allerdings auch von links noch gern zitiert. Das gab sich spätestens nachdem ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung 2013 unter den Unterstützern der neu gegründeten AfD verortete.

Die Wandlung zum prominenten Corona-Skeptiker folgt also möglicherweise einer Logik, die keine so ganz große Überraschung ist.

In einer früheren Textfassung wurden Tichys Einblick, die Achse des Guten und Punkt.Preradovic irrtümlich als „neurechte“ Kanäle bezeichnet. Wir haben das korrigiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Ein ehemaliger studentischer Mitarbeiter Homburgs berichtete mir glaubhaft, wie St. H. mit dem Satz in den Saal gegangen sei: "Die glauben mir gleich sowieso alles, was ich sage". Und als jemand, der ihn auch einmal gehört hat: Homburg konnte Brillanz bis zur Manipulation. Als Jungspund übrigens schon einen Lehrbuchklassiker verfasst. - Intelligent, lernfähig zu sein und neoliberal zu bleiben, verstehe ich dann nicht, doch ok. -

    Und nun braucht Homburgs Ego vielleicht Nachschub. Wenn ich keine positive Anerkennung erhalte, hole ich mir sie in der destruktiven Ecke. Beim einen Johannestrieb, beim anderen Beifall, egal woher. Schade um die ganzen Hirnzellen.

  • Homburg hat in der Finanzkrise die Bankenrettung zu Recht kritisiert.



    Und was ich selber von ihm in der Corona-Krise gehört habe, lässt sich rational eigentlich auch nicht widerlegen. Er hat da vor allem darauf hingewiesen, dass der Rückgang der Corona-Infektionen nach den Daten des RKI(!) schon klar vor dem Lockdown begann (ca. 10 Tage vorher!). Und das kann von jeder(frau|mann) jederzeit selber nachgeprüft werden. Dazu muss man sich einfach nur die Tagesberichte des RKI mit dem (um die Meldefrist korrigierten) Neuerkrankungsverlauf anschauen und dann noch eine Inkubationszeit von ein paar Tagen abrechnen. Dann sieht man, dass der Rückgang der Neuinfektionen etwa am 12.3 begonnen haben muss, wohingegen der volle "Lockdown" erst am 23.3 in Kraft trat.

    • @XXX:

      Ja aber das lässt sich ganz einfach erklären.



      Menschen sind schon vor dem Lockdown seltener nach draußen gegangen.



      Das kann man der Disziplin und der vieler Bürger dieses Landes verdanken.



      Außerdem wurde die Wirkung der getroffenen Maßnahmen schon von Forschern des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation sowie der Universität Göttingen nachgewiesen.

      QUELLE: www.mpg.de/1483658...gen-die-massnahmen

      • @TRG :

        Und noch eine Antwort: Dieser "Nachweis" der Maßnahmen überzeugt mich nicht. Natürlich werden sie geholfen haben (wie auch nicht, bei den hohen Kosten). Eine wichtige Aussage des von Ihnen zitierten Artikels ist aber, dass alle notwendig waren um die Zahl der Neuinfektionen rückläufig zu machen. Und das widerspricht schlicht und einfach den RKI-Daten. Entweder glaubt man also den Daten des RKI oder man glaubt den Simulationen, die diese Daten einfach ignorieren.

      • @TRG :

        Ja, mag sein. Dann war und ist der unfreiwillige und verordnete Lockdown aber unnötig! Und nichts anderes sagt Stefan Homburg.

  • Uiuiui - „neurechte“ Medien. Dann ist die taz wohl ein altlinkes. Nur mit links UND rechts kann es ein Mitte geben..

    • @Naturwissenschaftler:

      Sehr sachlicher Kommentar.



      Ihre Meinung ist definitiv nicht wertlos in einer Diskussion.

  • Lassen Sie die 'Hygiene' dort, wo sie hingehört - jedenfalls nicht in die Universität!

    Ohne selbst die geringsten Sympathien für Herrn Homburg und seine Weltanschauung zu haben, möchte ich ein Voltaire zugeschriebenes Zitat anfügen:

    „Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“

    (Das Zitat stammt in Wahrheit von Voltaires Biographin Evelyn Beatrice Hall, die damit Voltaires Überzeugung versucht hat wiederzugeben.)

    • @Weber:

      Kann ich verstehen.



      Aber diejenigen, die auch ihre Meinungen äußern und sachlich mit dem Thema auseinandersetzen wollten, wurden von ihm gesperrt.



      Also von einer freier Meinungsausprache kann keine Rede sein.

  • Intelligenz schützt nicht vor Dummheit.