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Protest gegen KohleabbauEskalation im Hambacher Forst

Nachdem Wachleute einen Aktivisten überfahren haben, greifen die Baumschützer Polzei- und Räumfahrzeuge an. Der Konflikt spitzt sich weiter zu.

Die Waldbesetzer im Hambacher Forst wurden schon mehrfach geräumt – hier etwa im November 2012. Foto: dpa

Berlin taz | Die Auseinandersetzungen wegen der Baumrodungen rund um den RWE-Braunkohletagebau am Hambacher Forst werden immer brutaler. Nachdem es bei einem Zusammenstoß am vergangenen Donnerstag mindestens neun Verletzte gab, stürmten Aktivisten am Samstag Polizeiautos und Räumfahrzeuge, es flogen Steine und Böller. Der Energiekonzern RWE klagte über eine „neue Stufe der Gewalt“, die Baumschützer sprachen von einer „immer stärkeren Zuspitzung des Konflikts um den Kohleabbau im Rheinland“.

„Die Stimmung ist geladen, seit einer unserer Aktivisten überfahren wurde“, sagte ein Sprecher der Klimaschützer, der sich Joe Bäumler nannte. Er kündigte eine „Aktionswoche“ an, am kommenden Samstag werde es eine „Großaktion“ geben. Details verriet er nicht.

Seit mehr als drei Jahren kämpfen Braunkohle-Gegner gegen die Ausbreitung des Tagebaus zwischen dem Rhein-Erft-Kreis und Düren westlich von Köln. Immer wieder kommt es dabei zu Besetzungen von Teilen des Forstes und der Bagger. Nach Aussagen der Aktivisten stehen nur noch rund zehn Prozent des Hambacher Forstes, eines Waldstücks mit einst 5.500 Hektar Fläche.

Am Donnerstag war ein von Sicherheitsleuten begleitetes Rodungsteam auf Aktivisten getroffen. „Aus dem Weg, ich fahr Sie um!“, soll der Fahrer eines Security-Autos gerufen haben, bevor er aufs Gas drückte – und zwei Aktivisten überfuhr. Die Braunkohlegegner verweisen auf ein Handy-Video, das die Aktion angeblich zeigt. „Wir sind geschockt“, sagte eine Sprecherin der Aktivisten zur taz.

Die Stimmung ist geladen

Ein Sprecher der Kohlegegner

Bilanz aufseiten der Kohlegegner: vier Verletzte, einer davon durch den Autoaufprall nach Aussage der Baumschützer schwer. Er befand sich demnach am Sonntag noch in Polizeigewahrsam. Ihm werde Haus- und Landfriedensbruch vorgeworfen.

Über einen „brutalen Angriff von Aktivisten auf Mitarbeiter von RWE-Partnerfirmen“ klagte dagegen der Energiekonzern. Angeblich sollen am Donnerstag „30 Vermummte in Tarnkleidung“ laut einem Unternehmenssprecher „mit Messern, Steinen, Zwillen und Wurfgeschossen“ Baumfäller und Sicherheitsteam angegriffen haben. Dabei soll es wegen Wurfgeschossen und Reizgas auf RWE-Seite fünf leicht Verletzte gegeben haben. Mehrere Dienstfahrzeuge wurden laut RWE beschädigt, zudem zeigte das Unternehmen Fotos, auf denen eine angeblich von den Aktivisten in Brand gesetzte Pumpstation zu sehen ist.

Bei den Attacken am Samstag wurde offenbar niemand verletzt, aber Polizei- und Räumfahrzeuge beschädigt. Zuvor hatten die Aktivisten auf einer stillgelegten Autobahn Barrikaden errichtet.

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6 Kommentare

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  • Wie kann das sein? In http://www.taz.de/Energieexpertin-ueber-Uckermark-Trasse/!5267417/ heißt es:"als Sündenbock benutzt, um oftmals überdimensionierten Leitungsausbau zu rechtfertigen. Dabei müsste der Anteil von Kohlestrom sinken." Wenn zur Zeit schon zu viel Kohlestrom im Netz ist, kann eine Erweiterung des Tagebaus nur schaden. Die Behörden dürfen sich nur für eine Seite einsetzen, wenn ein öffentliches Interesse besteht. Es geht aber um RWE gegen Bürger.

  • Wenn ein Angestellter einer Sicherheitsfirma einen versuchten Mord begeht, dies dazu von mehreren Personen bezeugt und auf Video festgehalten wird, ist die einzige Reaktion der Polizei, das Opfer in Gewahrsam zu nehmen?

    Wo bleibt der Aufschrei? Wo bleiben die Leute, die hier den Rechtstaat einfordern? Die Polizei als Komplizen von Leuten, die Mordversuche begehen - und niemand interessiert es.

    Hier müsste mindestens der Innenminister zurücktreten - und die Zeitungen müssten voll sein von entsprechenden Aufrufen. Was ist das für eine Gesellschaft, in der die Medien die Entrüstung über das chauvihafte Getue eine abgehalfterten Politikers wochenlang in die Schlafzeilen hiefen, dafür sich selbst einen Preis vergeben und dort wo die Polizei mafiöse Strukturen zeigt, (fast) nichts passiert?

    • @Velofisch:

      Landfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung. Alles von Seiten der Aktivisten begangen, für Sie aber total unerheblich weil es Ihrer politischen Meinung entspricht. Der eine verletze Aktivist ist für Sie aber ein Grund das der Innenminister zurücktritt? Lächerlich. Das hier soll immer noch eine Demokratie sein. Wer Wer Köprerverletzung und Sachbeschädigung begeht um seinen Willen durchzusetzen ist auch nicht besser als die Arschlöcher die Brandanschläge auf Fülichtlingsheime verüben. Die wollen auch "nur" ihre politische Meinung durchsetzen. Er wurde gewarnt und ist trotzdem im Weg stehen geblieben. Selbst schuld würde ich sagen. Auch wenn ich selbst kein Freund des Braunkohleabbaus bin, muss man akzeptieren das die Mehrheit in diesem Land das offensichtlich unterstützt, sonst würde sie schließlich anders Wählen. Aber den Rechtsstaat übergehen solange es den eigenen Zielen dient, aber nach ihm schreien sobald ein anderer genau so handelt, kann es ja wohl nicht sein.....

    • @Velofisch:

      Dieser "Schwerverletzte" wurde im Krankenhaus vom Arzt direkt wieder entlassen. Ist klar wie "schwerverletzt" der Typ war oder? Dumme Übertreibungen dieser Art gehören leider bei vielen Aktivisten dazu... Wer das Video gesehen hat, muss wissen das dort eben nichts gezeigt wird. Man hat keine Ahnung ob das Auto und der Mensch einander überhaupt berührt haben, von Mord ganz zu schweigen.

    • @Velofisch:

      Wer das Geld hat, hat die Macht und wer die Macht hat, hat das Recht. Die Scherben haben da durchaus etwas wahres von sich gegeben.

    • @Velofisch:

      tja, es geht um viel geld, da ist man halt lieber auf der reicheren seite...