Protest gegen G7 in Elmau: Gegen die Arroganz der Macht
Die Demonstranten kritisieren Flüchtlingspolitik, Freihandel und Klimapolitik. Fern vom Tagungsort kämpfen sie um Aufmerksamkeit.
Dennoch haben Keller und ihre Mitstreiter das Ringen um die Deutungshoheit über den Gipfel nicht aufgegeben. Während bayerische Politik, Behörden und viele Medien die Demonstranten einzig als Sicherheitsrisiko begreifen, versuchen diese weiter an der Logik von Herrschaft und Macht zu rütteln – rein diskursiv. Das Treffen sei weder demokratisch noch transparent, statt dessen Ausdruck der „Arroganz der Macht“, sagt Keller. Den ehemals führenden Industrienationen gehe es darum, „ihren Wohlstand zu sichern“. Dass davon auch der Rest der Welt profitiere, sei „eine Behauptung, die seit 40 Jahren uneingelöst geblieben“ sei.
Es ist der Sound der Globalisierungskritiker, der seit dem Treffen der Welthandelsorganisation WTO 1999 in Seattle alle Gipfeltreffen begleitet. Auch bei dem bereits am Donnerstag zu Ende gegangenen Alternativgipfel in München war er wieder zu hören. Über 600 Teilnehmer diskutierten auf dem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützten Kongress über eine „andere Welt“.
Das Programm bot die bekannte inhaltliche Breite: Es ging um Krieg, Freihandel, Klima und Flüchtlingspolitik. Auch die Themen, die auf der offiziellen Tagungsordnung des Treffens der G 7 stehen, hatten es in das Programm geschafft. Mit Workshops zu globaler Gesundheitspolitik und Stärkung von Frauenrechten wollten die Organisatoren nicht unkommentiert lassen, womit sich die sieben Mächtigen in ihrer Abschlusserklärung am Montag profilieren wollen.
Viele Aufrufe argumentieren grundsätzlich
Mit dabei auf alternativer Seite sind die nimmermüden Protagonisten der Szene wie etwa Jean Ziegler, der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, der insbesondere die Macht der großen Konzerne anprangert. Dass diese die Profiteure des Freihandelsabkommens TTIP sein werden, ist unter den Teilnehmern unumstritten – dass das Vertragswerk zwischen EU und USA außerhalb des Gipfels behandelt wird, spielt hierfür keine Rolle. Für zahlreiche Gipfelgegner, die die nächsten Tage in Garmisch verbringen werden, muss die Kritik dagegen grundsätzlicher ausfallen: Viele Aufrufe wimmeln von Begriffen wie Kapitalismus und Imperialismus.
Willkommen in Elmau
Doch noch etwas anderes rückt unfreiwillig in den Vordergrund. Die Präsenz von 25.000 Polizisten, verbotene Demonstrationen und ständige Überwachung drängen die Aktivisten in die Rolle der Verfechter von Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Die eigene Themensetzung rückt in den Hintergrund – auch das ist eine Form der Machtlosigkeit. Da hilft es nur wenig, dass Ziegler auch den Politikern im Schloss die Macht abspricht. Für ihn treffen sich dort nur die „Ausführungsgehilfen und Handlanger“ der Großunternehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland