Protest gegen Coronapolitik: Die Gelbwesten lassen grüßen
In Paris haben die Behörden einen Konvoi von Kritiker*innen der Corona-Auflagen gestoppt. Am Montag soll der Protest in Brüssel weitergehen.
Nur wenige Teilnehmer*innen eines motorisierten Protestzugs schafften es am Samstag, im Südosten von Paris bis zur Porte de Charenton zu fahren, wo ihr Weg dann aber vor den Polizeischranken endete. Einmal mehr erwies es sich für die Ordnungskräfte praktisch, mit der Ringautobahn Périphérique so etwas wie eine gegen Belagerungen leicht zu verteidigende Stadtmauer zu haben.
Andere Protestierende dagegen erschienen zu Fuß und mit hupenden Privatautos im Pariser Zentrum, um auf den Champs-Élysées triumphierend Trikolore-Fahnen zu schwenken, „Liberté, liberté!“ (Freiheit) zu rufen und Schilder zu zeigen, auf denen ein Ende von Restriktionen wie Impfpass- und Schutzmaskenpflicht verlangt wurde. Sie konnten indes nicht mit Toleranz seitens der Behörden rechnen, die jegliche Kundgebung auf den Champ-Élysées verboten hatten. Aus Angst vor gewaltsamen Zwischenfällen wie zu Beginn der Protestwelle der sogenannten Gilets jaune (Gelbwesten) 2018 waren 7.200 Polizeibeamte und Mitglieder der Gendarmerie aufgeboten worden. Vor dem Triumphbogen waren gepanzerte Fahrzeuge in Stellung gebracht worden.
Die Demonstration wurde denn auch entschlossen aufgelöst: Wer Widerstand leistete, wurde – wie auch einige unbeteiligte Touristen oder Neugierige – ausgiebig mit Tränengas vertrieben. 97 Personen wurden festgenommen und mehr als 500 Personen müssen mit Geldstrafen wegen unerlaubten Demonstrierens rechnen. Auf einem Video ist zudem zu sehen, wie ein Polizist den Fahrer eines Fahrzeugs mit seiner Dienstwaffe bedroht.
Am Sonntag machten sich mehrere hundert Teilnehmer des Protestkonvois, die es nicht ins Stadtzentrum geschafft hatten, auf den Weg nach Brüssel. Fast 450 Fahrzeuge verließen nach Polizeiangaben die Ringautobahn sowie den Bois de Boulogne im Westen von Paris. In Brüssel wollen am Montag trotz eines behördlichen Verbots Impfgegner aus mehreren europäischen Ländern gegen Corona-Auflagen demonstrieren.
Personelle Überschneidungen mit Gelbwesten
In Frankreich hatten Medien befürchtet, der Protest werde der Gelbwesten-Bewegung neuen Schwung geben. Wie diese hegen auch die Kritiker*innen der vermeintlich „repressiven“ Pandemiepolitik einen Groll gegen die „Eliten“ und speziell gegen Präsident Emmanuel Macron. In den Reihen der Unterstützer*innen der Konvois finden sich viele Ehemalige der Gelbwesten-Bewegung. Einer von deren Wortführern, Jérôme Rodrigues, der bei einem Polizeieinsatz ein Auge verloren hatte, wurde am Samstag auf dem Weg zu den Champs-Élysées präventiv festgenommen.
Vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahl im April haben sich rechtsextreme Kandidaten wie Eric Zemmour, Marine Le Pen und Florian Philippot mit dem Konvoi-Protest solidarisiert. „Ich schlage eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Treibstoffe vor, Macron dagegen fährt mit Panzerfahrzeugen vor“, kommentierte Le Pen.
Auch die linke „France insoumise“ unterstützt Forderungen der Protestierenden. Ihr Kandidat Jean-Luc Mélenchon erklärte: „Ich kann diese Leute nur unterstützten, die ähnliche Forderungen haben wie ich, eine Senkung der Treibstoffpreise, Kaufkrafterhöhung und ein Ende des Impfpasses.“ Der Grüne Yannick Jadot zeigte dagegen angesichts der zwei Wochen langen Blockade im kanadischen Ottawa Verständnis für die Behörden: „Der Staat kann nicht zulassen, dass Paris blockiert wird.“
Die „Freiheitskonvois“ finden auch in anderen Ländern Nachahmer. In Österreich zogen Tausende Gegner der Coronabeschränkungen am Freitag trotz eines Verbots mit einem Autokorso durch Wien. Im niederländischen Den Haag blockierten am Samstag Hunderte Personen die Innenstadt. In den USA haben Unterstützer der kanadischen Protestbewegung einen „Volkskonvoi“ in der Nähe von Los Angeles für Anfang März angekündigt.
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