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Protest gegen BraunkohletagebauKohlekampf, nächste Runde

Tausende wollen im Mai das Braunkohlerevier in der Lausitz stürmen. Es werden Wetten abgeschlossen, wer mehr AktivistInnen hinschickt.

Vielleicht gibt es bald wieder so schöne Protestbilder wie 2015 in Garzweiler. Foto: dpa

Berlin taz | Derzeit, das ist so ein kleiner Spaß in der linksradikalen Klimaszene, kokettieren auch die radikaleren Umweltschützer gern damit, dass sie doch eigentlich für Angela Merkel ins Feld ziehen. Für die Energiewende und dafür, die anspruchsvollen Klimaziele, die im Dezember beim UN-Gipfel in Paris formuliert worden sind, umzusetzen. Das ist natürlich ein Scherz, aber man muss ihnen lassen: Sie tun ja doch einiges.

Mit Dutzenden Vorbereitungstreffen quer durch Deutschland bereitet sich die linke Szene unter dem Schlachtruf „Ende Gelände“ derzeit auf groß angelegte Protestaktionen im Mai vor. Dann sollen nach den Plänen der Organisatoren im Braunkohlerevier Lausitz tausende Menschen mit verschiedenen Massenaktionen zivilen Ungehorsams den Druck auf die Kohlepolitik in der Lausitz erhöhen. Dort versucht der schwedische Energiekonzern Vattenfall derzeit, das zunehmend unattraktive Geschäft mit der Kohle abzustoßen. Die Aktivisten fordern, den Betrieb gleich ganz stillzulegen.

Dass sie dabei Andrang erhalten, scheint garantiert. Deutschland gilt auch unter Klimaaktivisten als politisch und symbolisch wichtiges Feld. Schwedische und niederländische Aktivisten liefern sich bereits eine Wette darum, wer die meisten Aktivisten organisiert. „Bezugnehmend auf die Verabredung, die angesichts zahlreicher Biere in Paris erzielte wurde, erklärt die schwedische Delegation, mindestens einen Aktivistenbus mehr in die Lausitz zu bringen als das niederländische Team“, heißt es in einer E-Mail aus dem Organisatorenkreis.

Dass die Proteste einen entsprechenden Polizeieinsatz mit sich bringen, ist vorprogrammiert. Schon die erste „Ende Gelände“-Kampagne im August 2015 im westdeutschen Tagebau Garzweiler hatte für Schlagzeilen gesorgt, auch weil die Polizei sich teils in RWE-Fahrzeugen durch den Tagebau kutschieren ließ und auch zum Transport der Festgenommenen Busse des Unternehmens einsetzte.

Erst am Wochenende hatten Aktivisten in der Lausitz ein Waldstück am Tagebau Nochten besetzt, ganz nach dem Vorbild der Waldbesetzung am nordrhein-westfälischen Tagebau Hambach, wo sich seit 2012 Aktivisten eine teils militante Auseinandersetzung mit Polizei und RWE-Bediensteten liefern.

Die geplanten Maiproteste gegen die Nutzung fossiler Energieträger sind dabei keine rein deutsche Angelegenheit. Am Mittwoch kündigte die Nichtregierungsorganisation 350.org eine „globale Aktionswelle zivilen Ungehorsams“ im Mai an. Zwei Wochen lang sollen dann, beginnend auf den Philippinen, rund um den Globus koordinierte Massenaktionen zivilen Ungehorsams stattfinden.

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9 Kommentare

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  • Go for it, people of Europe. We have stolen a march on you in Australia because we are, at this moment, fighting the expansion of the newest, most corrupt and hateful coal mine in the country. Its name is the Maules Creek Mine near Narrabri NSW and it is owned by Whitehaven Coal.

     

    They are currently bulldozing biodiverse, koala habitat remnant forest and aboriginal sacred sites in order to dig more coal for export. Some of the coal from this mine may go to Germany and I would engourage any European investors to divest immediately from this super-destructive miner, Whitehaven Coal.

     

    Have a look at this site for Frontline Action on Coal and see the work our coal fighters have already been doing in 2016. http://frontlineaction.org/news/ Together, all over the World we will make our governments protect country, culture and climate from the corruption of coal.

  • Re.: ADA

    Wegen der Notwendigkeit des Ausstiegs aus der Braunkohle habe ich keine andere Meinung als Sie (betrifft auch die übrigen „Nichterneuerbaren“). Wenn die Vorräte aufgebraucht sind, ist sowieso Schluss.

     

    Mich stört nur an vielen Klimaaktivisten, dass sie so tun, als müsse man an dem komplexen Räderwerk „Wirtschaft“ den Schalter „Braunkohle“ nur von 1 auf 0 kippen – und fertig. Für die freiwerdenden Beschäftigten fühlen sie sich nicht verantwortlich – sind sie auch nicht – aber sie beteiligen sich auch nicht an Diskussionen um die Problemlösung – und das sollten sie eigentlich!

     

    Mich würde nicht wundern, wenn andere Gruppen aus dem linken Spektrum nach gelungenem Braunkohlenausstieg ihrerseits demonstrieren: Wegen gestiegener Arbeitslosigkeit!

    • @Pfanni:

      Pfanni, ich verstehe Sie nicht. Wenn Sie ernsthaft für den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen sind, dann bräuchten Sie hier die Aktivisten nicht mit erfundenen Unterstellungen zu verfolgen. Vielleicht sagen Sie uns zur Abwechslung mal ihre Meinung, wer hier die eigentlichen Verantwortlichen sind, und was bestenfalls zu tun wäre, statt uns von ihrem diffusen Unbegahgen gegenüber "vielen Klimaaktivisten" zu erzählen?

      Dass sich "die Klimaaktivisten" nicht an einer Debatte über eine sozialverträgliche Transformation der Kohleregionen beteiligen stimmt im Übrigen schlichtweg nicht: Greanpeace hat (unter anderen) schon vor Jahren deteilierte Studien zum und eine Roadmap für den Strukturwandel vorgelegt. Und jüngst mit dem Kaufangebot noch mal gesagt, wieviel eine gerechte Transformation (dabei geht es um die von ihnen erwähnten "frei werdenen Beschäftigten"!!) kosten würde - und wer dafür zahlen sollte: Die Profiteure nämlich, also die Kohlekonzerne. Nicht die Öffentlichkeit (wie bei einer Bankenrettung oder dem Atomausstieg), worauf es ja vermutlich herauslaufen wird, falls Steag oder Mibrag das Kohlegeschäft samt Altlasten von Vattenfall übernehmen. Sie sehen, ihre "Argumente" laufen ins leere.

      Zu guter Letzt: Die Situation mit dem Klimawandel ist wirklich wirklich daramatisch. Jede/r Mensch, der möchte, kann das heute wissen. Wollen wir das schlimmste Verhindern, ist der sofortige Ausstieg aus allen fossilen - allen voran der Kohle - unvermeidlich. Sie wissen das vermutlich sehr genau. Darum mein Vorschlag an Sie und alle "Ja, aber"-Sager: Wir (als Gesellschaft) legen sofort die Fossilen still und beginnen gleichzeitig eine Dabatte darüber, wie wir das nicht nur "sozial verträglich" hinkriegen, sondern sogar ein gerechteres Gemeinwesen schaffen. Beste Grüße & man sieht sich dann auf der nächsten Klima-Demo, gell?

    • @Pfanni:

      Gegenbeispiel:

      Auf dem Lausitzer Klima- und Energiecamp 2015 gab es eine Podiumsdiskussion zum Strukturwandel in der Lausitz. Dazu hatte das Lausitzcamp den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrat von Vattenfall eingeladen. Der hat trotz größter Bemühungen von Campseite eine Teilnahme verweigert.

  • Liebe/r Pfanni es ist sicherlich nicht die Aufgabe der Klimaktivisten, sich Transofrmations-Szenarien zu überlegen. Würden die gewählten Politiker*innen ihre wichtigste Aufgabe - nämlich: Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten - ernst nehmen, bräuchte es keine solchen Aktionen. Tatsächlich haben es doch Landespolitik, Gewerkschaften (IGBCE & Ver.di) und natürlich der Konzern mit ihrem Motto „Kohleabbau für immer und ewig“ verschlafen, rechtzeitig den notwendigen Strukturwandel einzuleiten. Dass es nicht ewig weiter gehen kann mit der Braunkohle weiß man doch nicht erst seit Dezember 2015! Verantwortungsvolles handeln hätte bedeutet, bereits vor 10 Jahren eine Diskussion über eine zukunftsfähige Transformation der Braunkohle begonnen zu haben und heute gut vorbereitet den zeitnahen Ausstieg zu beschließen. Ärgern Sie sich nicht über die Überbringer dieser „Neuigkeit“ - ärgern sie sich lieber über die Poltiker*innen und Gewerschafter, die ihnen etwas vorgemacht haben. Eigentlich müssten in der Lausitz alle Menschen den Aktivisten dankbar sein! Erinnern diese „Radikalen“ doch an eine viel zu lange verdrängte, einfache Wahrheit, nämlich: dass die Kohle keine Zukunft hat. Also lieber schnell aus dem Dornröschenschlaf aufwachen, die Augen reiben und die Jahre des verpassten Strukturwandels schnellstmöglich nachholen, anstatt sich eine Minute länger auf Scheinargumenten („angereiste Aktivisten“, „Arbeitsplätze in Gefahr“) auszuruhen. Das Ende für die Kohle kommt bestimmt, die Frage ist nur ob, die Lausitz dann vorbereitet ist. Dafür verantwortlich wären die erwähnten Landesregierung, Gewerkschaften, der Konzern und nicht zuletzt die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Jetzt den Strukturwandel anpacken und den Abschied von der Kohle einleiten.

    Ach ja, und die zweite spannende Frage ist: Kommt der Kohleausstieg früher oder später - ich hoffe ja auf früher, und darum gehe ich im Mai mit in die Grube. Herzliche Grüße

  • „Bezugnehmend auf die Verabredung, die angesichts zahlreicher Biere in Paris erzielte wurde, erklärt die schwedische Delegation, mindestens einen Aktivistenbus mehr in die Lausitz zu bringen als das niederländische Team“

     

    Klar, man soll "Linke" und "Rechte" nicht in einen Topf werfen, aber es fällt doch auf, dass die Groß-Aktionen beider Seiten hauptsächlich von angereisten Aktivisten veranstaltet werden. Üblicherweise wird dabei nicht gefragt, was die Ortsansässigen von dieser "Unterstützung" halten, um die sie möglicherweise gar nicht gebeten haben.

     

    Auch der Autor des Beitrags hielt es offenbar nicht für nötig, die Bewohner mal zu fragen, wie viele "Aktivistenbusse" sie gern hätten?!

     

    Im übrigen scheint mir die die Diskussion zwischen Braunkohle-Befürwortern und -Gegnern eine Diskussion zwischen Schwerhörigen zu sein: Man posaunt den eigenen Standpunkt hinaus ("Umwelt in Gefahr", bzw. "Arbeitsplätze in Gefahr") und geht auf die Argumente der Gegenseite möglichst nicht ein. Auch der Autor erfuhr offenbar nicht, welche Pläne die die von ihm erwähnten "radikalen Klimaschützer" für die freiwerdenden Arbeitskräften haben?

    Aber um solche Nebensächlichkeiten können sich dann mal andere Leute kümmern!

    • @Pfanni:

      „Üblicherweise wird dabei nicht gefragt, was die Ortsansässigen von dieser "Unterstützung" halten, um die sie möglicherweise gar nicht gebeten haben.“

      Ich weiß nicht was bei dir unter „üblicherweise“ läuft. Und „möglicherweise“ zeigt auch nur, dass du nicht weißt, was läuft. Hauptsache mal gesagt.

       

      In diesem Fall finden seit der Idee, die Lausitz auch mit Auswärtigen zu beglücken (Klimaproblematik ist nun mal nicht regional beschränkt), Diskussionen mit Ortsansässigen über genau diese Aktion statt. Die Reaktionen reichen von „kenn ich nicht, freß ich nicht“ bis „ja kommt her, finden wir gut“. Im Laufe der Diskussion verschiebt sich das Ganze in Richtung „gut finden“. Alle bekommt man bei solch großen Bündnissen nie ins Boot.

       

      Von denen, die du als Anreisende beschreibst, können etliche zu Fuß anreisen. Die, die abgebaggert werden sollen, fragen nicht woher jemand kommt, bzw. freuen sich eher über Unterstützung / viele Aktivistenbusse. So wie bei der Menschenkette 2014.

      Dass es eine Geschichte der Zusammenarbeit von Aus- und Inwärtigen gibt, zeigt z.B. das Lausitzcamp, das nun im 6. Jahr in der Region stattfindet. Scheint dir auch entgangen zu sein.

       

      Mit dem Satz „Klar soll man Rechte und Linke nicht...“ wirfst du sie genau in einen Topf, das ist möglicherweise nur dumm.

    • @Pfanni:

      "Auch der Autor erfuhr offenbar nicht, welche Pläne die die von ihm erwähnten "radikalen Klimaschützer" für die freiwerdenden Arbeitskräften haben?

      Aber um solche Nebensächlichkeiten können sich dann mal andere Leute kümmern!"

       

      Unabhängig von der konkreten Situation ist es oft so, dass der Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland als Argument gegen alles verwendet wird. Das hier oft die Interessen von ein paar Hundert oder paar Tausend gegen die Interessen von Millionen stehen scheint belanglos.

       

      Jeder Euro, der in Subventionen gesteckt wird, um Arbeitsplätze zu retten, die oft durch Wandel bedingt einfach keine Zukunft haben, fehlt an einer anderen Stelle.

    • @Pfanni:

      Liebe/r Pfanni, es ist sicherlich nicht die Aufgabe der Klimaktivisten, sich Transformations-Szenarien zu überlegen. Würden die gewählten Politiker*innen ihre wichtigste Aufgabe - nämlich: Zukunft verantwortungsvoll zu gestalten - ernst nehmen, bräuchte es keine solche Aktionen. Tatsächlich haben doch Landespolitik, Gewerkschaften (IGBCE & Ver.di) und natürlich der Konzern mit ihrem Motto "Kohleabbau für immer und ewig" verschlafen, rechtzeitig den notwendigen Strukturwandel einzuleiten. Dass es nicht ewig weiter gehen kann mit der Braunkohle weiß man doch nicht erst seit Dezember 2015! Verantwortungsvolles handeln hätte bedeutet, bereits vor 10 Jahren eine Diskussion über eine zukunftsfähige Transformation der Braunkohleregion zu beginnen und heute den Ausstiegsplan zu verabschieden. Eigentlich müssten in der Lausitz alle den Aktivisten dankbar sein, erinnern die "Radikalen" doch an eine verdrängt Wahrheit: Dass die Kohle keine Zukunft hat. Also lieber aus dem Dornröschenschlaf aufwachen, die Augen reiben und die Jahre des verpassten Strukturwandels schnellstmöglich nachholen, anstatt sich eine Minute länger auf Scheinargumenten ("angereiste Aktivisten", "Arbeitsplätze in Gefahr") auszuruhen. Das Ende für die Kohle kommt bestimmt, die Frage ist nur, ob die Lausitz dann vorbereitet ist. Dafür verantwortlich wären die Landesregierung, die Gewerkschaften, der Konzerne und nicht zuletzt die brandebruger Bürgerinnen und Bürger.