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Prominachrufe von Promis„Ich bin komplett im Arsch“

Cohen, Lustig, Limbach, Castro, Berger: Nur einige bekannte Persönlichkeiten, die 2016 gestorben sind. Wir haben Prominente um Nachrufe gebeten.

Erika Berger (links oben), Peter Lustig (darunter), Fidel Castro (Mitte oben), Jutta Limbach (Mitte unten) und natürlich Leonard Cohen Foto: reuters/ap/ZDF

Thees Uhlmann über Leonard Cohen

Ich durfte kurz vor der Millenniumswende Tocotronic einen Sommer und einen Winter als Backliner und Fahrer begleiten. Es war mit die schönste Zeit meines Lebens. Jeder Tag war ein Abenteuer, an dem immer genau dasselbe passierte. Ich kutschierte meine Lieblingsband irgendwohin, baute für sie auf, schaute mir von der Seite das Konzert an, zweimal riss eine Saite, die ich dann flickte, nach dem Konzert packte ich zusammen und fuhr alle ins Hotel, dann gab es noch was zu trinken, drei Stunden Schlaf und weiter.

Wir hatten damals Mixtapes – die Älteren mögen sich erinnern – gemacht, und kurz bevor wir schon im Dunklen bei Rock am Ring ankamen und mit einem alten, schweren Mercedesbus die Serpentinen bewältigten, lief ein Tape von Dirk von Lowtzow, und er sang Cohens Song „Avalanche“ mit seiner tiefen und schönen Stimme mit.

Am Montag nach dem Festival ging ich zu Zweitausendeins – dort kaufte man damals die Classic-CDs, wenn man nicht soviel Geld hatte –, nur um wieder diesen Song zu hören. Und ich dachte: Cool, ein Song über das Buch, das mein Bruder mal gelesen hat! „Die Nebel von Avalon“.

taz.am wochenende

Genscher. Westerwelle. Scheel. Drei ehemalige FDP-Außenminister sind 2016 gestorben. Ein vierter, Klaus Kinkel, redet über den Tod und seine Partei. Das Gespräch lesen Sie in der taz.am Wochenende vom 31. Dezember, in der wir auf die Toten des Jahres zurückblicken, darunter Zaha Hadid, Jutta Limbach, Muhammed Ali und Fidel Castro. Außerdem: ein Comic erzählt die Geschichte von Mohamad Waseem Maaz, der in Aleppo als Kinderarzt Leben rettete. Und: Schon über 16 Jahre arbeitet David Brighton als David-Bowie-Double. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Es sind die Fehler, die die Liebe erst richtig schön machen.

So, ich muss jetzt zum Feine-Sahne-Fischfilet-Konzert und habe beim Schreiben die ganze Zeit Leonard Cohen gehört. Ich bin komplett im Arsch. Wie traurig das ist, dass er nicht mehr singt, aber für uns vielleicht sein wichtigster Satz: „We are ugly but we have the music.“

Thees Uhlmann, 42, ist Musiker und Autor

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Lilo Wanders über Erika Berger

So viele berühmte Tote dieses Jahr 2016. Besonders berührt hat mich, dass meine Freundin Erika Berger im Mai überraschend starb. In meinem Beruf als Schaustellerin, Kabarettistin, Moderatorin gibt es engere Freundschaften, als die Berichterstattung in den bunten Medien ahnen lässt. In der Garderobe vor gemeinsamen Auftritten, beim Zusammensein während einer Aufführungsserie, beim zufälligen Aufeinandertreffen bei gesellschaftlichen Anlässen – wir vom unterhaltenden Volke sitzen in einem Boot, sprechen unsere eigene Sprache und reden untereinander oft tiefgründiger über intimste Angelegenheiten als mit den engsten Lebensbegleitern. Das wirkt von außen gesehen flüchtig, ist aber oft sehr intensiv und der Gesprächsfaden wird beim nächsten Treffen wieder aufgenommen.

So ging es mir mit Erika seit der ersten Begegnung. Ich hatte im Sommer 1994 die Moderation von „Wa(h)re Liebe“ übernommen und wir waren im Winter 94/95 gemeinsam zu Gast in einer Spiegel-TV-Sendung, die – lasst mich raten – um Sexualität kreiste. In den 60er Jahren hatte Oswalt Kolle die Deutschen über das Basiswissen zum Thema Liebe, Sex, Erotik informiert, in den 80ern wurde Erika Berger bei RTL berühmt durch ihre Call-in-Sendung „Eine Chance für die Liebe“ und in den 90ern gab es die Magazine „Liebe Sünde“, „Peep“ und eben „Wa(h)re Liebe“, die als Unterhaltungsformate viel Information und Aufklärung lieferten.

Bei unserem ersten Treffen im Studio hatte die Maskenbildnerin versäumt, Erikas Ohren zu schminken; draußen war es kalt, im Studio war es warm, und so fingen ihre Ohren nach kurzer Zeit an, knallrot zu leuchten. Unser Lachen darüber war der erste echte Kontakt. Wie überhaupt ihr Lachen das ist, was mir in Erinnerung bleiben wird. Ein Zeichen großer Lebensfreude – obwohl sie, sie mag mir verzeihen, dass ich es sage, keinen Sinn für hintergründigen Humor hatte.

Ein paar Mal war sie in den folgenden Jahren Gast bei mir in der Sendung, und hinterher saßen wir bis spät in die Nacht zusammen. Sie erzählte von der AIDS-Infektion eines nahen Verwandten; sie erzählte, dass sie in ihrer Jugend lange geglaubt hatte, ein Mädchen werde durch einen Kuss schwanger; sie erzählte, dass es ihr nach der repressiven Erziehung im tiefsten Bayern lange Zeit nur möglich gewesen war, sich schriftlich mit Sexualität zu beschäftigen – darüber schreiben ja, darüber sprechen: nein. Wir haben uns viel anvertraut; sie wusste alles über mich und ich über sie, und wir telefonierten oft.

Jahre später schrieben wir gemeinsam ein sehr mainstreamiges Büchlein unter dem Titel „Deutsch – Sex / Sex – Deutsch“ und schickten uns unsere Kapitel zum Drüberschauen per Mail. Bei den Treffen zum Buch und später bei der Lesereise wurden wir enge Freundinnen.

Erika Berger war eine lebensfrohe Frau. Reingeschlittert mit 20 in eine frühe Ehe, Mutter zweier Kinder, wagte sie es, aus der einengenden Beziehung auszubrechen, ließ dabei ihre Kinder zurück, traf ihren zweiten Mann Richard Mahkorn und wurde Journalistin.

Nach dem überraschenden Tod ihres Mannes 2007 übernahm sie seine Firma, die unter anderem für die Ausrichtung des Deutschen Fernsehpreises zuständig war. Sie wurde auch hinter den Kulissen als Geschäftsfrau erfolgreich.

Und sie fand einen neuen, 20 Jahre jüngeren Lebensgefährten, mit dem sie sehr glücklich war. Sie kannte sich aus mit allem, was das Leben lebenswert macht – mit Sex, gutem Essen, herausragenden Weinen. Sie tat viel dafür, trotz fortschreitender Jahre, agil zu bleiben. Fitness-Studio, Körperpflege, Nahrungsergänzungsmittel und Hormone, sie probierte es aus, aber sie war sich auch bewusst, damit vielleicht ein überraschendes Ende herbeizuführen. Es war ihr egal – sie genoss das Leben und jeden Augenblick. Ich habe Erika Berger sehr geliebt.

Lilo Wanders, 61, Schauspielerin und Travestiekünstler, moderierte die Sendung „Wa(h)re Liebe“ auf Vox

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Ralph Caspers über Peter Lustig

Peter Lustig habe ich nur ein einziges Mal in meinen Leben getroffen. Trotzdem kam er mir wie ein Verwandter oder alter Bekannter vor: Sein Gesicht und seine Art zu reden waren mir so vertraut, als hätten sie mich mein ganzes Leben lang begleitet.

So war es ja auch.

Mein Babysitter war der Fernseher. Ich konnte meine ganze Kindheit lang gucken, was ich wollte. Und ich wollte vor allem „Löwenzahn“ sehen. Ich wollte sein, wie die kleine grüne Blume im Vorspann, die zum Klang der Gitarre den Asphalt aufbricht. (Ich weiß nicht, warum, aber ich mache ganz automatisch eine Faust, während ich das tippe. Was das Tjppkllmnkekn njfht lrichter mmascht.)

Als ich Peter Lustig in Kleinmachnow am Set von „Löwenzahn“ nach den Dreharbeiten besuchte, hatte ich schon lange keine Sendungen mehr von ihm gesehen. Frühkindliche Prägung sei Dank fühlte ich mich in dem Bauwagen trotzdem sofort zu Hause. Er rauchte Zigarette und war bereit für ein Interview zum Thema „Macht Fernsehen dumm?“. Die meisten Fragen auf meinem Zettel hatte ich vergessen zu stellen, weil es so schön war, ihm zuzuhören, wenn er mir Sachen erzählte, so wie er es immer getan hatte. Im Fernsehen. Mit seiner Art, immer sanft, immer irgendwie leicht außer Atem. Dabei erfuhr ich zum Beispiel, dass er Lungenkrebs hatte und mit nur noch einem Lungenflügel auskommen musste. Deshalb die Stimme!

„Ist es dann nicht blöd, weiter zu rauchen?“, wollte ich wissen. Er lächelte und sagte: „Lungenkrebs kriegt man nur einmal.“ Was für mich so klang wie „beim zweiten Mal bist du tot“. Das war vor ungefähr 15 Jahren. Und wie war das mit der Dummheit und dem Fernsehen? Seine Antwort war: „Das Fernsehen macht dumme Menschen dümmer. Und kluge Menschen klüger.“

Ich glaube, ich hatte den besten Babysitter.

Ralph Caspers, 44, moderiert „Die Sendung mit der Maus“

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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über Jutta Limbach

Im Jahre 1992 bin ich auf der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder Jutta Limbach zum ersten Mal begegnet. Sie, die damals schon erfahrene Justizsenatorin Berlins, war es, die mir als Konferenz-Novizin und frisch ernannte Bundesministerin der Justiz mit ihrer juristisch-fachlichen Kompetenz und ihrer wohlmeinenden Offenheit den Start erleichterte und mir über die Skepsis meiner Amtskollegen hinwegzuhelfen suchte. Seit dieser Begegnung hat mich meine Gewissheit nicht mehr verlassen, in Jutta Limbach einen in vielen Hinsichten außergewöhnlichen, vor allem vertrauenswürdigen Menschen kennengelernt zu haben.

Jutta Limbach war eine herausragende Juristin, der man anmerkte, dass sie sich nicht nur mit den rechtsdogmatischen und handwerklichen, sondern auch mit den philosophischen Voraussetzungen ihres Faches intensiv beschäftigt hatte. Sie verstand es, mit ihrer fast immer druckreifen Sprache die ihre Reden prägenden Gedanken und sie begründenden Argumente verstehbar und deshalb überzeugend zu machen. Sie könne, so ein früherer Gerichtskollege Jutta Limbachs, ohne „Überlegenheitsgestus Autorität vermitteln“.

Zu dieser Fähigkeit mag ihr Wissen um die Relativität von Standpunkten, ihre intellektuelle Redlichkeit und Bescheidenheit beigetragen haben. Denn für sie war es selbstverständlich, dass man enorm lernbereit sein muss, wenn man unter lauter eggheads bestehen will. Man muss eine Haltung haben und wissen, dass es die Vernunft auch mal auf der anderen Seite geben kann.

Und doch konnte die freundliche und in ihrer Gestik stets zurückhaltende und kontrolliert wirkende Jutta Limbach auch zornig sein. Im Gegensatz zur Wut, der blinden Wut mit ihrer zerstörerischen Wirkung, sei gerechter Zorn motivierend und kraftspendend und habe ein Ziel vor Augen.

Innerer Friede und gerechter Zorn, das ist für Jutta Limbach kein Widerspruch, sondern bedingt sich. So lange man bei Ungerechtigkeit schweige, könne sich auch kein innerer Frieden einstellen. Innerer Frieden sei nicht gleichbedeutend mit Passivität, sondern erfordere oft ein hohes Maß an Aktivität

Die Erfahrungen mit autoritären und totalitären Regimen haben uns gelehrt, dass Menschenrechte, selbst wenn sie die Gestalt von verbrieften Verfassungsrechten angenommen haben, stets gefährdet sind. Wer die Welt im Geiste der Menschenrechte verändern will, muss tiefer träumen und wacher handeln.

Wir werden schwerlich die Menschen anderer Zivilisationen von der verpflichtenden Kraft der Menschenrechte überzeugen können, wenn wir diesen nicht im eigenen Lande gegenüber jedermann Respekt zu verschaffen vermögen.

Diese Warnung Jutta Limbachs ist von höchster Aktualität.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, 65, FDP-Politikerin und eheamlige Bundesjustizministerin

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Jean-Paul Sartre über Fidel Castro

Castro hat mir einmal gesagt, dass er Revolutionär aus Berufung sei, und als ich ihn fragte, was er darunter verstehe, sagte er: „Weil ich die Ungerechtigkeit nicht ertragen kann.“ Er gab mir Beispiele, die er aus seiner Kindheit und aus seiner Jugend schöpfte. (…) Was mir an dieser Antwort gefiel, war, dass dieser Mann, der sich für ein ganzes Volk geschlagen hatte (…), mich zunächst mit seiner persönlichen Empörung, mit seinem privaten Leben bekannt machte. Er habe sich nie etwas gefallen lassen, sagte er mir. Er habe Streich um Streich zurückgegeben, und zwar so, dass man ihn beinahe von der Schule gejagt hatte.

Ich stellte ihn mir mit 15 Jahren vor, ein kleiner Streithans, ein kleiner Rowdy, unbezähmbar und sicher verloren. Dieser Sohn eines Zuckerrohrfarmers, Internatsschüler in Santiago, verbrachte seine Ferien auf „Manacas“, dem Besitz seines Vaters. (…) Fidel hoffte damals, durch die Wissenschaft aus der Verlegenheit zu entrinnen. Sie sollte ihm ihre Fackeln leihen. (…) Dann würde er das Vipernnest in seinem Innern ausrotten können, die dunkle Gewalttätigkeit, an der er erstickte. Er zog nach Havanna, er studierte und wurde enttäuscht. Er lernte, dass Worte leer sind. Die Professoren redeten vor jungen Leuten, die sich um die Zukunft sorgten. Aber sie sagten in Wirklichkeit nichts. (…)

Damals, so scheint mir, war es, dass er seinen tiefsten Gedanken, die unleugbare Quelle all seiner späteren Taten, aussprach: Wie wichtig auch die objektiven Verhältnisse des Lebens sein mögen – die Übel, von denen die Menschen heimgesucht werden, kommen von nirgendwo anders her als von anderen Menschen.

Jean-Paul Sartre, französischer, 1980 verstorbener Philosoph, reiste 1960 mit seiner Lebensgefährtin Simone de Beauvoir durch Kuba. Sie fuhren dort mit Fidel Castro durchs Land

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