Projekte gegen Linksextremismus: Schwarz-Gelb macht mobil
Nach den Zahlen zur Zunahme von Gewalt schichtet die Bundesregierung Gelder um. Im Sommer starten erstmals Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus.
BERLIN taz | Einen Tag, nachdem das Innenministerium Zahlen zur Zunahme der Gewalt in der linken Szene veröffentlicht hat, konkretisiert die Regierung ihre Pläne im Kampf gegen Linksextremismus und Islamismus. In zwei Schritten sollen sich bis Ende Juni zunächst Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen zusammensetzen und danach Gespräche mit Wissenschaftlern und Praxisvertretern geführt werden, sagte ein Sprecher von Bundesjugendministerin Kristina Schröder (CDU) der taz. "Danach werden wir mit ersten Forschungs- und Modellprojekten im Bereich Islamismus und Linksextremismus starten."
Im Haushalt für das Jahr 2010 sind erstmals 2 Millionen Euro für Projekte gegen Linksextremismus und Islamismus eingeplant. Unangetastet blieben bisher die Mittel im Kampf gegen Rechtsextremismus, 24 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Kritiker werfen Schröder vor, mit ihrer Kampfansage an alle Formen des Extremismus die braune Gefahr zu verharmlosen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kündigte am Mittwoch ebenfalls an, härter gegen linke Gewalttäter vorgehen zu wollen und hat dabei vor allem die Autobrandstifter im Visier. "In der autonomen Szene wird allein die Anschaffung eines großen Autos als derartige Provokation gesehen, dass man sich über die Autobrände nicht wundern dürfe", sagte er der Welt. Man könne aber keine "No-go-Areas" zulassen. Am Tag zuvor hatte sein Ministerium Statistiken vorgelegt, wonach die Zahl der politisch motivierten Straftaten im Jahr 2009 auf den Höchststand von rund 34.000 gestiegen ist. Im linken Spektrum lag die Zahl um 40 Prozent höher als im Vorjahr, zwei Drittel aller politisch motivierten Straftaten geht allerdings auf das Konto der Rechtsextremisten. Im Haushalt des Innenministeriums hat es bereits eine Umschichtung von Mitteln gegeben: 6 Millionen Euro, die ursprünglich für Projekte gegen Rechtsextremismus in Ostdeutschland gedacht waren, dienen nun der "Auseinandersetzung mit allen Formen des Extremismus" (s. Kasten "Mehr zum Thema"). Die Konzepte würden zurzeit ausgearbeitet und innerhalb der Regierung abgestimmt, sagte ein Sprecher des Innenministeriums der taz. Danach werde es eine "Abstimmung mit erforderlichen Partnern auf Länder- und kommunaler Ebene sowie der Zivilgesellschaft" geben.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU) hat unterdessen die Linkspartei scharf attackiert und eine so alte wie zynische Debatte über die Zahl der Opfer rechter Gewalt angestoßen. Die linksextremistische Gewaltbereitschaft reiche "bis in die Linkspartei hinein", sagte Uhl der Leipziger Volkszeitung. Gleichzeitig übertreibe die Partei das Rechtsextremismusproblem und betreibe "eine regelrechte Propaganda-Maschinerie, um im Wochentakt auf angebliche rechtsextreme Straftaten hinzuweisen". So habe der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte von 149 Todesopfern durch Rechte seit 1990 gesprochen, was Uhl eine "Falschmeldung" nennt.
Die Bundesregierung geht von 47 Todesopfern rechter Gewalt seit der Wende aus. Kortes Zahl stammt aus einer Zusammenstellung der Amadeu Antonio Stiftung. Die wird allerdings in zumindest einem Fall auch von anderen unabhängigen Opferinitiativen kritisiert, jedoch nicht in ihrer groben Größenordnung. Die Organisation "Opferperspektive" geht von "mindestens 120 Todesopfern" rechter Gewalt seit der Wende aus. Dazu kämen noch einige Fälle, die in einer Grauzone lägen. Dies deckt sich in etwa auch mit Medienrecherchen.
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