Programmkinos kämpfen um Existenz: Lichte Momente
Trotz Corona gibt es Neu- und Wiedereröffnungen: das Klick im Juni, das Sinema Transtopia im September, wohl im Oktober das Intimes in Friedrichshain.
Drei Kinos in Zeiten verschärfter Hygieneauflagen und dramatischer Umsatzeinbußen: Das ist ein tolles Zeichen, da ist man sich auf Seiten der Berliner Kinobetreiber einig. Denn eigentlich geht es den Programmkinos maximal „den Umständen entsprechend“. Als sie Anfang Juli wiedereröffnen durften, brach gerade der Sommer an – da sehen die meisten Hauptstädter, wenn überhaupt, nur noch im Freiluftkino Filme.
Nun, da das Wetter wieder schlecht genug ist für Kino drinnen, gehen auch die Coronazahlen nach oben. Die Kinos können wegen der Abstandsregeln nur 20 bis 30 Prozent der Sitzplätze belegen – und haben nach ersten Soforthilfepaketen von Bund und Land schon länger keine Unterstützung mehr erhalten. „Die meisten Kinos verkaufen derzeit etwa die Hälfte der Tickets im Vergleich zum vorigen Herbst“, sagt der Kinobeauftragte des Medienboards Berlin Brandenburg, Christian Berg. „Das ist auf Dauer eine existenzielle Bedrohung.“
Zum Hintergrund: Anders als in anderen Regionen ist Berlin ein Eldorado für kleine unabhängige Programmkinos, in den letzten zehn Jahren hat sich ihre Anzahl von um die 50 auf über 100 verdoppelt – und das, obwohl 2018 und 2019 auch ohne Corona miserable Kinojahre waren.
Kino als Event und Gesprächsangebot
Das Geheimrezept lautet: Kino als Event und Gesprächsangebot, sei es in Form zahlreicher Publikumsgespräche, angeschlossener Kneipe oder guter Verankerung im Kiez etwa dank steter Anwesenheit der Betreiber als Intendanten, Kuratoren oder einfach nur Ansprechpartner.
Netflix und Co konnten auf diese Weise eher den großen Kinos Konkurrenz machen, weshalb zuletzt in Berlin auch nur große pleitegingen: Imax und Cinestar am Potsdamer Platz Ende letzten Jahres, das Colosseum in der Schönhauser Allee in diesem Sommer – wohl weniger wegen Corona als deshalb, weil es sich weder in Sachen Programm noch Atmosphäre allzu sehr von den Multiplex-Kinos unterschied. Wie viele andere Kulturschaffende in dieser Stadt sind die Betreiber der kleinen Kinos dagegen eher von Idealismus als von finanziellen Aussichten getrieben. Sie sind zäh und flexibel. Oft kalkulieren sie nur mit durchschnittlich einem Drittel Auslastung, können überhaupt nur durch den Kneipenbetrieb nebenan überleben.
So bitter es für sie ist, nun auch bei jenen Filmen Leute nach Hause zu schicken, die sonst auch mal für volle Säle sorgen: Die Laune scheint gedämpft, aber trotzdem optimistisch.
Etwa bei den Betreibern des Kinos Moviemento in Kreuzberg, das in einem Haus der Deutsche Wohnen residiert. Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass der Immobilienriese verkaufen will und die Betreiber versuchen, ihre Räume selbst zu kaufen. Auch wenn noch nichts in trockenen Tüchern ist: „Wir sind inzwischen im gutem Kontakt, die Deutsche Wohnen möchte nun ebenfalls das Kino erhalten“, so Geschäftsführerin Iris Praefke. Die Unterstützung der Stammgäste sei „riesig. Am Tag der Wiedereröffnung nach dem Shutdown sind einige regelrecht jubelnd die Treppe hochgestürmt“, sagt Praefke.
Im Vergleich zur Party ein sicherer Ort
Ähnliches berichtet auch der Geschäftsführer der Yorck-Kinos, Christian Bräuer. Die Gruppe betreibt 15 Kinos in der Stadt, und auch sie kann momentan im Schnitt nur jeden vierten Sitzplatz belegen. Bräuer sagt, man komme derzeit etwa auf die Hälfte der Umsätze vom letzten Herbst – es werde ein harter Winter. Doch man sei sich der Treue der Berliner Stammgäste sicher und habe nicht den Eindruck, dass diese sich von der Bitte um Onlinereservierung schrecken ließen.
„Das Vertrauen ist da“, bestätigt auch Christian Berg vom Medienboard. Bis jetzt sei weltweit noch kein Fall bekannt, wo sich ein Zuschauer im Kino mit Corona angesteckt hat. Im Vergleich zur Party ist das Kino ein sicherer Ort.
Vielleicht ist auch das einer der Gründe, warum sich die neuen Betreiber des Traditionskinos Intimes in der Boxhagener Straße so sehr auf die Eröffnung freuen und darauf, dass es nach zwei verschobenen Terminen nun tatsächlich losgehen wird.
Nun das vierte Programmkino in Friedrichshain
„Ich finde es wirklich erstaunlich, dass immer noch keine Unruhe in der Nachbarschaft aufkommt, die Leute sich einfach so immer weiter freuen und die Nase an der verschlossenen Tür plattdrücken“, sagt Stefan Käding, der mit seinen Mitstreitern nach den Tilsiter Lichtspielen, dem Kino Zukunft am Ostkreuz und dem Freiluftkino Pompeji nun das vierte Programmkino in Friedrichshain an den Start bringt – und zwar auch mithilfe der ältesten Mietergenossenschaft im Ostteil der Stadt, der Selbstbau e. G., der das Haus gehört und der Erhalt des Kinos wichtig ist.
Auch Käding macht sich natürlich Sorgen, denn an allen anderen Orten hat man sich eher auf das Konzept Kino mit Kneipe eingeschwungen – das heißt, es muss nicht mehr nur mit Hygiene und Abstand gerungen werden, sondern aktuell auch noch mit der neuen Sperrstunde. Auch, dass es zur Eröffnung keine richtige Party geben wird, macht Käding zu schaffen. Wenn jetzt keine Hilfe mehr käme, würde man das Jahr 2021 wahrscheinlich nicht überstehen, sagt er.
Aber dann spricht der passionierte Kinomacher doch lieber über die berühmten Leuchtbuchstaben des Intimes, deren Neonröhren man neu befüllen ließ. Über den neuen kleinen Saal, der in früheren Lagerräumen entstanden ist. Und über die Farbe des alten großen Saals, über die man lange nachgedacht habe und die an dieser Stelle natürlich noch nicht verraten werden darf.
„Wir sind aufgeregt“, sagt Käding. „Und wir werden uns diese Aufregung nicht verderben lassen.“
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