Berliner Kinopleite: Kolossaler Kampf

Weiter Streit ums Kino Colosseum: Senat soll Kauf der Immobilie prüfen, ehemalige Mitarbeiter wollen es als Kino wiedereröffnen.

Freunde und Beschäftigte des Berliner Kinos Colosseum demonstrieren für den Erhalt ihres Kinos Foto: dpa

Der Streit ums Kino Colosseum in Prenzlauer Berg, dessen Besitzer im Mai Insolvenz angemeldet hat, geht in die zweite Runde. Bereits im November machte der Bezirksbürgermeister von Pankow, Sören Benn (Linke), bekannt, dass er den Senat schon Anfang Oktober gebeten hat, einen Kauf des Kinos zu prüfen.

Es ginge darum, „ob und unter welchen Voraussetzungen das grundsätzlich infrage kommt beziehungsweise die grundsätzliche Bereitschaft besteht, diese Option zu ziehen, sollte sie sich ergeben“. Doch laut Benn hat sich bislang wenig bewegt. Man müsse nun abwarten, das Ergebnis werde „aus guten Gründen eher nicht öffentlich verhandelt“, sagte Benn zur taz.

Das Colosseum, dessen Pforten seit dem ersten Corona-Shutdown im Frühjahr 2020 geschlossen sind, war eines der ältesten Kinos der Stadt. Es wurde 1924 eröffnet und 1957 als Premierenkino der DDR wiedereröffnet.

Nach seiner Sanierung kamen neben dem historischen, denkmalgeschützten Kinosaal neun moderne Säle mit insgesamt 2.800 Plätzen hinzu. Es gehört der Erbengemeinschaft des Kino-Mäzens Artur Brauner. Im Frühjahr meldete diese Insolvenz für die Kino-Betreibergesellschaft an und stellte den Filmbetrieb ein.

Das Kino sei nicht mehr wirtschaftlich

Als Artur Brauners Sohn Sammy im Frühjahr den Medien mitteilte, der Betrieb des Kinos sei nicht mehr wirtschaftlich, reagierten die wenigsten überrascht. Anstatt wie die erfolgreichen Programmkinos in Berlin mit Premieren, Originalversionen oder Filmreihen und -gesprächen zu locken, versuchte das Colosseum mit mehr oder weniger Elan, es den ohnehin vom Aussterben bedrohten Multiplexen gleichzutun.

Den Zuschauern bot man überteuertes Popcorn und Cola aus Eimern – und größtenteils Filme, wie sie dank Internet auch auf dem heimischen Sofa zu sehen sind. Trotz guter Lage in Prenzlauer Berg mit U- und S-Bahn-Anbindung war das Kino völlig heruntergewirtschaftet, so sind sich Kinofans in dieser Stadt einig.

Am meisten leitten unter diesem traurigen Zustand des Colosseums und der darauf folgenden Schließung die 45 ehemaligen Angestellten. Ihnen wurde nie offiziell gekündigt, sagt ihr Sprecher, Michel Rieck, aber seit dem Frühjahr hätten sie weder Gehälter noch Insolvenzgeld gesehen.

Rieck und seine Mitstreiter gaben sich von Anfang an kämpferisch. Zunächst protestierten sie jeden Donnerstag vorm geschlossenen Kino, das sie nicht einmal mehr betreten dürfen, das sie aber sehr gern weiter betreiben möchten. Auf change.org haben sie eine Petition für den Erhalt des Kinos gestartet, die inzwischen knapp 11.000 Menschen unterschrieben haben.

Die Pläne der Besitzer sind unklar

Am 15. Oktober eröffneten sie eine Ausstellung an der Gethsemanekirche und präsentierten am Zaun eine Geschichte des Kinos und eine Auswahl der Kommentare von Freunden des Colosseums. Bis heute treffen sie sich jeden Donnerstag – teils wegen der aktuellen Einschränkungen nur auf Skype.

Hintergrund ihrer Empörung ist nicht nur, wie sie behandelt wurden, sondern auch, was hinter der Insolvenz des Colosseums stecken könnte. Die Brauners bestreiten, dass sie Pläne mit dem riesigen Gebäude haben. Befremdlich ist allerdings, dass schon seit Anfang 2019 Pläne für die Umgestaltung des Areals in Prenzlauer Berg zu einem Bürokomplex existieren.

Ein entsprechender Bauvorbescheid wurde durch das Bezirksamt bereits ausgestellt, und zwar einem Hamburger Unternehmen, bei dem es sich offenbar um Values Real Estate, ehemals DC Values, handelt. Hauptgesellschafter ist laut Website die bekannte Hamburger Unternehmerfamilie Jahr. Offenbar wollen die Erben das Grundstück weiterverkaufen, im Bezirksamt geht man von einem Wert im zweistelligen Millionenbereich aus.

Durch die Idee von Bezirksbürgermeister Benn, die Stadt könnte das Kino kaufen, hoffen Michel Rieck und seine Mitstreiter nun, dass wieder Bewegung in die Geschichte kommen könnte. Ihr oberstes Ziel war von Anfang an, das Kino nach eigenen Vorstellungen betreiben und ein anspruchsvolles Programm anbieten zu können – und sich mit solch „extravaganten Wünschen“ nicht mehr die Zähne an einem Besitzer auszubeißen, der sich offenbar schon lang vom Colosseum verabschiedet hat. Sie hoffen, Benns Schritt sei ein Zeichen dafür, dass der Familie Brauner ein potenzieller Käufer abgesprungen ist. Doch dazu sagt Sören Benn, er habe bislang keine ermutigenden Signale vom Eigentümer vernommen.

Die Hoffnung auf kulturelle Nutzung

Die ehemaligen Mitarbeiter hoffen ebenfalls, dass es in den modernen Kinosälen nicht mit Büros, sondern mit kultureller Nutzung weitergeht – und dass im Saal ein kommunales Kino entstehen könnte, bei dem sie irgendwie mitzumischen in der Lage wären. Eigentlich ist das gar keine so schlechte Idee, herrscht doch in kommunalen Kinos oft weniger Druck als in kommerziellen, geht es doch stattdessen oft ums Wiedersehen und Entdecken vergessener, unabhängiger und experimenteller Filme, womit das Colosseum viele Menschen im Kiez und darüber hinaus interessieren könnte.

Kenner der Berliner Kinolandschaft bezweifeln allerdings, dass diese Idee Wirklichkeit werden könnte: Denn das einzige kommunale Kino in dieser Stadt ist das Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz. Zwischen Stadt und Kino ist das Verhältnis aber zerrüttet, daher scheint es unwahrscheinlich, dass die Stadt einen zweiten Versuch in diese Richtung riskieren möchte.

Doch all das schreckt Rieck und seine Leute wenig. Aus einer Pressemitteilung der Mitarbeiterinnen geht hervor, dass der Interessensausgleich zwischen Kino und Angestellten gescheitert sei. Die Mitarbeiterinnen hatten Zweifel daran geäußert, ob überhaupt ein Interessenausgleich verhandelt werden könne, da womöglich ein Betriebsübergang stattgefunden habe. Der Leiter des Theaters, vormals bei der Kino Colosseum BetriebsgmbH beschäftigt, sei mittlerweile für die Verpächterin tätig, die Artur & Theresa & Sammy Brauner GbR.

„Es ist alles noch da, von der Popcornmaschine bis zum Projektor“, sagt Rieck zur taz. „Wir könnten an dem Tag das Kino wiedereröffnen, an dem der Senat den Teil-Lockdown für beendet erklärt.“

Auch wenn das ziemlich unwahrscheinlich ist und der Kampf ums Colosseum gerade erst begonnen hat: Nachbarn und Kinofans aus dem Norden Pankows würde das sicher sehr freuen.

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