Programm „Demokratie leben“: Fördermittel werden nicht erhöht
Viele Demokratieprojekte stehen vor dem Aus. Und der Bundestag beschließt: Mehr Mittel gibt es nicht.
![Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, gibt eine Pressekonferenz. Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, gibt eine Pressekonferenz.](https://taz.de/picture/3798451/14/23786570.jpeg)
In der Bereinigungssitzung wurde der finale Haushaltsentwurf für das Jahr 2020 festgelegt. Formell beschlossen wird der Haushalt Ende November. Das Bundesprogramm „Demokratie leben“ war dabei ein Posten unter vielen.
Um das Programm, angesiedelt beim Bundesfamilienministerium, hatte es zuletzt Aufregung gegeben. Mehr als 120 zivilgesellschaftliche Initiativen – darunter die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Arbeiterwohlfahrt, die Diakonie oder Flüchtlingsräte – hatten in einem Protestschreiben kritisiert, dass eine Vielzahl an Modellprojekten in der Demokratiearbeit künftig nicht mehr gefördert werde. In Zeiten des Rechtsrucks sei dies „falsch und der Situation nicht angemessen“.
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatten sich darauf bereits zuletzt geeinigt, eine geplante Kürzung von 8 Millionen Euro für „Demokratie leben“ zurückzunehmen. Es sollte bei dem bisherigen Budget von 115,5 Millionen Euro bleiben. Dies beschlossen nun auch Union und SPD im Haushaltsausschuss des Bundestags.
Initiativen forderten Erhöhung
Die zivilgesellschaftlichen Initiativen hatten hingegen eine deutliche Erhöhung des Etats gefordert: auf 200 Millionen Euro. Dem folgten Union und SPD nicht. „Das ist mit den bestehenden Mehrheiten nicht machbar“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Sönke Rix. Auch ein von Grünen und Linken eingebrachter Antrag, die zurückgenommene Kürzung von 8 Millionen Euro nun ausschließlich den Modellprojekten zukommen zu lassen, wurde abgelehnt.
„Demokratie leben“ fördert neben den Modellprojekten auch Demokratiearbeit in den Kommunen, auf Landes- und auf Bundesebene. Giffeys Ministerium hatte das Programm zuletzt umgebaut und die Gelder hin zu diesen staatlichen Trägern verschoben.
Timo Reinfrank (Amadeu-Antonio-Stiftung)
Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung, nannte den Haushaltsbeschluss eine „sehr enttäuschende Nachricht“. Viele Träger hätten auf den Bundestagsausschuss gehofft, „auf diese letzte Chance“, um doch noch eine Förderung zu erhalten. „Die fehlenden Mittel reißen nun ein großes Loch in die Präventionsarbeit, die Projektlandschaft blutet aus“, kritisiert Reinfrank. „Mit dieser Entscheidung geht viel Erfahrung und Wissen verloren, was uns allen noch in Jahren auf die Füße fallen wird.“
Reinfrank sagte, dass nun MitarbeiterInnen der Projekte ihre Büros ausräumen und sich aus ihren aufgebauten Netzwerken verabschieden würden. Auch die Amadeu-Antonio-Stiftung müsse ein Projekt gegen Antisemitismus in Niedersachsen beenden. Einzig die Bundesländer könnten nun noch Projekte über Landesmittel auffangen.
Auch Judith Porath von der Brandenburger Opferperspektive kritisierte den Haushaltsbeschluss. „Damit ist der Kahlschlag in den Netzwerken vieler wichtiger und kompetenter Modellprojekte Tatsache. Das ist für unsere Demokratie eine sehr schlechte Nachricht.“ Auch die Opferperspektive muss ein Anti-Diskriminierungsprojekt aufgeben und versucht dieses nun mit Spenden zu retten.
Der Linken-Haushaltspolitiker Michael Leutert übte ebenfalls Kritik. „Dass es für ‚Demokratie leben‘ keinen einzigen Euro mehr gibt, ist ein fatales Signal. In diesen Zeiten Demokratie-Projekte zu gefährden, ist nicht zu verstehen.“
SPD-Mann Sönke Rix begrüßte dagegen, dass zumindest die geplante Kürzung von „Demokratie leben“ zurückgenommen wurde. Zudem solle ein „Innovationsfonds“ angelegt werden, mit dem man „vielleicht noch etwas glätten kann“. Rix plädiert nun wie Giffey für ein grundsätzliches Umsteuern: mit einem Demokratiefördergesetz, über das Projekte auch langfristig gefördert werden können.
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