Problemzone Görlitzer Park: Reflex-Beller haben nichts verstanden
Ein rosafarbener Vorschlag zur Dealer-Ordnung im Görlitzer Park sorgt erwartungsgemäß für mediale Aufregung. Ein Wochenkommentar.
Der Görlitzer Park ist mal wieder in aller Munde. Eine „Kapitulation des Rechtsstaates“ wittert die Bundesdrogenbeauftragte von der CSU, Marlene Mortler. Auch der Vorsitzende der Berliner CDU-Fraktion, Burkard Dregger, mutmaßt, dass die Anwendung geltenden Rechts „offenbar in Friedrichshain-Kreuzberg eine Ausnahme“ ist. So und ähnlich schallte es diese Woche aus vielen Mündern. Anlass war ein Bericht der RBB-Abendschau von Dienstag, in dem der Ranger des Parks seine Idee ausbreitete, mittels markierter Stehplätze für die Dealer den Parkbesuchen massive Belästigung zu ersparen.
Natürlich wirkte das ein wenig lächerlich, wie der Ranger seine selbst gesprühten rosa Linien auf dem Asphalt vorführte. Und die Vorstellung, dass sich die Dealer hinter ihre Demarkationslinie verziehen und dort wie eingezäunt verharren, hatte auch ein Moment von Komik.
Aber im Kern hat Cengiz Demirci Recht: Man muss kein Anhänger der Legalisierung von weichen Drogen sein, um zu erkennen, dass Repression und Vertreibung in diesem Park (und nicht nur dort) gescheitert sind. Der Bezirk hat das erkannt: „Den Drogenhandel werden wir nicht beenden können, solange die Nachfrage hoch ist. Und solange sich denjenigen, die mit Drogenverkauf ihr Überleben sichern, keine Alternative bietet“, heißt es ganz richtig im Handlungskonzept für den Park von 2016.
Es geht also im Görli nicht um Vertreibung der Dealer, sondern darum, ihre Interessen mit denen anderer Nutzergruppen überein zu bringen. Dafür sind Ranger und Parkläufer da, das ist seit über zwei Jahren ihr täglich Brot. Dazu gehört: mit den Dealern und ihren Jungmänner-Horden über ihr Verhalten reden. Nicht wenige Parkbesucher meinen, dass sich das schon sehr verbessert hat, es weniger sexuelle Anmache und aufdringliche Ansprache gibt. Nebenbei haben die Parkwächter übrigens auch ein paar Dealer „rausgebracht“, ihnen zu Jobs und einem neuen Leben verholfen.
Der logische nächste Schritt wäre in der Tat, sich zu überlegen, wie man die teilweise recht großen Gruppen an manchen Eingängen auflöst, damit Besucher nicht, wie Demirci sagte, durch „ein Spalier“ müssen, wenn sie den Park betreten wollen. Rosa Linien sind vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss, aber solche Details kann man diskutieren.
Wer dagegen nur stumpf auf die „Durchsetzung des Rechts“ pocht, hat nichts verstanden. Dabei gibt es „Realpolitik“ auch und gerade in der Drogenpolitik. Was, Herr Dregger, Sie haben noch nie etwas von Druckräumen gehört? Das sind vom Staat finanzierte Orte zum Konsum verbotener Drogen. Huiiiii!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“