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Probleme mit Geflüchteten-CardLübeck und Flensburg wollen keine Bezahlkarte

Kommunen verzichten auf Schikane: Während Schleswig-Holstein an Bezahlkarte für Geflüchtete festhält, winken Städte wegen diverser Probleme ab.

Man muss nicht jede Schikane mitmachen: Lübeck und Kiel verweigern sich der Bezahlkarte für Geflüchtete Foto: Marlijan Murat/dpa

HAMBURG taz | Eigentlich sollte sie Verwaltungskosten senken und verhindern, dass staatliche Gelder ins Ausland fließen – doch die Bezahlkarte für Geflüchtete sorgt in Schleswig-Holstein vor allem für eines: Chaos.

Während die schwarz-grüne Landesregierung an der Umsetzung bastelt, wächst der Widerstand. Vor allem in Lübeck und Flensburg regt sich Unmut. Kommunen und Kritiker sprechen von Diskriminierung, bürokratischem Irrsinn und einer integrationsfeindlichen Maßnahme.

Bislang kommt die Bezahlkarte nur in Landesunterkünften zum Einsatz. Eine landesweite Einführung war für April 2025 geplant – inzwischen hat das Sozialministerium die Frist bis Ende 2025 verlängert. Der Grund: massive technische Probleme.

Noch nicht mal technisch klappt's

Hessen, das bei der Umsetzung federführend ist, ringt mit dem IT-Dienstleister um eine funktionierende Software. Vor allem die Schnittstellen zur bestehenden Verwaltungssoftware sind ein Problem.

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein kritisiert die Bezahlkarte scharf: Sie sei diskriminierend und behindere den Alltag Geflüchteter. Ohne Bargeld sei es kaum möglich alltägliche Dinge wie Schulmaterial zu kaufen. Auch ein Einkauf auf dem Flohmarkt sei kaum möglich. Umstritten ist auch die geplante Bargeldgrenze: Maximal 50 Euro im Monat sollen Geflüchtete abheben können.

Ob dieser Betrag noch verhandelbar ist, ist unklar. Die Beschränkung macht alltägliche Zahlungen unnötig kompliziert. Die Karte schaffe Abhängigkeiten statt Integration zu fördern, so der Flüchtlingsrat. In den Landesunterkünften wird sie gezielt an Menschen mit geringer Bleibeperspektive getestet – eine Art Praxistest auf dem Rücken der Betroffenen.

In Lübeck ist der Ärger groß. Die SPD-Fraktion lehnt die Bezahlkarte entschieden ab. Der Sozialausschuss der Stadt warnt, dass sie die gesellschaftliche Atmosphäre vergiften könnte – Ressentiments gegen Geflüchtete seien in Lübeck bislang vergleichsweise gering. Die Stadt fordert mehr Beteiligung und eine realistische Einschätzung des bürokratischen Aufwands.

Auch in Flensburg wird die Karte heftig diskutiert. Die Ratsversammlung hat die Landesregierung mehrfach um praxis­tauglichere Lösungen gebeten – bislang ohne Erfolg. Für die Kommunen bleibt abzuwarten, welche konkreten Vorgaben aus Kiel kommen.

Während Schleswig-Holstein an der Bezahlkarte festhält, lehnen immer mehr Städte in Nordrhein-Westfalen das Konzept ab. Eine Sprecherin des Flüchtlingsrats Schleswig Holstein sagt dazu: „In NRW wurde eine Opt-Out-Regelung eingeführt, sodass Kreise und Kommunen die Bezahlkarte nicht einführen müssen.“

Eine derartige Regelung sei im Konzept des Landes Schleswig-Holstein bisher nicht vorgesehen, könnte aber nach Einschätzung des Flüchtlingsrats noch in den Ausführungserlass aufgenommen werden. „Das wäre natürlich sehr zu begrüßen.“

In Aachen hat der Stadtrat bereits im Herbst 2024 beschlossen, das Modell nicht zu übernehmen. Die Stadtverwaltung sieht keinen praktischen Nutzen, da Sozialleistungen dort ohnehin per Überweisung oder Scheck ausgezahlt werden. Eine zusätzliche Karte bringe nur unnötigen Mehraufwand und keine Verbesserung.

Kommunen verzichten auf Schikane-Karte

Auch in Krefeld, Münster und Dortmund zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Kommunen verzichten bewusst auf die Einführung der Bezahlkarte und setzen stattdessen auf bewährte Verfahren.

Die ebenfalls schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat zwar eine Ausstiegsklausel für Kommunen eingeräumt, doch es wird befürchtet, dass dadurch ein unkoordiniertes Nebeneinander verschiedener Regelungen entsteht.

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein begrüßt die Verschiebung der Einführung – nicht als Lösung, sondern als Zeichen dafür, dass das Konzept von Grund auf falsch ist. Die Bezahlkarte belaste Kommunen maximal, schränke Geflüchtete massiv ein und sorge für neue Probleme statt Lösungen zu bieten. Ob und wann sie tatsächlich landesweit kommt, bleibt offen.

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