Probleme bei der Energiewende: Schatten über Solardach-Pflicht
Hamburg zieht bei der Solarpflicht auf Dächern an. Doch es gibt Kritik an der Verordnung: Immobilienunternehmen ermögliche sie massenhaft Ausnahmen.
Hamburg taz | Aufs Dach steigen lässt sich niemand gern, findet Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). Das gelte natürlich auch für die Hamburger Wohnungswirtschaft. Und so warnt er nun vor einer „Dachenteignung“, würden Immobilienunternehmen dazu verpflichtet, die eigenen Hausdächer von anderen Unternehmen mit Solaranlagen bestücken und betreiben zu lassen.
Breitner reagierte damit auf die Kritik von Umweltverbänden und Öko-Energie-Versorgern an der Hamburger Solaranlagenpflicht auf Dächern. Sie befürchten, berichtete zuerst das Hamburger Abendblatt, dass sich größere Hamburger Immobilienunternehmen in Zukunft leichter um die Pflicht herummogeln könnten, weil die entsprechende Verordnung der Umweltbehörde Lücken habe. Der VNW streitet derartige Vorwürfe als „unseriös“ ab.
Die Solarpflicht auf Hausdächern ist ein zentraler Bestandteil des Hamburger Klimaschutzgesetzes. Bereits seit vergangenem Jahr müssen Dächer von Neubauten mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet werden, seit 2024 gilt das auch für Dacherneuerungen bei bestehenden Häusern.
Kurz vor Weihnachten hatte der Senat einen Entwurf zur Rechtsverordnung präsentiert, mit der dieses Vorhaben im Detail geregelt werden soll. Seitdem hat der Streit um Hamburgs Dächer Fahrt aufgenommen – vor allem in der Frage, wer von der Solarpflicht befreit wird.
Mehrkosten für die Mieter*innen
Weil sie ihren Gewinn aus der Verwaltung ihres eigenen Grundbesitzes erzielen, sind Immobiliengesellschaften in der Regel von der Gewerbesteuer befreit. Diese Vergünstigung gilt aber nur, solange die Unternehmen keine Fremdumsätze erzielen – mit dem Betrieb einer „hauseigenen“ Photovoltaik-Anlage würde aber genau das passieren.
Das macht den Bau von Solaranlagen für Immobilienunternehmen unattraktiv. Die anfallenden Mehrkosten müssten die Mieter*innen tragen, kritisiert der VNW. „Niemand kann wollen, dass sich auf Grund zusätzlicher Kosten für eine unwirtschaftliche Solaranlage Menschen mit geringen Einkommen ihre Wohnung nicht mehr leisten können“, so Andreas Breitner. Dementsprechend können Wohnungsunternehmen nur schwer dazu bewegt werden, selbst Photovoltaik-Anlagen zu betreiben.
Um die Solarpflicht dennoch erfüllen zu können, sah die bisherige Regelung vor, dass die Umsetzung der Photovoltaik-Pflicht auch durch Dritte sichergestellt werden kann. Das heißt: Die Wohnungsunternehmen konnten andere Firmen beauftragen, auf den Dächern ihrer Gebäude die Anlagen zu installieren.
Doch auch das schmeckt vielen Wohnungsgesellschaften offenbar nicht. Ein solcher Verpachtungszwang käme nämlich laut VNW-Direktor Breitner eben einer „Dachenteignung“ und einem unangemessenen Eingriff in das Eigentumsrecht der Vermieter*innen gleich. Umweltverbände wie der BUND betonen hingegen, so könne nicht mehr von einer Photovoltaik-Anlagenpflicht gesprochen werden.
Vor allem nicht, seit die zuständige Umweltbehörde der Wohnungswirtschaft noch einmal entgegengekommen ist: Nach der früheren Regelung mussten die Immobilienunternehmen in solchen Fällen nachweisen, dass sie mindestens drei Drittanbieter erfolglos angefragt hatten, um von der Pflicht befreit zu werden. Mit der neuen Rechtsverordnung soll die Prüfpflicht abgeschafft werden, ob Dritte bereit gewesen wären, den Bau und Betrieb von Solaranlagen zu übernehmen.
Caroline Ähling vom Energieversorger Green Planet Energy kritisiert, dass sich die Anlagen nun viel leichter unwirtschaftlich rechnen ließen: So soll es laut Verordnungsentwurf künftig möglich sein, etwa die Umstellung der Hauselektronik zu den Kosten der Erfüllung der PV-Pflicht hinzuzurechnen – Kosten also, die für die Vermietungsgesellschaften ohnehin anfallen würden und nicht unmittelbar durch den Bau der Solaranlage verursacht werden.
„Konkrete Nachweise sind in der neuen Verordnung schon gar nicht mehr vorgesehen“, sagt Ähling. Breitner hält nun dagegen. „Es ist das Normalste auf der Welt, dass Investitionen auf ihre Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Vertretbarkeit geprüft werden. Dazu gehört, dass man alle Kosten – auch wenn sie auf dem Dach oder an der Elektroanlage anfallen – berücksichtigt.“
Die Umweltbehörde reagiert zurückhaltend auf die Kritik. „Im Rahmen der Auswertung der Stellungnahmen der Verbände werden Anpassungsbedarfe an dem aktuellen Verordnungsentwurf geprüft und gegebenenfalls umgesetzt.“ Weiterhin solle „die Möglichkeit der Übernahme der Umsetzung der PV-Pflicht durch Dritte erhalten bleiben“. Auch müsse zur Befreiung von der Photovoltaik-Pflicht nach wie vor die „Nicht-Wirtschaftlichkeit mit geeigneten Nachweisen plausibel dargestellt werden“. Ziel sei es weiterhin ein „größtmöglichen Ausbau von Photovoltaik-Anlagen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt