Hamburgs neues Klimaschutzgesetz: 1,5-Grad-Ziel adé

Der rot-grüne Senat will den neuen Klimaplan überarbeiten, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Nun ergab eine Anhörung: Das wird nicht ausreichen.

Arbeiter auf einem Hallendach mit PV-Anlage

So kann's gehen: DHL hat in Hamburg ihre bundesweit erste klimaneutrale Paket-Zustellbasis gebaut Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Auch mit der zweiten Fortschreibung seines Klimaplans wird Hamburg das Ziel, die Erdatmosphäre um maximal 1,5 Grad zu erwärmen, verfehlen. Wie eine Anhörung der Bürgerschaft zu der anstehenden Überarbeitung ergeben hat, wäre damit allenfalls eine Begrenzung auf 1,75 Grad zu erreichen – und auch das nur mit 67-prozentiger Wahrscheinlichkeit.

Das Ziel ergibt sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015, in dem sich 195 Staaten verpflichtet haben, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen und einen Anstieg von weniger als 1,5 Grad anzustreben.

Mit der Fortschreibung des Klimaplans will der rot-grüne Senat den Ausstoß des Klimagases CO2 schneller und stärker verringern als bisher vorgesehen. „Die Novelle ist eine deutliche Verbesserung zum alten Gesetz“, sagte Mark Roach von der Umweltorganisation am Donnerstag bei der Anhörung des Wirtschafts- und des Umweltausschusses. Das reiche aber nicht aus.

Roach verwies auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem es im März 2021 Teile des deutschen Klimaschutzgesetzes verworfen hatte, denn damit werde das Deutschland zustehende Restbudget an CO2-Emissionen überschritten. Diese vom Internationalen Klimawandelbeirat (IPPC) ermittelten Restbudgets hat German Zero auf die Hamburger Bevölkerung heruntergerechnet.

Budget schon 2025 gerissen

Das erste Budget, mit dem sich die 1,5 Grad mit 67-prozentiger Wahrscheinlichkeit einhalten ließen, würde Hamburg 44,6 Millionen Tonnen erlauben. Das zweite Budget, mit dem diese Grenze nur mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit eingehalten würde, beträgt 69,5 Tonnen. Diese beiden Ziele würden nach dem Senatvorlage schon 2025 und 2028 gerissen. Nur das Ziel 1,75 Grad mit 67-prozentiger Wahrscheinlichkeit könnte gehalten werden. „Will das die Hamburger Bevölkerung?“, fragte Roach.

Weder von der Senatsbank – Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) und Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) – noch von den eingeladenen Experten kam Widerspruch. Im Gegenteil: Sowohl Kai Hünemorder vom Zentrum für Energie-, Wasser- und Umwelttechnik (Zewu), einer Umweltberatung für Betriebe, als auch Hans Schäfer, Professor an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaft (HAW) und Mitglied des städtischen Klimabeirats, forderten ein höheres „Ambitionsniveau“ für den Klimaplan.

Aus Sicht von German Zero kein Hexenwerk: „Mit etlichen entschiedenen zusätzlichen Maßnahmen wäre das 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar“, sagte Roach. Er vermisst im Klimaplan den Ressourcenschutz bei Produktzyklen – von der Herstellung über die Haltbar- und Reparierbarkeit bis hin zum Recycling.

Überdies schlug Roach vor, der Senat möge Klimaschutzverträge – Carbon Contracts for Difference – abschließen. Damit könnte ereinen bestimmten CO2-Preis garantieren, um zu verhindern, dass Unternehmen, die in Klimaschutz investieren, das Nachsehen im Wettbewerb haben. Sinkt der CO2-Preis unter das festgelegte Niveau, muss der Staat die Differenz erstatten.

Mit der Fortschreibung seines Klimaplans will der rot-grüne Senat die Hamburger Klimaschutzbemühungen noch einmal verstärken.

Bezogen auf das Basisjahr 1990 soll die Stadt 2030 dann 70 Prozent weniger CO2 in die Atmosphäre blasen, statt nach dem alten Plan 55 Prozent. Bis 2045 sollen die Emissionen um 98 Prozent reduziert werden statt wie bisher geplant um 95 Prozent bis 2050.

Die Bundesgesetzgebung sieht minus 68 Prozent bis 2045 und minus 88 Prozent bis 2040 vor sowie Klimaneutraliät bis 2045.

Matthias Sandrock vom Hamburg-Institut, das den Senat beim Klimaplan beraten hat, dämpfte allerdings die Erwartungen. „Für die Länder ist nicht viel übrig, was gesetzgeberisch getan werden kann“, sagte er. Vieles habe der Bund an sich gezogen. Hamburg könne mit eigenen Maßnahmen das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichen, allein schon deshalb weil es Strom importiere.

Verschiedene Experten wiesen darauf hin, dass der Klimaplan mehr Zwischenziele enthalten und das Monitoring verbessert werden müsste. Entscheidend für die Wirtschaft sei Planungssicherheit.

Hans Schäfers vom Klimabeirat forderte eine Photovoltaik-Strategie. Bilanziell lasse sich der Hanmburg Strombedarf zu zwei Dritteln damit decken. Dazu müsse aber das Netz entsprechend ertüchtigt werden. Zudem brauche es eine Lösung dafür, wie mit Fernwärme aus Müllverbrennung umzugehen sei. Denn damit könne Hamburg nicht wirklich klimaneutral werden.

Gebäudebestand ist entscheidender Hebel

Beim Gebäudebestand – einem entscheidenen Hebel für den Klimaschutz – plädierte Petra Memmler vom Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen für „moderaten Wärmeschutz“. Es sei nicht sinnvoll, Gebäude immer stärker zu dämmen, ohne die Rahmenbedingungen zu beachten: die Wärmequelle, den Aufwand bei der Herstellung und Entsorgung der Dämmung sowie den Rebound-Effekt beim Nutzerverhalten. Auf die Kombination komme es an.

40 Milliarden Euro pro Jahr investiere die Wohnungswirtschaft in energetische Sanierung, sagte Memmler. Seit 2015 sinke jedoch der durchschnittliche Heiznergieverbrauch pro Quadratmeter nicht mehr. „Die Menschen konterkarieren das“, stellte Memmler fest.

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