Prioritätensetzung im Wahlkampf: Für Inklusion hat Wanka keine Zeit
Ein Podium will prominent über Inklusion reden. Das Bildungs- verwies auf das Sozialministerium, am Ende ist die Bundesregierung gar nicht vertreten.
BERLIN taz | „Wie geht’s voran mit der Inklusion in Deutschland?“, will der von Eltern gegründete Verein mittendrin e. V. wissen und lädt im Rahmen eines dreitägigen Kongresses am Freitagabend zu einer Podiumsdiskussion in die Universität Köln ein. Diese ist prominent besetzt: ein Vertreter der Kultusministerkonferenz, des Deutschen Instituts für Menschenrechte, der Bundesschülervertretung und Experten werden dem Publikum Rede und Antwort stehen. Ein eingeladener Gast aber fehlt: eine Vertreterin des Bundesbildungsministeriums.
Bereits Ende Mai habe man Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) eingeladen, berichtet Eva-Maria Thoms von mittendrin e. V. Im Juli kam dann die endgültige Absage, die der taz vorliegt. Weder die Bundesbildungsministerin noch eine Vertreterin hätten Zeit, heißt es darin. Stattdessen der Rat: Man möge sich doch an das Arbeits- und Sozialministerium wenden.
Was Thoms auch tat, doch auch dort hatte niemand Zeit. „Wir haben den Eindruck, die Bundesregierung interessiert das Thema Inklusion gar nicht“, meint Thoms zur taz. „Vielleicht ist es ihr auch unangenehm.“ Obwohl Bildung in Deutschland weitgehend Ländersache ist, ist der Vertragspartner der UN in diesem Fall die Bundesrepublik.
Deutschland hat 2007 die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben und sich verpflichtet, Menschen mit Behinderung Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen zu ermöglichen. Besonders heikel ist das Thema Bildung. Laut der UN-Konvention dürfen behinderte Menschen nicht vom Besuch einer allgemeinbildenden Schule ausgeschlossen werden. Als der UN-Fachausschuss vor zwei Jahren überprüfte, wie es in Deutschland mit der Inklusion vorangeht, bemängelt er, dass zu wenig für den Aufbau eines inklusiven Bildungssystems getan werde.
Im nächsten Jahr muss Deutschland vor dem UN-Fachausschuss abermals zum Rapport. Es ist nicht zu erwarten, dass das dortige Urteil besser ausfällt. Von den knapp 500.000 SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernen aktuell nur 30 Prozent an allgemeinbildenden Schulen. Der größte Teil wird in Sonderschulen unterrichtet.
Leser*innenkommentare
Uwe Heineker
Das deutsche Bildungssystem ist seit 1973 (!) im politischem Dornröschenschlaf: der Deutsche Bildungsrat empfahl die integrative Beschulung behinderter Kinder ...
Menschen mit Behinderung stehen nach wie vor nicht auf der politischen Agenda: es fand selbst im kürzlichen TV-Duell Merkel - Schulz keinerlei Erwähnung!
urbuerger
wer glaubt, dass die Regierung Merkel auch nur das geringste Interesse an der in Deutschland existierenden Bildung hat, der liegt einem Trugschluss auf!
Merkel interessiert sich schon nicht für die Ausbildung von Schülern ohne Defizite, wie sollte sie es dann für andere zeigen.
Um Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Allgemein Bildenden Schulen zu integrieren müsste erst einmal sichergestellt sein, dass es dort ausreichend geschultes Personal gibt, welches zur Zeit aber nicht einmal für die anderen Schüler gibt. 20 - 25% Schulstundenausfall ist doch in den meisten Bundesländern bereits als Normal anzusehen.
Solange es weiterhin diese leidige Regelung gibt, dass Bildung Ländersache sei, wo der Bund nicht einmal helfend eingreifen darf, wird sich auch nichts ändern.
Den Ländern stehen einfach nicht genug finanzielle Mittel zur Verfügung um Personal einzustellen, aber auch die Lokalität Schule ist ein langsam aber sicher zerfallendes Gut in Deutschland, denn es wird kaum Geld in die Hand genommen um Schulen zu sanieren.
Auch fehlen wichtige Ausbildungsmittel, wie z.B. Computer.
Wie wir auch in diesen Fall sehen können ist es Zweierlei, was die Regierung Merkel mit der UN aushandelt und dem was im Endeffekt umgesetzt wird.
Bestes Beispiel;
Pariser Klimaabkommen - Dieselskandal und Förderung des Braunkohleabbaus und deren Verstromung.
Alles nur Hohles Gerede!!!
agerwiese
"Von den knapp 500.000 SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernen aktuell nur 30 Prozent an allgemeinbildenden Schulen."
30%? Das ist keine Inklusion. Von der Spricht man jenseits der Grenze von 80%, davor bezeichnet man das als Integration.
Deutschland hat die UN-Konvention unterschrieben. Höchste Zeit, dass das Land vor irgendein internationales Gericht geschleppt wird.