Pressefreiheit in der Türkei: Italienischer Journalist festgenommen
Gabriele del Grande wurde vor der Grenze zu Syrien von der türkischen Polizei in Gewahrsam genommen. Der Grund blieb unklar.
Die Türkei hat einen weiteren westlichen Journalisten festgesetzt: Am Montag stoppte die Polizei den Italiener Gabriele del Grande in der Provinz Hatay nahe der Grenze zu Syrien. Das berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf Diplomaten in Ankara.
Der Autor und Dokumentarfilmer del Grande war demnach auf dem Weg nach Syrien. Er soll nun nach Italien abgeschoben werden, berichtete die italienische Zeitung LaPresse. Der Grund für die Festnahme des 35-Jährigen blieb unklar. Türkische Medien mutmaßten, del Grande habe womöglich die seit einiger Zeit nötige gesonderte Akkreditierung für die Grenzregion nicht beantragt. Die italienische Regierung forderte seine sofortige Freilassung.
Del Grande wurde bekannt, weil er der erste Journalist war, der sich systematisch mit den toten Flüchtlingen im Mittelmeer befasst hat. Im vergangenen Jahrzehnt gab es, anders als heute, keine offizielle Zählung, obwohl Tausende Menschen ertranken. Niemand fühlte sich dafür verantwortlich – außer del Grande. Mit einer Gruppe Freiwilliger wertete der Römer in mühsamer Kleinarbeit jahrelang Berichte von Zeitungen rund um das Mittelmeer aus. Mit seinem Blog „Fortress Europe“ versuchte er so die Dimension des Sterbens zu dokumentieren. Eine andere Quelle gab es lange Zeit nicht. Für ein Buch erkundete del Grande die lebensgefährliche Fluchtroute durch die Sahara; über den Weg, den Flüchtlinge ab Lampedusa gehen müssen, drehte del Grande einen preisgekrönten Dokumentarfilm.
Von 2012 an wandte er sich Syrien zu. Als einer der wenigen westlichen Journalisten berichtete del Grande von vor Ort über die Lage der Zivilbevölkerung und die Folgen des Krieges. Del Grande hatte seit 2013 auch für die taz aus Syrien berichtet. In Kommentaren kritisierte er die russische und türkische Regierung und stellte sich auf die Seite der Kurden.
Der Generalsekretär der italienischen Journalistengewerkschaft FNSI, Raffaele Lorusso, sagte, del Grandes Festnahme sei ein weiterer Beleg für die unhaltbaren Bedingungen, unter denen Journalisten in der Türkei zu arbeiten gezwungen sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht