Pressefreiheit in der Türkei: Kein kurdischer Sender bleibt mehr
Die türkische Regierung schließt diverse Radio- und TV-Sender. Laut Vize-HDP-Chef gibt es keinen freien Sender in kurdischer Sprache mehr.
Ende letzter Woche hatte die türkische Medienaufsicht RTÜK zunächst zwölf TV-Stationen vom Turksat-Satelliten, über den alle Sender in der Türkei ihre Programme ausstrahlen, verbannt. Einen Tag später kam das explizite Verbot mehrerer TV- und Radio-Stationen.
Ein Sprecher von Van-TV, einem kurdischen Sender in Van, sagte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, die Polizei habe ihr Gebäude besetzt und alle Produktionsanlagen beschlagnahmt. IMC TV, ein kritischer linker Sender aus Istanbul, der schon vor Monaten vom Satelliten geworfen worden war und seitdem über Hot-Bird und im Internet sendete, wurde ebenfalls verboten. „Wir rechnen jeden Moment damit, dass die Polizei bei uns vor der Tür steht“, sagte ein Redakteur des Senders.
Neben den kurdischen Sendern wurde auch ein wichtiger alevitischer Fernsehkanal, Hayatin Sesi TV, abgeschaltet. Alle diese Sender haben nichts mit der Fethullah-Gülen-Bewegung zu tun, die angeblich für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich ist, und ihre „Schließung ist ein Signal, dass die Repressionen gegen alle kritischen Teile der Gesellschaft zunehmen wird“, sagte Saruhan Uluç. Dazu passt auch, dass das Kabinett für die Verlängerung des Ausnahmezustandes um weitere drei Monate votierte.
Angriff auf die kurdische Identität
Die Schließung der kurdischen Sender ist vor allem auch ein dramatischer kultureller Rückschritt. Denn jenseits der politischen Debatte um ein Ende des Kampfes mit der PKK hatten sich diese Sender in den letzten 15 Jahren zu einem Netz innerhalb der kurdischen Gebiete entwickelt, mit dem die kurdische Identität entscheidend unterstützt wurde. Mit eigenen Musiksendern bis hin zu kurdischen Kinderprogrammen im Fernsehen hatte sich so im Südosten der Türkei eine kurdische Normalität im Alltag gebildet, die nun offenbar zerschlagen werden soll.
Denn konkrete Vergehen werden den Fernseh- und Radioanstalten nicht vorgeworfen. So wies Saruhan Uluçvon der HDP ausdrücklich darauf hin, dass keiner der Sender in den jüngsten Medienskandal der Türkei verwickelt war. In der letzten Woche hatte eine linke, regierungskritische Hackergruppe „Redhack“ eine ganze Serie von E-Mails ins Internet gestellt, die insbesondere den vorgeblich immer noch unabhängigen Dogan-Medienkonzern mit Hürriyet als Flaggschiff in große Verlegenheit brachte. Die Mails stammen vom iPad und vom iPhone des Energieministers Berat Albayrak und zeigen angeblich unter anderem dessen Korrespondenz mit dem Chef der Dogan-Mediengruppe (Hürriyet, CNN-Türk und Kanal-D) Mehmet Ali Yalcindag.
Wenn es denn stimmt, was Yalcindag bestreitet (die Mails seien ihm untergeschoben worden und nicht von seinem Computer), haben sich da die beiden Schwiegersöhne der beiden mächtigsten Männer der Türkei zusammengetan. Berat Albayrak ist der Schwiegersohn von Präsident Erdoğan, Mehmet Ali Yalcindag der Schwiegersohn des Patriarchen des Dogan-Konzerns, Aydin Dogan. Yalcindag wurde vor eineinhalb Jahren als Chef der Dogan-Mediengruppe, an der auch die Axel Springer AG beteiligt ist, eingesetzt, um das Verhältnis zur Regierung zu verbessern.
Der Dogan-Konzern wird seit Jahren von Erdoğan stark unter Druck gesetzt. Yalcindag hatte daraufhin in Mails an Albayrak nicht nur betont, wie sehr er Erdoğan und sein Präsidialsystem unterstütze, sondern auch seine Schwägerin Muzlat Dogan-Sabance angeschwärzt, die Hürriyet als Geschäftsführerin leitet. Sie verhindere, so Yalcindag, dass Hürriyet einen eher der AKP gewogenen Chefredakteur bekomme. Mehmet Ali Yalcindag trat am Wochenende von seinem Posten zurück.
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