Prävention von Kindesmissbrauch: Hilfe für jugendliche Pädophile
Pädophile erkennen ihre Neigung oft schon in der Pubertät. Künftig soll das Präventionsprojekt der Berliner Charité daher auch minderjährigen Betroffenen nützen.
BERLIN dpa | Die Berliner Charité will ihr Pädophilie-Präventionsprojekt „Kein Täter werden“ von September an auf Jugendliche und junge Erwachsene ausweiten. Bisher werden nur Patienten ab 18 Jahren behandelt. „Den Bedarf für Jüngere gibt es auf jeden Fall“, sagte Projektleiter und Sexualwissenschaftler Klaus Michael Beier. „Wir erreichen Betroffene bisher meist viel zu spät. Sie sind im Durchschnitt um die 40“, ergänzte er. Das neue Projekt der Klinik, das auf drei Jahre angelegt ist, werde mit rund 700 000 Euro vom Bundesfamilienministerium gefördert.
Menschen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen, können an der Charité seit 2005 in Therapien lernen, ihre Neigung zu kontrollieren. In der Regel sind es Männer. Voraussetzung ist, dass kein Strafverfahren gegen sie läuft. Das Angebot, das Anonymität garantiert, soll sexuellem Kindesmissbrauch vorbeugen. Die Betroffenen sollen lernen, ihr Verhalten so zu kontrollieren, dass sie keinem Kind schaden.
Pilotstudien hätten gezeigt, dass sich bereits im Jugendalter – wenn sich mit der Pubertät sexuelle Vorlieben entwickeln – Beratungs- und Therapiebedarf gebe, sagte Beier. An der Charité hätten sich auch 15- bis 17-Jährige gemeldet. „Wir müssen Jugendliche aber auf eine ganz andere Art erreichen als Erwachsene“, ergänzte der Wissenschaftler. Dabei sollen auch die Eltern einbezogen werden.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nannte die Präventionsarbeit bei einem Besuch am Montagabend „sinnvoll und erfolgreich“. Sie solle nach 2016 dauerhaft auf eine finanzielle Grundlage gestellt werden. Darüber wollten sich nach der Sommerpause das Justiz-, Gesundheits- und Familienministerium abstimmen.
95 abgeschlossene Therapien seit 2005
Seit dem Start 2005 haben sich nach Klinikumsangaben fast 2000 Männer bei der Charité gemeldet, weil sie sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlten. Rund 400 erhielten ein Therapieangebot, 180 haben damit begonnen. Rund 95 haben die Therapie bereits abgeschlossen.
Dabei lernen die Pädophilen zum Beispiel, dass Kinder grundsätzlich keinen Sex wollen – auch, wenn die Betroffenen das oft anders wahrnehmen. Die Patienten waren im Durchschnitt 37 Jahre alt. 40 Prozent lebten in einer Partnerschaft – und rund ein Drittel hatte regelmäßigen Kontakt zu Kindern.
Das Angebot „Kein Täter werden“ gibt es inzwischen in neun weiteren deutsche Städten, darunter Hamburg, Hannover, Düsseldorf und Ulm. Rheinland-Pfalz und das Saarland planen laut Charité den Aufbau, Thüringen und Sachsen-Anhalt seien noch unentschieden.
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