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Präsidentschaftswahl in PolenPolen rückt nach rechts

Die Wahl des PiS-Kandidaten Karol Nawrocki zum Präsidenten Polens könnte innenpolitische Unruhen, sowie die Spannungen mit der EU weiter verschärfen.

President to be: Karol Nawrocki, der rechtsnationalistische PiS-Kandidat vor der Stichwahl in Biała Foto: Kacper Pempel/reuters

Warschau/ Brüssel taz | Der Rechtspopulist Karol Nawrocki (42) soll neuer Präsident Polens werden. Zum dritten Mal in Folge wählten die Polen einen antieuropäischen und nationalpopulistischen Kandidaten. In der Stichwahl am Sonntag setzte sich Nawrocki knapp gegen den linksliberalen Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski mit rund 370.000 Stimmen Vorsprung durch. 2015 war es Andrzej Duda, 2020 erneut Duda – und nun Nawrocki. Beide Kandidaten wurden von der nationalistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt, die von 2015 bis 2023 mit absoluter Mehrheit im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, durchregieren konnte und seit 2023 die größte Oppositionspartei in Polen stellt.

Das Wahlergebnis wirft schon jetzt seine Schatten voraus: Die tief gespaltene Gesellschaft, von der über zehn Millionen Menschen proeuropäisch und für liberale Werte gestimmt hatten und ebenfalls über zehn Millionen antieuropäisch und für ein natio­nalistisches Weltbild, wird sich noch tiefer zerstreiten. Innenpolitisch steht die Zukunft der Mitte-links-Regierung auf dem Spiel. Da Nawrocki aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Politik mit seinem Veto blockieren wird, scheinen vorgezogene Neuwahlen vor dem regulären Termin im Jahr 2027 sehr wahrscheinlich.

Wäre die Situation umgekehrt und Trzaskowski knapp siegreich, hätte die PiS die Wahl wohl angefochten und vor das Oberste Berufungsgericht gebracht. Dafür hatte die Partei schon 2018 die „Kammer für außerordentliche Kontrolle und öffentliche Angelegenheiten“ geschaffen, die mit ausschließlich mit PiS-nahen Richtern besetzt ist. Die Parlamentswahl 2023 focht die PiS nur deshalb nicht an, weil sie gewonnen hatte. Doch da sie keine Koalitionsmehrheit erreichte, konnte Tusk mit einer breiten Viererkoalition die Regierung bilden. Theoretisch könnte nun die Bürgerplattform (PO) versuchen, die Präsidentschaftswahl für ungültig erklären zu lassen und Neuwahlen zu fordern. Doch der Antrag ginge an die neue (PiS-)Kammer am Obersten Berufungsgericht, die die Wahl für rechtens und gültig erklären würde. Dieses Urteil dann nicht anzuerkennen, weil es von einer verfassungswidrigen Kammer mit PiS-Richtern gefällt wurde, würde der PO und Trzaskowski gar nichts bringen, sondern wahrscheinlich die PiS nur noch weiter stärken.

Ähnlich sieht es mit dem gesamten Gerichtswesen in Polen aus. Tusk wollte mit Trzaskowski als Staatspräsident und Partner an seiner Seite die Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit in Polen wiederherstellen. Dutzende Gesetzesprojekte liegen fertig in den Schubladen. Doch nun – mit Nawrocki als Präsident – steht Tusk vor Trümmern seiner Politik. Ohne die Unterschrift des Präsidenten geht kein einziges Gesetz durch. Auch das Verfassungsgericht, das ausschließlich mit PiS-nahen Richten besetzt ist, kann Gesetze verhindern. Es wird wie bisher mit dem PiS-nahen Präsidenten und dem mächtigen PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski zusammenarbeiten und die Politik der polnischen Mitte-Links-Regierung boykottieren.

Widerstand dürfte aus Warschau zunehmen

Nach Tusks Wahl 2023 hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ohne Zögern Milliarden an EU-Geldern freigegeben, die wegen Rechtsstaatsproblemen eingefroren waren. Doch nun dürften die versprochenen Reformen kaum vorankommen – Nawrocki kann sie blockieren. Damit stellt sich die Frage nach den EU-Zahlungen neu. Probleme werden in Brüssel auch in der Energiepolitik und bei der Migration erwartet. Polen lehnt die laufende Reform der Asyl- und Migrationspolitik ab; mit Nawrocki dürfte der Widerstand aus Warschau noch zunehmen.

Sogar das Verhältnis zu den USA könnte jetzt schwieriger werden. Von der Leyen fordert mehr Unabhängigkeit, doch Nawrocki will Polen wieder enger an Amerika binden. Er gilt als großer Fan von US-Präsident Donald Trump, der seine Wahl denn auch nach Kräften unterstützt hat.

Schon lange vor einem Rechtsruck gewarnt

Die Regierungspolitiker fragen sich, was im Wahlkampf schiefgelaufen ist: Warum wählten so viele junge Menschen rechte, teils antisemitische Kandidaten? Warum verfängt die antideutsche und anti­ukrainische Rhetorik der PiS erneut? Und warum dominiert Angst vor Migration, obwohl sie faktisch kaum ein Problem darstellt? Das alles sind Themen der polnischen Rechten, die hochemotionale Gefühle in der Gesellschaft auslösen. Statt dem eigenen Programm treu zu bleiben und auch die eigenen Werte vehement zu verteidigen, schielten sowohl Trzaskowski und sein Wahlstab als auch Tusk und seine Regierung auf die Umfragen und griffen das Narrativ der PiS auf. Plötzlich wollte Trzaskowski den ukrainischen Müttern das Kindergeld streichen, wenn diese nicht in Polen arbeiteten und Steuern zahlten.

Innenpolitisch steht die Zukunft der Mitte-links-Regierung auf dem Spiel

Tusk setzte mitsamt seiner Regierung sogar das Menschenrecht auf Asyl außer Kraft und wetteiferte mit Kaczyński darum, wer die migrationsfeindlichsten Parolen verbreitete. Dadurch verloren die einst liberalkonservativen Politiker in den Augen vieler Wähler ihre Glaubwürdigkeit. Wenn die Liberalen plötzlich das Gleiche erzählten wie zuvor schon die Rechten, dann wäre es wohl besser, gleich das Original zu wählen, mögen viele gedacht haben und am Sonntag ihr Kreuzchen neben den Namen von Nawrocki gesetzt haben.

Offiziell geben sich europäische Spitzen jedoch optimistisch: „Ich bin zuversichtlich, dass die EU ihre sehr gute Zusammenarbeit mit Polen fortsetzen wird“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag auf X. Gemeinsam werde man die Nato „noch stärker“ machen, kommentierte deren Generalsekretär Mark Rutte in Brüssel. Doch in Wahrheit müssen sich Rutte und von der Leyen einige Sorgen machen. Nawrocki lehnt den Nato-Beitritt der Ukraine ab. Außerdem gilt er als Nationalist, der die EU in die Schranken weisen will. Polnische Gesetze müssten in Warschau gemacht werden, nicht in Brüssel, meint er. Damit setzt er sich vom polnischen Regierungschef Donald Tusk ab, der – nachdem er einige Jahre lang als Ratspräsident in Brüssel gearbeitet hatte – auf eine enge Zusammenarbeit mit der EU setzt.

Sozialdemokraten und Grüne haben dies auch schon oft angeprangert und vor einem Rechtsruck gewarnt. Nun hat der Rechtsdrruck auch Polen erreicht – mit möglicherweise weit reichenden Folgen für die gesamte EU.

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10 Kommentare

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  • Ich wiederhole mich -eigentlich nicht- gern: Wir müssen begreifen, dass es Gründe gibt, wenn es einfache (und ärmere) WählerInnen sind, die mit ihren Lebensbedingungen hadern und rechten Aufwieglern leider folgen, weil die von einem großen Teil angeblich demokratischer Polituiker nicht wahr genommen werden !! Viele WählerInnen werden von rechten Verschwörern und Aufwieglern vereinnahmt und wenn Merz nach Polen kommt und kategorisch ablehnt, Flüchtlinge, die nach Deutschland wollen, aufzunehmen und sie lieber zurückzuschicken, hat er damit für die PIS-Leute wertvolle Prozente bewirkt, ohne die Tusk wohl gewonnen hätte. Leider sind wir Mittelschichtler in unserem Kulturkampf viel zu verbohrt, um zu begreifen, dass viele Moden und Lebensgewohnheiten bis hin zum Autofahren, zu Kreuzfahrten oder Flugreisen einem Teil unserer Mitmenschen versagt bleiben, obwohl auch ihnen ein einigermassen auskömmlicher Lebenswandel zustehen müsste. Auch Grüne oder SPD und schon gar nicht die Populisten wie Söder, Merz & Co kümmern sich zu wenig um prekär Lebende, im Gegenteil: Sie hetzen sie sogar noch gegeneinander auf, wenn sie von Arbeitsunwilligen schwadronieren oder zu gierige Flüchtlinge.

  • In Polen ist die politische Struktur rechts, rechtskonservativ und katholisch. Es gibt viele rurale Gebiete, Kleinstädte und eine konservative Alltagskultur, das Bildungswesen ist rechts unterwandert.



    Die Polen wählen sich dann entsprechend konservative Regierungen, die meist aber nicht liefern, was sie dick versprechen, dann müssen sie ablenken, sie fordern von Deutschland Geld, sie sind gegen Russland, gegen die EU, gegen sonstwas und das polnische Volk lernt daraus eigentlich nichts. Beim nächsten Mal wird wieder ratlos rechts gewählt. So wie jetzt, was das konkret bringen soll, ist wohl auch unklar.



    Nur die russische Herausforderung hat Polen frühzeitig begriffen, aber sowieso gibt es kaum ein Land, was so viele negative Gefühle bei Polen auslöst wie Russland.

  • Eine komplett unterschätzte Wirkung m. Langzeitfolgen:



    Bereits !2014 verharmlost.



    "Alles halb so schlimm, beruhigt der Warschauer Politologe Aleksander Smolar. So ernst wie es vielleicht nach Außen wirke, sei die Lage bei Weitem nicht. Nationalisten in Polen, sagt der Leiter der Batory Stiftung, seien weiterhin eine Randerscheinung und haben kaum Möglichkeiten, um effektiv Hass und Aggressionen im Land zu schüren:



    „Natürlich kann man Nationalismus auch wegen fiktiver Gefahren aktivieren. Das lässt sich in Polen heute allerdings weder mit der Wirtschaftslage, noch mit dem Argument nationaler Minderheiten begründen. Es geht hier vielmehr um das Gefühl einer diffus empfundenen Gefährdung der polnischen nationalen Identität."



    Quelle



    www.deutschlandfun...onalisten-100.html



    Weiter dort am Ende:



    "Wobei der Warschauer Politologe nicht ausschließen will, dass sich die Stimmung auch ändern könnte. Vor allem, wenn sich die ökonomische Lage Polens drastisch verschlechtern sollte. Dann – sagt Filip Pazderski – würden solche extreme Gruppierungen, die gegen das System sind, an Unterstützung gewinnen. Dann hätte Polen in der Tat ein Problem. Doch..."

  • Ok, dann dieses Jahr nicht mehr nach Polen in Urlaub.



    Scharde.

    • @So,so:

      Und was ist an den Menschen anders als im letzten Sommerurlaub? Das die Polen sehr (rechts-) konservativ sind ist kein Geheimnis.

      Ich muss zu meinem erschrecken aber feststellen das mir die Urlaube / Geschäftsreisen nach Polen von Jahr zu Jahr besser gefallen. Ich mag es einfach, wie dort neue Infrastruktur behandelt wird nicht alles nach drei Tagen besprüht, vollgekotzt und zertreten wird.

  • Was macht Polen wenn es aus der EU austritt? Gemeinsam mit Orban am besten, die einen geben, die anderen für Putin, beide ohne fördergelder?

    • @sachmah:

      Polen tritt eben gar nicht aus, sondern will weiterhin hohe Transfers aus Brüssel, die es aber nicht geben kann, gerade wenn die EU die Ukraine aufnehmen will.

  • Wir erleben im Westen von den USA bis nach Polen einen erschreckenden Rechtsruck. Es darf bezweifelt das die Erfolge der Rechten seitdem Beginn des Krieges in der Ukraine Zufall sind. Vielleicht sollte die aktuelle Ukraine-Politik angepasst werden ohne die Ukraine komplett aufzugeben - ich möchte auf jeden Fall nicht in einem Deutschland leben, dass von der AFD regiert wird!

  • Hoffen wir mal, dass die gerade wiedererstarkten Handelsbeziehungen nicht durch eine "Poland First" Policy wieder zunichte gemacht werden. Es wäre der deutschen und polnischen Wirtschaft zu wünschen.

    • @Claessen Rolf:

      Für Deutsche mag "Polen First" schon halb nach Nazi klingen, in den meisten Ländern Europas ist es Common Sense, dass das eigene Land Vorrang hat. Schon vor 20 Jahren, als Polen in die EU kam und von Sozialdemokraten regiert wurde, standen an den von der EU finanzierten neuen Autobahnen riesige Billboards mit der Aufschrift. "KAUF POLNISCH" (und nicht Produkte aus dem Ausland, weil Polen First halt.