Präsidentschaftswahl in Indien: Die Aufsteigerin
Indien könnte mit Draupadi Murmu (BJP) die erste indigene Präsidentin bekommen. Die Politikerin gilt als Favoritin.
Sie gehört zur marginalisierten indigenen Bevölkerung, die in Indien Adivasi genannt wird. Und als Kandidatin der regierenden hindunationalistischen Volkspartei (BJP) hat sie beste Chancen, ab diesem Montag ins Präsidentenamt gewählt zu werden. Das erfüllt in Indien ähnlich wie in Deutschland vor allem eher repräsentative Zwecke, ist aber bei der Regierungsbildung wichtig.
Ihr Gegenkandidat ist der frühere Finanz- und Außenminister Yashwant Sinha (84). Er gehörte einst auch zur BJP, aber war bis zu seiner Wahl Mitglied beim oppositionellen Trinamool-Kongress (TMC). Er wirkt gegenüber Murmu blass. Es gab sogar Aufforderungen, seine Kandidatur zurückzuziehen. So weit kam es nicht, doch Murmus Kandidatur wird als geschickter Schachzug der BJP angesehen, auch um weitere Wählerschichten anzusprechen.
Laut Volkszählung umfassen Adivasi knapp 7 Prozent der Bevölkerung, über 700 ethnische Gruppen sind als sogenannte „Scheduled Tribes“ (ST) anerkannt. Um Chancengleichheit näher zu kommen, gibt es in einigen Bereichen von Bildung bis öffentlichen Posten in Indien Reservierungen für ST. Doch bei Murmu handelt es sich um eine Kandidatur außerhalb einer Quotenregelung.
Früher war sie Lehrerin
Ihr Vater und ihr Großvater waren Dorfvorsteher. Vor ihrer Karriere als Politikerin war Murmu Lehrerin. Später bekleidete sie Ministerposten in der Landesregierung, bis sie 2015 als erste Frau zur Gouverneurin des Bundesstaates Jharkhand vereidigt wurde. Murmu ist aktiv in der Stammesvertretung der BJP, der sie 1997 beitrat. Sie gilt wie Premierminister Narendra Modi (BJP) als aufopfernd. Ihre Söhne und ihr Ehemann sind bereits verstorben. Ihre Tochter ist eine Bänkerin.
Sollte Murmu wie erwartet von den knapp 5.000 Abgeordneten der zwei Parlamentskammern und der Regionalparlamente gewählt werden (das Ergebnis wird erst im Laufe der Woche bekannt gegeben), wäre sie nach Pratibha Patil (2007-12), die ebenfalls zuvor Gouverneurin war, erst die zweite Frau im Präsidialamt.
Doch wäre Murmu auch die erste Präsidentin aus ihrem Heimatbundesstaat Orissa, die erste Adivasi auf diesem Posten und die allererste Person im Präsidentenamt, die erst nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 geboren wurde.
Ihre Partei änderte das Forstgesetz
Viele äußern sich ihr gegenüber wohlwollend, wie etwa die Aktivist:innengruppe Tribal Army, hadern jedoch mit ihrer Partei: „Draupadi Murmu wird Indiens erste Stammespräsidentin werden. Herzlichen Glückwunsch im Voraus. Andererseits hat die Modi-Regierung das Forstgesetz von 2006 geschwächt. Dadurch wird Millionen von Stammesangehörigen ihr Wald und ihr Land entrissen.“
Der BJP-Präsident Jagat Nadda dagegen sieht Murmus Kandidatur als „glorreichsten Moment in unserem Streben nach sozialer Gerechtigkeit und Transformation“ an.
Sie selbst gilt als gemäßigt und wurde bereits vor fünf Jahren als potenzielle Präsidentin gehandelt. Doch vor ihr wurde mit Ram Nath Kovind (BJP) zunächst noch ein Angehöriger der Dalit-Gemeinschaft Präsident.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht