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Präsidentschaftswahl in FrankreichKandidatur in letzter Minute

Emmanuel Macron will sich im April zur Wiederwahl stellen. Seine Chancen stehen gut – was auch mit dem Ukraine-Krieg zu tun hat.

Bereit für eine zweite Runde: Frankreichs Präsident Macron (hier Ende Februar im Élysée-Palast) Foto: Piroschka van de Wouw/Reuters

Paris taz | Dass Emmanuel Macron für eine zweite Amtszeit kandidieren würde, stand so gut wie fest. Die Frage war nur noch, wann genau und in welcher Form der französische Staatspräsident dies offiziell bestätigten würde.

Er wählte dazu die Form eines öffentlichen Briefs, wie schon seine Vorgänger François Mitterrand und Nicolas Sarkozy. Die wichtigsten Regionalzeitungen des Landes publizierten diesen „Brief an die Franzosen“ in ihrer Freitagsausgabe. Dort ersucht Macron die Wahlberechtigten, ihm „das Vertrauen für ein weiteres Mandat“ zu schenken. Sein Ziel sei, mit ihnen gemeinsam „angesichts der Herausforderungen des Jahrhunderts eine einzigartige französische und europäische Antwort zu erfinden“. Die gegenwärtige Krise wolle er zum „Ausgangspunkt einer neuen Epoche“ machen, schreibt Macron in seinem Brief.

Der erste Wahlgang findet am 10. April statt, also in nur 38 Tagen. Macron hat praktisch die letzte Frist genutzt, um seine Kandidatur anzumelden. Denn bis Freitag um 18 Uhr müssen die Kan­di­da­t*in­nen beim Verfassungsrat mindestens 500 beglaubigte Unterschriften von gewählten Volks­ver­tre­te­r*in­nen eingereicht haben, um zur Teilnahme an der Präsidentschaftswahl zugelassen zu werden.

Diese Bedingung hatte Macron am Donnerstag mit 1.785 Patenschaften längst erfüllt. Von den anderen bekannten Kan­di­da­t*in­nen hat lediglich die Ex-Justizministerin Christiane Taubira die Hürde nicht nehmen können und darum am Mittwoch ihre Kandidatur zurückgezogen.

Macron gilt als Favorit

Schon seit Wochen wurde Macrons Kampagne vorbereitet. „Avecvous.fr“ („Mit euch“) heißt die Plattform, die seine Partei La République en marche (LREM) dazu eingerichtet hat. Das richtige Timing aber war ein echtes Problem, da Macron im ersten Halbjahr den Vorsitz im Rat der EU innehat und insbesondere mit seinen Vermittlungsbemühungen zwischen Russland und der Ukraine beschäftigt war.

Bei jedem Medienauftritt in dieser doppelten Rolle musste er damit rechnen, dass ihm die Opposition vorwerfen würde, er instrumentalisiere seinen Status als Staatsoberhaupt für innenpolitische Zwecke in Hinblick auf seine Kandidatur. Von nun an wird die Medienaufsichtsstelle CSA die Dauer seiner Medienpräsenz wie auch die der anderen Kan­di­da­t*in­nen auf allen Fernsehsendern messen. Nicht gezählt werden dabei Macrons Auftritte, die seiner Aufgabe als Staatschef gewidmet sind.

Macron gilt laut allen Umfragen als klarer Favorit für eine Wiederwahl. In allen Wahlsimulationen liegt er im ersten Durchgang mit 25 bis 27 Prozent der Stimmen vorn. In allen vorstellbaren Konstellationen für eine Stichwahl am 24. April wird er als klarer Gewinner bezeichnet. Der Angriffskrieg auf die Ukraine und Macrons intensive Telefondiplomatie mit Moskau und Kiew haben sein Ansehen als Staatsoberhaupt in der Bevölkerung zudem bestärkt. In den Popularitätsumfragen hat er zuletzt zugelegt.

Macrons Blick in die Zukunft

Ohnehin verlaufen diese Präsidentschaftswahlen ganz anders, als es die meisten Politologen noch vor einem Jahr erwartet hatten. Schon allein wegen der Coronapandemie ist eine Bilanz nach den üblichen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Kriterien kaum möglich. Hinzu kam der Angriffskrieg in der Ukraine. Das wird für seine Her­aus­for­de­re­r und Herausforderinnen zum Problem.

Macron war 2017 mit vielen Reformplänen ins Amt gestartet. Dass er viele von ihnen nicht oder nur teilweise verwirklicht hat, kann er nun auf diese Krisen schieben – und die Bevölkerung um eine zweite Chance bitten. Zudem hat er neue, ehrgeizige Pläne für die Gesundheits- und Energieversorgung und die gemeinsame Sicherheitspolitik, wie er kürzlich unter dem Stichwort „französische und europäische Souveränität“ verkündete. In seinem Brief zu seiner Kandidatur verspricht er, er wolle in die Zukunft blicken und „das Frankreich unserer Kinder aufbauen und nicht dem Frankreich unserer Kindheit nachtrauern“.

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1 Kommentar

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  • Macron wird gewählt und das Parlament wird kaum noch aus seiner Partei bzw. seinen Anhängern bestehen, es wird eine Hängepartie.

    Und das Lächeln und diese sonderbare Art wird den Franzosen schon bald richtig zum Halse raushängen. Aber das eigentliche Problem ist weniger Macron, als das in dem Mehrparteiensystem Marine Le Pen oben mitschwimmt und es in die Stichwahl schaffen könnte, da will sie dann keiner haben und es gibt eine Solidarisierung gegen sie.

    Politisch ist vieles gut, was Macron macht, vieles ist aber auch richtig schlecht und es ist fraglich, was sich Macron unter einem Frankreich in Zukunft vorstellt.

    Die Idee von Atomkraftwerken und gleichzeitiger Energiewende ist für meine Begriffe alles andere als logisch oder gar progressiv. Soziale Verschlechterungen und ein höheres Renteneintrittsalter sind nicht besonders sozial.

    Dann wird nach Coronna bestimmt noch einiges kommen, um die Ausgaben wieder besser auszugleichen, wenn das der Durchschnittsfranzose zahlen muss, wird es eng werden.

    Macron ist vielleicht ein talentierter Politiker, aber was erschafft er da gerade? Ich finde es eher beängstigend und die Gelb-Westen, Trucker und andere Bewegungen zeigen, dass Macron in einer bestimmten Schicht für viel Angst und Ärger sorgt, was ihn aber nicht groß umtreibt. Diese Abgehobenheit steht ihm aber schlecht und Frankreich war selten so gespalten wie jetzt, eigentlich soll der Präsident ja vereinen und für Einheit sorgen, sie symbolisieren, davon kann keine Rede sein.