Präsidentschaftswahl in Frankreich: Wettkampf der Verlierer
Die Sozialisten wählen in einer Urabstimmung ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahl. Egal, wer gewinnt: Es sieht nicht gut aus für sie.
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In der Parteizentrale der regierenden Sozialisten wächst angesichts eines mangelnden Interesses die Befürchtung, dass am kommenden Sonntag die Vorwahlen zur Nominierung des sozialistischen Kandidaten aufgrund einer geringen Beteiligung zu einem Fiasko werden. Bisher hatte die Parteiführung auf eine Teilnahme von wenigstens zwei Millionen Interessierten gehofft.
Vielleicht liegt das am „Casting“? In zwei Fernsehdebatten ist es den Bewerbern nicht gelungen, Interesse oder gar Begeisterung zu wecken. Im Rennen sind sechs Männer und eine Frau, die sich je berufen fühlen, um die Nachfolge von François Hollande zu streiten, der im Dezember seinen Verzicht auf eine Kandidatur für eine höchst hypothetische Wiederwahl erklärt hatte.
Von den sieben haben fünf in den letzten Jahren als Minister mit regiert. Komplettiert wird die Gruppe durch zwei dissidente Grüne, François de Rugy und Jean-Luc Bennahmias. Auch sie haben die Politik der Linksregierung unterstützt.
Abgrenzung von François Hollande
Dennoch haben alle versucht, sich mehr oder weniger deutlich vom noch amtierenden Staatschef und seiner Bilanz abzugrenzen. Für Manuel Valls ist das fast eine Gewissensfrage, denn er war noch bis vor Kurzem als Premierminister für die Umsetzung dieser Politik zuständig. Als Einziger traut er sich, als Kandidat der Kontinuität aufzutreten. In der Fernsehdebatte wurde er deswegen von den übrigen Konkurrenten vor allem wegen der restriktiven Flüchtlingsaufnahme attackiert.
Aber auch der frühere Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, der ehemalige Erziehungsminister Benoît Hamon und sein Amtsvorgänger Vincent Peillon sowie die Exwohnungsministerin Sylvia Pinel vom Parti radical de gauche (Radikale Linke) können sich nicht einfach aus ihrer Regierungsverantwortung stehlen.
Niemand der sieben will indes den Kopf für eine Politik hinhalten, die die Franzosen und Französinnen allen Umfragen zufolge sehr enttäuscht hat. Umgekehrt gibt ihnen Hollandes Verzicht grundsätzlich die Möglichkeit, ein anderes Programm vorzuschlagen und den Wählern zu versichern, dass sie im Falle ihrer Wahl ihre Versprechen auch wirklich einhalten wollen. Meinungsverschiedenheiten wurden in der Frage der Atomkraft oder auch der Frage der Entkriminalisierung des Cannabiskonsums deutlich.
Keine Chance auf das Präsidentenamt
Neue Akzente möchten in dieser Debatte vor allem Montebourg und Hamon setzen, die beide zum linken Flügel der Sozialisten zählen. Beide lehnen die neoliberale Sparpolitik und namentlich die umstrittene Reform des Arbeitsrechts ab.
Hamon schlägt ein Grundeinkommen für alle als Ersatz oder Ergänzung der bisherigen Sozialleistungen vor. Montebourg dagegen pocht auf die Vorzüge des „Made in France“, er will eine Politik der Ankurbelung durch öffentliche Investitionen und Kaufkraftförderung.
Die Vorwahlen finden am 22. und 29. Januar statt. Laut Umfragen haben Valls, Montebourg und Hamon eine reelle Chance, diese Vorausscheidung zu gewinnen. Wer immer am 29. Januar als Kandidat antritt, hat laut Stimmungsbarometer kaum eine Chance, es in die zweite entscheidende Runde der Präsidentschaftswahlen zu schaffen.
Jean-Luc Mélenchon von der Linkspartei und vor allem der linksliberale Exwirtschaftsminister Emmanuel Macron boykottieren diese Vorwahlen, liegen in den Prognosen aber klar vor den Kandidaten der Sozialisten. In der Fernsehdebatte wurde darum schon die defätistische Frage gestellt, ob sich dieser gegebenenfalls zugunsten von Macron oder Mélenchon zurückziehen müsse. Eine klare Antwort gab keiner der sieben.
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