Präsidentschaft in Brasilien: Breitseite gegen Bolsonaro
Brasiliens Wahlgericht lehnt eine Klage wegen Wahlanfechtung ab. Stattdessen muss der scheidende Präsident eine hohe Geldstrafe zahlen.

Bolsonaro hatte geltend gemacht, bei 279.000 elektronischen Wahlmaschinen habe es Probleme gegeben. Unabhängige Expert*innen bestreiten die Vorwürfe. Laut Richter Moraes basiere der Antrag auf einem falschen Narrativ und sei rechtswidrig. Die PL habe keinerlei Beweise für einen Wahlbetrug vorlegen können. Moraes brummte den Antragsstellern eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet rund vier Millionen Euro auf, entschied, Parteigelder einzufrieren und kündigte weitere Ermittlungen an.
Am 30. Oktober hatte der rechtsextreme Amtsinhaber Bolsonaro die Stichwahl gegen Luiz Inácio „Lula“ da Silva verloren. Am 1. Januar 2023 wird der Sozialdemokrat in der Hauptstadt Brasília vereidigt. Bolsonaro hatte monatelang Stimmung gegen die demokratischen Institutionen gemacht und immer wieder Zweifel am elektronischen Wahlsystem gesät. Zwar ließ er nach der Wahl erklären, dass eine Amtsübergabe eingeleitet werde. Allerdings gratulierte er weder Lula zum Wahlsieg, noch gestand er seine Niederlage direkt ein.
Besonders skurril: Die Beschwerde der PL vor dem Obersten Wahlgericht bezieht sich nur auf die Stichwahl. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Partei in der ersten Runde starke Ergebnisse erzielte und mit 99 Abgeordneten und acht Senator*innen in das Parlament gewählt wurde. Auch Bolsonaro schnitt deutlich besser ab als erwartet.
Mit der jüngsten Entscheidung dürfte die letzte Hoffnung im Bolsonaro-Lager gestorben sein, das Wahlergebnis auf rechtlichem Weg anzufechten. Von vielen Expert*innen wird die Beschwerde ohnehin eher als Versuch gewertet, die Anhänger*innen weiter zu mobilisieren. Die Entscheidung und die harte Strafe wird bei vielen Bolsonaro-Fans das Narrativ bestätigen, es sei ein Komplott „des Systems“ im Gange.
Richter Alexandre de Moraes, der auch Mitglied des Obersten Gerichtshofes ist, gilt vielen Rechten schon lange als Hassfigur und Kopf einer großen Verschwörung. Seit der Wahlniederlage gehen Bolsonaro-Anhänger*innen im ganzen Land auf die Straße, um gegen die „geraubte Wahl“ zu demonstrieren. Mit weiterer Radikalisierung ist zu rechnen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens