Präsidentenwahl im Kongo: Überraschungssieger Tshisekedi
Kongos neuer Präsident heißt voraussichtlich Felix Tshisekedi. Andere Oppositionelle sind empört. Nun schlägt die Stunde der Wahlbeobachter.
Den amtlichen Zahlen zufolge erhält Tshisekedi 38,57 Prozent der Stimmen, knapp vor dem eigentlich favorisierten anderen Oppositionskandidaten Martin Fayulu, dem die Wahlkommission 34,83 Prozent gibt. Emmanuel Shadary, Kandidat der bisherigen Regierung von Präsident Joseph Kabila und dessen designierter Wunschnachfolger, liegt weit abgeschlagen mit 23,84 Prozent auf dem dritten Platz. Die Wahlbeteiligung war mit unter 50 Prozent ziemlich niedrig.
Das Ergebnis entspricht nicht den bisherigen Erwartungen. Nach Einschätzung internationaler Beobachter hatte Fayulu eigentlich klar vorne gelegen. In ersten internationalen Reaktionen dominierte jetzt Zurückhaltung und Skepsis.
Eine historische Revanche
Für die UDPS ist es eine historische Revanche. Felix Tshisekedi ist der Sohn des verstorbenen kongolesischen Oppositionsführers Etienne Tshisekedi, der 2011 durch Manipulation um den Wahlsieg gegen Joseph Kabila betrogen worden war. Seit ihrem Kampf gegen die Mobutu-Diktatur sieht sich die UDPS als eigentliche Hüterin des Erbes der Demokratiebewegung des Landes, die ein ums andere Mal um die Macht betrogen worden sei.
In Kinshasa brachen am Donnerstagmorgen Freudenfeiern jubelnder UDPS-Anhänger aus. Felix Tshisekedi sagte im Rundfunk, er wolle Präsident des gesamten kongolesischen Volkes sein. „Ich freue mich für das kongolesische Volk, denn niemand hatte gedacht, dass dieser Wahlprozess friedlich ablaufen würde. Alle dachten, dass es zu Auseinandersetzungen, Gewalt und Blutvergießen kommt.“
Dieses Risiko ist allerdings nicht gebannt. Am frühen Morgen kam es zu ersten Protesten wütender Fayulu-Anhänger in mehreren Städten. Martin Fayulu selbst, der von wichtigen Exilpolitikern unterstützt worden war und im Wahlkampf den größten Zulauf erhalten hatte, sprach gegenüber dem französischen RFI-Rundfunk am frühen Morgen von einem „Wahlputsch“ und einer „Schande“: man habe „dem kongolesischen Volk den Sieg gestohlen“.
Die Vermutung des Fayulu-Wahlbündnisses Lamuka ist, dass Tshisekedi sich mit dem Kabila-Lager arrangiert hat, um als Sieger aus der Wahl hervorgehen zu dürfen – und im Gegenzug die Privilegien und Vollmachten der herrschenden Kreise um Kabila nicht anzutasten.
Was sagen die Wahlbeobachter?
Alle Augen richten sich nun auf die Bischofskonferenz der katholischen Kirche (CENCO), die das einzige flächendeckende Netz unabhängiger Wahlbeobachter im Einsatz hatte. Vergangene Woche hatte die CENCO aufgrund der von ihr flächendeckend gesammelten Einzelergebnisse erklärt, es gebe einen klaren Wahlsieger, und an die Wahlkommission appelliert, diesen auch zu verkünden. Die CENCO könnte nun mit einer Bekanntgabe, ob das offizielle Ergebnis ihren Erkenntnissen entspricht, die nationale und internationale Reaktion auf das Wahlergebnis entscheidend beeinflussen.
Die Wahlkommission hatte Ende vergangener Woche die eigentlich für Sonntag geplante Ergebnisverkündung vorübergehend ausgesetzt. Inwiefern seitdem die Zahlen möglicherweise frisiert wurden, dürfte noch Thema heftiger Streitereien werden.
Am Mittwochabend, als die Ergebnisverkündung bereits unmittelbar bevorstand, hatte die Oppositionspartei MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) von Jean-Pierre Bemba, die Fayulu unterstützte, ihre Vertreter aus dem Vorstand der Wahlkommission zurückgezogen.
Die MLC protestierte damit nach eigenen Angaben gegen das Vorgehen von Wahlkommissionschef Corneille Nangaa, einem Vertrauten von Präsident Joseph Kabila. Man wolle sich nicht Anweisungen des Kabila-Lagers beugen, sagte MLC-Generalsekretärin Eve Bazaiba. Zuvor war verschiedentlich bekannt geworden, dass die Wahlkommission von Parteivertretern verlangt habe, regionale Ergebnisprotokolle zu unterschreiben, ohne die Zahlen überprüfen zu dürfen.
Das Wahlergebnis muss nun noch vom Verfassungsgericht bestätigt werden. Wenn es dabei bleibt, erlebt der Kongo den ersten friedlichen Machtwechsel seiner Geschichte. Dann wird sich Joseph Kabila dafür feiern lassen dürfen, freiwillig sein Amt an einen Nachfolger übertragen zu haben.
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