Präsenzunterricht und Omikron: Erstes Bundesland schert aus
In Thüringen gibt es nach Weihnachten erst Distanz-, dann Wechselunterricht. Woanders möchte man diesen Weg ungern gehen.
Für eine flächendeckende Schulschließung in allen Bundesländern gebe es aus ihrer Sicht „weder eine Rechtsgrundlage noch eine sachliche Begründung“, sagte Prien dem Handelsblatt. Damit wies die CDU-Politikerin, die im Januar die turnusmäßige KMK-Präsidentschaft von der Brandenburgerin Britta Ernst (SPD) übernimmt, die Forderung des Robert Koch-Institutes (RKI) zurück, wegen Omikron bundesweit die Weihnachtsferien zu verlängern.
Manche Bundesländer jedoch scheinen die Sorgen des RKI zu teilen. Die Virusmutation gilt im Vergleich zur Delta-Variante als deutlich ansteckender. Sachsen-Anhalt und Brandenburg etwa haben ihre Schüler:innen vorsorglich früher in die Weihnachtsferien geschickt. Und Thüringen verlängert die Ferien nicht nur um zwei Tage, sondern hat für alle Schulen im Freistaat bis Mitte Januar Distanzunterricht angeordnet.
Im Anschluss sollen die Schüler:innen „nach Möglichkeit in kleinen Lerngruppen“ in den Präsenzunterricht zurückkehren, sprich in den Wechselunterricht. So hat es das thüringische Landeskabinett vor Weihnachten beschlossen. „Wir müssen im Januar von einer schweren Belastung aller Lebensbereiche durch die neue Omikron-Variante des Coronavirus ausgehen“, begründet Bildungsminister Helmut Holter (Linkspartei) die Entscheidung. Wie lange der Wechselunterricht gelten soll, sei „noch nicht absehbar“.
Lehrerverbände im Team Vorsicht
Bislang ist Thüringen mit diesem Weg allein auf weiter Flur. Geht es nach den Lehrerverbänden, wäre dies ein Modell für das ganze Land. „Durch die Omikron-Variante verschärft sich die pandemische Lage massiv – auch an den Schulen“, warnte der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, gegenüber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Wechsel- und Distanzunterricht dürften für die KMK „kein Tabuthema“ sein, forderte Beckmann.
Auch Lehrerverbandschef Heinz-Peter Meidinger hält im Fall einer massiven Omikron-Welle im neuen Jahr einen „kurzen Lockdown inklusive Schulschließungen mit Distanzunterricht“ für das geringere Übel als eine Situation, in der Schulen über Monate „mal geöffnet und mal geschlossen“ würden.
Andreas Schleicher, OECD-Bildungsdirektor und Leiter der Pisa-Studie, warnte am Montag eindringlich vor erneuten Schulschließungen. „Wir haben gerade im internationalen Vergleich gesehen, dass sich auch bei schwieriger Infektionslage die Schulen offenhalten lassen – wenn das Priorität hat und wenn man entsprechende Vorbereitungen trifft“, so Schleicher im RND-Podcast „Die Schulstunde“.
Es könne nicht sein, dass die Jüngsten erneut den Preis der Pandemie zahlten. Dieses Mal sollten – anders als in der Vergangenheit – nicht die Einkaufszentren offen gehalten werden, sondern die Schulen.
Über 100.000 in Quarantäne
Auch die neue Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) forderte, die Schulen „so lange wie möglich“ offen zu halten. Mit Blick auf Omikron empfahl sie jedoch, Wechselunterricht vorzubereiten.
Laut KMK waren in der Woche vor Weihnachten bundesweit 86.325 Schüler:innen (0,9 Prozent) nachweislich mit Covid-19 infiziert, 111.329 (1,25 Prozent) befanden sich in Quarantäne. Die Werte liegen damit leicht unter denen der Vorwoche.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA entwerfen UN-Resolution zum Krieg in der Ukraine ohne jede Kritik an Russland
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen